| Historische Bauwerke in Hofheim am Taunus (A18)
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Ehemaliges "Haus Georgi"
Vincenzstraße 4 (früher Langenhainer Straße)
Auf dem Gelände an der Kreuzgasse, später Langenhainer Straße, später Vincenzstraße 2 und 4 befand sich früher die Ziegelhütte. Die Ziegelbrennerei wurde ab 1850 von Johann Baptist Nathan (1810-1882) und ab 1867 von Matthäus Dreste (1811-1895) betrieben. 1888 erwarb Johann Georg Hieronymus aus Frankfurt am Main das Anwesen. Er legte den Brennofen und einige Gebäude nieder und das Wohnhaus wurde erhöht.
1896 kauften die Geschwister Elisabeth und Emilie sowie deren Mutter aus Frankfurt am Main das gesamte Anwesen inklusive eines angrenzenden Ackers. Die Anschrift lautete Langenhainer Straße 2. Nach Anbauten 1896 und 1899 an das Wohnhaus wurde ab 1901 oberhalb des Wohnhauses ein neues Gebäude errichtet, das ab 1903 unter der Anschrift Langenhainer Straße 4 das "Erziehungsheim der Geschwister Georgi" wurde. Dieses Haus war gleichzeitig eine Privatschule für schwer erziehbare, geistig und körperlich behinderte Kinder, die in der Regel aus gutbürgerlichen Familien aus der näheren und weiteren Umgebung kamen. In sozialen Notfällen wurden auch Ausnahmen gemacht, z.B. Tagesaufenthalt für Kinder aus gefährdeten Familien. Elisabeth Georgi leitete das Heim.
Neben einer Gruppe von Kindern, die in Hofheim zur Schule gingen, gab es drei weitere, die im Haus von zwei Sonderschullehrerinnen und Kindergärtnerinnen betreut wurden. Die Gruppengröße betrug zwischen fünf und sieben Schülerinnen und Schülern. In zwei Gruppen wurden Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten bzw. -störungen unterrichtet, in der dritten praktisch Bildbare. Gesunde und behinderte Kinder hatten ansonsten einen gemeinsamen Tagesablauf: Wecken und 5 Minuten Sport, Frühstück anschließend Schulunterricht, Essen, Mittagsruhe oder Spaziergang, Kaffee, anschließend Schulaufgaben oder Spiele, Basteln und Handarbeit, Abendbrot, Bettruhe.
Täglich wurde morgens und abends eine evangelische Andacht abgehalten. In den Ferienmonaten stellte Frau Georgi das Haus für Sommererholung zur Verfügung. Neben dem Haupthaus gab es zu diesem Zweck ein weiteres Gebäude. Insgesamt umfasste der Komplex drei Häuser und einen großen Garten.
In ihrem Erziehungsstil lehnte Frau Georgi die Prügelstrafe ab. Sie besaß ein Gespür für Problemkinder und schuf innerhalb des Hauses ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl. Sie war der integrierende Mittelpunkt. Als besonderer Festtag wurde jährlich ihr Geburtstag gefeiert. Ihre Schützlinge – vom Kindergarten bis zum Konfirmationsalter – führten ein Theaterstück auf und stellten die Ergebnisse aus den musischen Arbeitsgruppen den geladenen Gästen vor. Für die Größeren gab es schulfrei. Nach außen war „Tante Elisabeth“, wie sie von allen genannt wurde, eine starke Persönlichkeit. Während der NS-Zeit hielt sie trotz aller Schwierigkeiten zu ihren Zöglingen, unter denen sich auch jüdische Kinder befanden. In den letzten Jahren half ihr „Tante Fanny“ (Frau Wetzke) bei der Leitung des Hauses. Hausarzt und Berater war Sanitätsrat Dr. Max Schulze-Kahleyß (1867-1951) aus dem „Hofheimer Kurhaus“. Frau Georgi arbeitete bis in die Nacht und lebte bis zu ihrem Tode 1940 nur für ihre Erziehungsanstalt.
Für die Weiterführung des Erziehungsheimes fand sich nach ihrem Tod kein Nachfolger, weshalb das Haus 1940 von der Stadt Hofheim erworben wurde. Zunächst fand darin die Hofheimer Mittelschule, dann das Gymnasium sowie eine Sonderschule Unterkunft. Später war es das Domizil der Volkshochschule. Heute befindet sich in dem Haus Vincenzstraße 4 die Verwaltung des Abwasserverbandes. Das Haus Vincenzstraße 2 wurde beim Bau der Straße nach Eppstein Ende der 1970er Jahre abgerissen.
Quellen:
Becht, Manfred, hrsg. Magistrat der Stadt Hofheim am Taunus und Hofheimer Zeitung: Hofheim und seine Geschichte, Hofheim 2002
„Spurensuche zur Geschichte von Frauen in Hofheim“ - Ausstellung im Rathaus 14.6. - 7.7.1991 -
Herausgeber Stadt Hofheim - Stadtarchiv unter Mitarbeit einer Arbeitsgruppe von 16 Hofheimerinnen und Hofheimern.
Hofheimer Stockbücher – HHStAW 362/34 Hofheim 1-26
Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Wilfried Wohmann)