Die Einsiedlerquelle auf dem Hofheimer Kapellenberg
Brigitte Friedrich
Geht man vom Hofheimer Cohausentempel am Kapellenberg (auf dem Albertsweg) in Richtung Lorsbach, so findet man nach ca 300m auf der linken Wegseite, kurz vor dem Zaun des Naturfreundegeländes, eine gefaßte Quelle. Alte Hofheimer nennen sie die Einsiedlerquelle, dieser Name steht auf dem Bronzeschild. Bevor die Gaststätte am Meisterturm an die Wasserleitung angeschlossen wurde, versorgte sich die Wirtin aus dieser Quelle und transportierte das Wasser mit einem Eselskarren in ihre Küche. Die Quelle ist nicht weit von der Bergkapelle entfernt und steht auch in engem Zusammenhang mit dieser.
Am 3. Juni 1666, dem Himmelsfahrtstag, gelobten die Hofheimer, eine Kapelle auf dem Berg zu bauen, wenn sie von der zu dieser Zeit grassierenden Pestepedemie verschont werden würden. Das geschah dann im nächsten Jahr. Die Kapelle war weit über Hofheim hinaus beliebt, das ganze Jahr über wurden Bittgänge dorthin durchgeführt. Einige Beispiele: die Hofheimer Gemeinde führte die regelmäßige Wallfahrt am 2. Pfingstfeiertag, am 25. April und am 3. Rogationstag zur Kapelle, Kriftel und Hattersheim am 2. Juli (Maria Heimsuchung), Wicker und Weilbach wallfahrten am 8. September, Marxheim am 25. September. Im August wurde von allen gemeinsam der Weihe gedacht.
Etwa um 1700 wurden die 7 Kreuzwegstationen, die sog. Fußfälle, von den Bürgern erbaut. Die Namen der Spender beweisen ebenfalls die überregionale Bedeutung der Kapelle.
Die Kapelle mußte betreut werden. Diese Aufgabe wurde von einem oder zwei Eremiten durchgeführt. Sie mußten das Gotteshaus beaufsichtigen und die Pilgermassen betreuen, Kerzen und Andachtsbilder verkaufen und durften auch die Beichte abnehmen.
Die Eremiten waren keine Einzelgänger, sondern in einer ordensähnlichen Gemeinschaft, der Eremiten-Kongretation, zusammengefaßt. Der Mainzer Erzbischof Lothar Franz von Schönborn (1695-1729), Bauherr auch des Hofheimer Kellereigebäudes, erließ feste Statuten für die Eremiten, die in einem Regelbuch zusammengefaßt wurden. Ordnung, Zucht und Aufsicht sind oberstes Prinzip. Die Oberleitung übernahm das erzbischöfliche Generalvikariat, leitender Direktor war der Präses. Dieses Amt wechselte zwischen den Pfarrern von Fischbach, Münster-Liederbach oder Hofheim, denn der Sitz dieser Kongregation war Gimbach. Der Hofheimer Pfarrer Dr. Franziscus Bartholomäus Seitz war von 1717 bis 1730 Präses. Der Präses mußte den schriftlichen und amtlichen Verkehr zwischen dem Vikariat und den Eremitenbrüdern führen, die Aspiranten prüfen und unterrichten und in dem erforderlichen Probejahr begleiten. Die Eremiten waren im Bereich des Erzbistums verteilt in verschiedenen Kapellen tätig,von Worms bis Aschaffenburg, im Odenwald und im Rheingau. Einmal im Jahr am Dienstag nach Johannes des Täufers Enthauptung (29. August), fand ein Treffen aller Brüder im Hauptsitz, also in Gimbach, statt. Sie mußten dort ihre Rechenschaftsberichte abgeben, der Präses prüfte alles und legte bei Vergehen auch eine Bestrafung fest, Aspiranten wurden eingekleidet, Versetzungen angeordnet. Ein Protokoll mußte zur Genehmigung an das Generalvikariat geschickt werden.
Die Eremiten hatten also feste Regeln zu befolgen. Sie hatten eine einheitliche Kleidung, bestehend aus einem braunen Habit mit Gürtel und einem schwarzen Skapulier ( das ist ein über dem Hauptgewand getragenes Tuch, das Brust und Rücken bedeckt und bis zu den Knöcheln reicht).
Über die Eremiten auf dem Hofheimer Marienberg, wie der Kapellenberg damals genannt wurde, gibt es nur wenige, lückenhafte Aufzeichnungen.
