Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!



Historische Bauwerke in Hofheim am Taunus (A16)


„Pfälzer Hof"


Hattersheimer Straße 1

Pfälzer Hof, 2022 - Foto: Heiko Schmitt
 

1878 errichtete an der Chaussee nach Hattersheim, heute Hattersheimer Straße 1, der Wagner Jakob Christoph Kassler (*1845) und seine Ehefrau Elisabetha geb. Lanzinger ein zweistöckiges Wohnhaus mit Wirtsstube und Kegelbahn. Außerdem verfügte das Anwesen noch über eine Wagnerwerkstätte. Vermutlich lautete der Name des Wirtshauses „Bahnhofsgaststätte“, denn 1877 wurde die Bahnstrecke nach Limburg in Betrieb genommen und die Gaststätte lag direkt gegenüber. Jakob Kassler stammte aus der traditionellen Wagner-Familie Kassler in der Borngasse (heute Kurhausstraße). Kassler betrieb das Anwesen lediglich drei Jahre, dann verkaufte er es im Februar 1881 an Georg Ullrich vom Schloss Herdringen bei Arnsberg in Westfalen. Über den weiteren Werdegang der Familie Kassler ist nichts bekannt. Über Georg Ullrich ist bekannt, dass er in Hofheim einige Grundstücke geerbt hatte. Über seine Person ist nichts weiter bekannt.

Franz Arnet - Bildquelle: Dr. Hartmut E. Arras
Bereits 1883 wechselte das Anwesen erneut den Besitzer. Es wurde von dem Stationssvorsteher des Hofheimer Bahnhofs Franz Arnet (1848-1935) und seiner Ehefrau Elisabetha geb. Rendelhuber (1851-1936) gekauft. Spätestens nach diesem Wechsel trug das Wirtshaus den Namen „Pfälzer Hof“. Grund dürfte die Herkunft der Eheleute sein, sie stammten aus der Pfalz. Ob die „Arnets“ auch direkt nach dem Kauf des Anwesens die Gastwirtschaft betrieben haben, ist nicht bekannt. Franz Arnet musste sich wegen eines Magenleidens 1895 bei der Bahn vorzeitig pensionieren lassen. Vermutlich hat er erst nach seiner Genesung die Gastwirtschaft betrieben. 1896 erfolgte ein erster Umbau des Gebäudes. Es wurde eine Wirtschaftshalle angebaut, ein Kohlenraum und ein Pissoir errichtet.

Dass es immer wieder mal im „Pfälzer Hof“ was Besonderes gab, darüber berichtet das Höchster Kreisblatt am 9. Juli 1904: Eine Raritätensammlung erster Güte wird morgen hierselbst zu sehen sein. Wie unsere Leser aus dem Inseratenteil bereits ersehen haben werden, hält der zu allen lustigen Streichen stets aufgelegte Pfälzerhof-Wirt Herr Arnet ein sogen. „historisches Kostümrennen“ ab, bei welchem die größten Stiebel, das drolligste Kapothütchen, der größte Regenschirm usw. mit sehr respektablen Preisen prämiert werden sollen. Es sind denn auch in der Tat bereits einige ganz unheimliche Exemplare der in Rede stehenden Artikel angeliefert oder angemeldet, so dass man fast glauben könnte, es handele sich um extra präparierte Schaustücke. Doch lehrt ein Blick auf das ehrwürdige Alter der betr. Gegenstände, dass man es mit lauter echten Sachen zu tun hat. Jedenfalls versäume Niemand die interessante Ausstellung, die gleichzeitig eine Fülle an heiteren Ereignissen verspricht. Dass Herr Arnet immer – und zur Zeit ganz besonders – einen feinen Schoppen Hohenastheimer neben seinen sonstigen Spezialitäten verzapft, sei beiläufig bemerkt.

