Historische Bauwerke in Hofheim am Taunus (A16) |
„Pfälzer Hof"
1878 errichtete an der Chaussee nach Hattersheim, heute Hattersheimer Straße 1, der Wagner Jakob Christoph Kassler (*1845) und seine Ehefrau Elisabetha geb. Lanzinger ein zweistöckiges Wohnhaus mit Wirtsstube und Kegelbahn. Außerdem verfügte das Anwesen noch über eine Wagnerwerkstätte. Vermutlich lautete der Name des Wirtshauses „Bahnhofsgaststätte“, denn 1877 wurde die Bahnstrecke nach Limburg in Betrieb genommen und die Gaststätte lag direkt gegenüber. Jakob Kassler stammte aus der traditionellen Wagner-Familie Kassler in der Borngasse (heute Kurhausstraße). Kassler betrieb das Anwesen lediglich drei Jahre, dann verkaufte er es im Februar 1881 an Georg Ullrich vom Schloss Herdringen bei Arnsberg in Westfalen. Über den weiteren Werdegang der Familie Kassler ist nichts bekannt. Über Georg Ullrich ist bekannt, dass er in Hofheim einige Grundstücke geerbt hatte. Über seine Person ist nichts weiter bekannt.
Dass es immer wieder mal im „Pfälzer Hof“ was Besonderes gab, darüber berichtet das Höchster Kreisblatt am 9. Juli 1904: Eine Raritätensammlung erster Güte wird morgen hierselbst zu sehen sein. Wie unsere Leser aus dem Inseratenteil bereits ersehen haben werden, hält der zu allen lustigen Streichen stets aufgelegte Pfälzerhof-Wirt Herr Arnet ein sogen. „historisches Kostümrennen“ ab, bei welchem die größten Stiebel, das drolligste Kapothütchen, der größte Regenschirm usw. mit sehr respektablen Preisen prämiert werden sollen. Es sind denn auch in der Tat bereits einige ganz unheimliche Exemplare der in Rede stehenden Artikel angeliefert oder angemeldet, so dass man fast glauben könnte, es handele sich um extra präparierte Schaustücke. Doch lehrt ein Blick auf das ehrwürdige Alter der betr. Gegenstände, dass man es mit lauter echten Sachen zu tun hat. Jedenfalls versäume Niemand die interessante Ausstellung, die gleichzeitig eine Fülle an heiteren Ereignissen verspricht. Dass Herr Arnet immer – und zur Zeit ganz besonders – einen feinen Schoppen Hohenastheimer neben seinen sonstigen Spezialitäten verzapft, sei beiläufig bemerkt.
Einer Zeitungsnotiz des Höchster Kreisblattes vom 10. Dezember 1908 ist zu entnehmen, dass der Besitzer des „Pfälzer Hofes“ im nächsten Frühjahr mit dem Bau eines größeren Hotels beginnen will. 1909 erfolgte dieser Umbau: Das Gebäude wurde um ein Stockwerk erhöht und erweitert. Es hatte damit in etwa das Aussehen wie es heute noch besteht. Der „Pfälzer Hof“ sollte jetzt als „Bahnhof-Hotel“ geführt werden. Dies dokumentiert auch eine Postkarte aus der Zeit nach dem Umbau, zumindest stand es so an der Fassade des Hauses. Ob der Hotelbetrieb erfolgte oder längere Zeit Bestand hatte, ist nicht bekannt.
Die Gaststätte wurde bis 1911 von Franz Arnet betrieben. Von 1911 bis 1914 hatte er die Gaststätte an Hugo Huhn verpachtet, zumindest belegen das die entsprechenden Adressbücher. Zu ihm hat der Landsberg-Wirt Gustav Kyritz eine Anekdote aufgeschrieben, diese soll hier kurz geschildert werden: Es soll an einem Sommerabend gewesen sein. „Hugo, noch ein Bembel, da fang“ rief der Gast Robert Wagner ungeduldig von der Terrasse dem Wirt Hugo Huhn durch das offene Fenster zu und warf den Bembel in Richtung Theke. „Da, Robert, fang“ rief Huhn und der Krug kam auf gleichem Weg zurück. Von der Tischplatte spritzte der Apfelwein in alle Himmelsrichtungen. In der gleichen Nacht sollen die Stammtischbrüder die Türe des Lokals ausgehängt und im nahe gelegenen Park versteckt haben. Man kann die Anekdote glauben oder nicht, es gibt keine weiteren Beweise.
Hugo Huhn war wohl der letzte Wirt des „Pfälzer Hofes“. Vermutlich wurde das Wirtshaus im Ersten Weltkrieg bereits geschlossen, da durch die Kriegswirren kein Bedarf mehr bestand. 1920 entschied sich Franz Arnet das Anwesen an die Stadt Hofheim zu verkaufen. Er sicherte für sich und seine Ehefrau das Wohnrecht im Haus bis zu ihrem Tode. Die Nutzung des Gebäudes als Wirtshaus dauerte also nur von 1878 bis zum Ersten Weltkrieg.
Die Geschichte vom gusseisernen Ofen
Die Bewohner des „Pfälzer Hofes“
Weitere Nutzung
- Seit über hundert Jahren Heimat des Volksbildungsvereins
- In den 1920er Jahren Einrichtung einer Volksbücherei
- Im Zweiten Weltkrieg Lebensmittelkartenstelle
- Nach 1945 kurzfristig Nutzung als Glasbläserei im Erdgeschoss
- 1947 Nutzung als Schule
- Bis 1974 in den Obergeschossen Wohnnutzung
- Ab 1974 Nutzung durch die Musikschule
- Hausfrauenverband, Verbraucherberatung, Mütter-, Senioren- und Familienzentrum
Quellen:
- Manfred Becht, Höchster Kreisblatt vom 15. Juni 2013, „Der eiserne Zeuge“
- Unterlagen von Dr. Hartmut E. Arras, Berlin
- Genealogische Daten von Wilfried Wohmann, Hofheim
- Hofheimer Stockbücher 1853-1906
- Hofheimer Adressbücher von 1890 bis 1952
- Höchster Kreisblatt vom 9. Juli 1904 und 10. Dezember 1908
Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Wilfried Wohmann)