Einer Zeitungsnotiz des Höchster Kreisblattes vom 10. Dezember 1908 ist zu entnehmen, dass der Besitzer des „Pfälzer Hofes“ im nächsten Frühjahr mit dem Bau eines größeren Hotels beginnen will. 1909 erfolgte dieser Umbau: Das Gebäude wurde um ein Stockwerk erhöht und erweitert. Es hatte damit in etwa das Aussehen wie es heute noch besteht. Der „Pfälzer Hof“ sollte jetzt als „Bahnhof-Hotel“ geführt werden. Dies dokumentiert auch eine Postkarte aus der Zeit nach dem Umbau, zumindest stand es so an der Fassade des Hauses. Ob der Hotelbetrieb erfolgte oder längere Zeit Bestand hatte, ist nicht bekannt.

Die Gaststätte wurde bis 1911 von Franz Arnet betrieben. Von 1911 bis 1914 hatte er die Gaststätte an Hugo Huhn verpachtet, zumindest belegen das die entsprechenden Adressbücher. Zu ihm hat der Landsberg-Wirt Gustav Kyritz eine Anekdote aufgeschrieben, diese soll hier kurz geschildert werden: Es soll an einem Sommerabend gewesen sein. „Hugo, noch ein Bembel, da fang“ rief der Gast Robert Wagner ungeduldig von der Terrasse dem Wirt Hugo Huhn durch das offene Fenster zu und warf den Bembel in Richtung Theke. „Da, Robert, fang“ rief Huhn und der Krug kam auf gleichem Weg zurück. Von der Tischplatte spritzte der Apfelwein in alle Himmelsrichtungen. In der gleichen Nacht sollen die Stammtischbrüder die Türe des Lokals ausgehängt und im nahe gelegenen Park versteckt haben. Man kann die Anekdote glauben oder nicht, es gibt keine weiteren Beweise.

Hugo Huhn war wohl der letzte Wirt des „Pfälzer Hofes“. Vermutlich wurde das Wirtshaus im Ersten Weltkrieg bereits geschlossen, da durch die Kriegswirren kein Bedarf mehr bestand. 1920 entschied sich Franz Arnet das Anwesen an die Stadt Hofheim zu verkaufen. Er sicherte für sich und seine Ehefrau das Wohnrecht im Haus bis zu ihrem Tode. Die Nutzung des Gebäudes als Wirtshaus dauerte also nur von 1878 bis zum Ersten Weltkrieg.

Der „Pfälzer Hof“ vor dem Umbau im Jahre 1909 - Bildquelle: Dr. Hartmut E. Arras


Innenraum des "Pfälzer Hofes", um 1912 - Quelle: Stadtarchiv Hofheim


Der "Pfälzer Hof" nach dem Umbau 1909 - Bildquelle: Dr. Hartmut E. Arras

 

Foto: Heiko Schmitt

Die Geschichte vom gusseisernen Ofen

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde auf dem Speicher des „Pfälzer Hofes“ ein gusseiserner Ofen gefunden. Vermutlich ist der Ofen 1920 mit dem Kauf des Hauses in den Besitz der Stadt übergegangen. Ob dieser Ofen jemals im Gastraum der Wirtschaft stand, kann nicht belegt werden. Auf einem Foto aus dem Jahr 1912 ist im Gastraum ein anderer Ofen zu sehen. Der Ofen muss wohl um die Jahrhundertwende produziert worden sein, dies belegt ein Stempel am Ofen. Es handelt sich um einen aus drei Teilen bestehenden sogenannten Säulenofen, wie es damals bei Leuten in Mode war, die es sich leisten konnten. Viele Verzierungen der Elemente des Ofens deuten auf die Zeit des Historismus, z.B. die Muscheln auf Neo-Barock/Rokoko. Der Ofen ist zum Heizen von großen Räumen gedacht. Wie der Ofen in den „Pfälzer Hof“ kam, ist nicht bekannt. Der Stempel gibt auch einen Hinweis auf den Hersteller: Die Stromberger Neuhütte im Hunsrück.

Übrigens, der Ofen kann heute im Stadtmuseum Hofheim in der Abteilung Stadtgeschichte bewundert werden. Allerdings ist er nicht mehr funktionsfähig.


Die Bewohner des „Pfälzer Hofes“

Der „Pfälzer Hof“ war nicht nur Gasthaus, sondern lange Zeit auch Wohnhaus. Die Wohnungen befanden sich in den Obergeschossen.

1890 lautet die Anschrift „Chaussee 7“, Bewohner waren Franz Arnet und der Privatier Georg Christ. Hoffmann.

1894 wohnten neben der Familie von Franz Arnet noch eine Maria Junker im Haus.

1912 wohnten hier der Hausbesitzer Franz Arnet mit seiner Frau Elise, der Gaststättenpächter Hugo Huhn und der Stationsvorsteher am Hofheimer Bahnhof Gustav Kreuder, der Schwiegersohn von Franz Arnet, dessen Ehefrau Maria bereits 1911 gestorben war. Außerdem lebten im Haus die Köchin Johanna Petry sowie das Hausmädchen Babette Rohland, das Kindermädchen Lina Ahlemann und das Dienstmädchen Rosa Münch.

1919 waren von den Genannten nur noch Franz Arnet, seine Ehefrau und Rosa Münch hier wohnhaft. Weitere Bewohner waren Anna Höhn, der Kaufmann Franz Maurer und der Lederhändler Johann Morath.

1925: Neben Franz Arnet sind Anna Höhn und der Polizei-Assistent Albert Walter als Bewohner benannt.

1930: Franz Arnet, der Privatier Hans Jakob Maurer, der Maurer Johann Sauer und Polizei-Assistent Albert Walter.

Im Adressbuch von 1939 sind als Bewohner des Hauses aufgeführt: Der Vorarbeiter Josef Ernst, der Kaufmann Karl Herdt, der Arbeiter Karl Hoß, der Rentner Johann Sauer und der Wiegemeister Hermann Wagner.

Das Adressbuch von 1952 nennt uns die folgenden Bewohner: Arbeiter Hans Ernst, Arbeiter Josef Ernst, Kaufmann Arno Fritz, Walzer Peter Hartmann, Kaufmännischer Angestellter Karl Herdt, Arbeiter Karl Hoß, Arbeiter Julius Mohrmann, die Firma Glaswaren Normag, Maurer Johann Sauer, Agent Otto Tetzke sowie Stadtbote Hermann Wagner.


Weitere Nutzung

Nach dem Kauf des „Pfälzer Hofes“ durch die Stadt Hofheim im ersten Halbjahr 1920 erfolgte ein umfangreicher Umbau des Hauses. Dies war eine erste Investition des seit April 1920 als Bürgermeister tätigen Oskar Meyrer. Im Erdgeschoss wurden Versammlungsräume und in den Obergeschossen Wohnungen eingerichtet. Das Haus hatte jetzt den Namen „Stadthaus Pfälzer Hof“. Ab November 1920 fanden dort die Stadtverordnetensitzungen statt.


Nach dem Kauf durch die Stadt Hofheim hatte das Haus „Pfälzer Hof“ noch viele unterschiedliche Nutzungen:
  • Seit über hundert Jahren Heimat des Volksbildungsvereins
  • In den 1920er Jahren Einrichtung einer Volksbücherei
  • Im Zweiten Weltkrieg Lebensmittelkartenstelle
  • Nach 1945 kurzfristig Nutzung als Glasbläserei im Erdgeschoss
  • 1947 Nutzung als Schule
  • Bis 1974 in den Obergeschossen Wohnnutzung
  • Ab 1974 Nutzung durch die Musikschule
  • Hausfrauenverband, Verbraucherberatung, Mütter-, Senioren- und Familienzentrum

 


Quellen: 

  • Manfred Becht, Höchster Kreisblatt vom 15. Juni 2013, „Der eiserne Zeuge“
  • Unterlagen von Dr. Hartmut E. Arras, Berlin
  • Genealogische Daten von Wilfried Wohmann, Hofheim
  • Hofheimer Stockbücher 1853-1906
  • Hofheimer Adressbücher von 1890 bis 1952
  • Höchster Kreisblatt vom 9. Juli 1904 und 10. Dezember 1908



Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Wilfried Wohmann)

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