Erste Kenntnis haben wir von einem Eremit Ludwig Schmidt, er lebte ab 1706 auf dem Berg. Im Jahre 1724 bewirbt sich Johann Mickelin, ein Franziskanermönch, um die offene Stelle eines Eremiten. Er begründet seine Bewerbung mit einem Gelöbnis, das er bei einer Seefahrt abgelegt hat. In seiner Bewerbung verspricht er, falls er die Stelle bekommt, Gott den Allmächtigen um eine lange währende Gesundheit und glückliche Regierung des Erzbischofs anzuflehen.
Eremit scheint ein begehrter Posten gewesen zu sein, um den sich mehrere beworben haben, denn Mickelin weist auf seine besonderen Verdienste hin, er war schon 13 Jahre beim Erzbischof zu Diensten, u.a. in der Hofkonditorei, er unterschrieb seine Bewerbung mit der Berufsbezeichnung Zuckerbäcker.
Das kleine, alte Eremitenhaus war 7,00m lang und 2,80m breit, es war ein Fachwerkhaus mit einem Keller und einem Ziegeldach. Der Fußboden war mit Steinen gepflastert. Es gab einen Ofen in dem Häuschen und einen kleinen Eremitengarten. Bevor Johannes Mickelin einzog, wurde das Häuschen renoviert und durch einen Anbau auf 7x5,60m vergrößert und entsprach damit der von Gimbach vorgegebenen Größe. Es war mit 35m² Grundfläche nun größer als so manches Altstadthaus. Über dem gesamten Haus wurde ein neues Walmdach errichtet. Auch der vorhandene Keller erhielt eine neue Holzbalkendecke. Der Hofheimer Zimmermann Hannß Jörg Grimm und der Maurer Moritz Seidemann führten die Arbeit aus.
Die Kapelle wurde von so vielen Gläubigen besucht, daß 1771 ein größerer Neubau in Erwägung gezogen wird. Diese zweite Kapelle mit 2 Altären wurde am 21. September 1784 geweiht. Unter Anwesenheit zahlreicher geistlicher Herren erteilte der Erzbischof von Mainz 400 Firmlingen das Sakrament der Firmung (Hofheim hatte ca. 1000 Einwohner). Die Kapelle wurde nicht nur von Wallfahrern besucht, sondern es wurden auch Gedenkmessen gelesen. So stiftete z.B. 1768 die Familie Messer einen ansehnlichen Betrag, damit jeden Samstag eine Messe in der Kapelle abgehalten werden konnte. Durch den Kapellenneubau stieg auch das Ansehen der Eremiten und damit gab es auch Neider. Es gab ja damals keine Kirchensteuer (sie wurde erst 1933 eingeführt), einzige Einnahmen waren die Almosen in der Kirche oder Vermächtnisse. Die Hofheimer trugen ihre Spenden entweder in die Kapelle oder in die Stadtkirche. So ist es nicht verwunderlich, daß es Streit zwischen dem ortsansässigen Pfarrer und den Eremiten gab. Im Jahr 1772 kommt es bei Streitereien zwischen dem Keller (Verwalter des erzbischöflichen Besitzes) und dem Eremiten zu einer Prügelei. Dem Keller wird vom Erzbischof untersagt, den Einsiedler in seiner Ruhe zu stören. Auch der Pfarrer und der Kaplan werden wiederholt vom erzbischöflichen Vikariat angehalten, die Eremiten Bruder Gallus und Bruder Benedict nicht „in Erreg zu legen“ und sich gegen jederman friedlicher und bescheidener aufzuführen als bisher getan. Die Rede ist von einem groben und unverschämten Schreiben, das der Kaplan an den Eremitenpräses gerichtet hat.
Der Besucher-Andrang zur Kapelle muß so groß gewesen sein, daß die Wallfahrer und Bittgänger nicht immer ihre Beichte ablegen konnten. Darum beantragten die Bürger, daß auf dem Berg ständig 2 Franziskaner und ein Laienbruder leben sollten. Diese Bitte wurde im Jahr 1774 vom Erzbischof abgelehnt. Zur Begründung wird angeführt, daß die Pfarrer aus Hofheim und Umgebung in der Lage sein sollten, die auf der Kapelle stattfindenden Gottesdienste abzuhalten. Die Pfarrer werden vom Erzbischof aufgefordert, den Gottesdienst auch ordentlich abzuhalten, damit kein Anlaß zu Beschwerden mehr besteht. Die Pfarrer haben sich im Gegenzug beklagt, daß die Gemeindemitglieder zu selten die Kirche aufsuchen. Der Erzbischof befürchtet außerdem, daß die Summe aller Einnahmen beider Gotteshäuser, Stadtkirche und Kapelle, nicht ausreichen würde, um den Pfarrer und die Franziskaner ordnungsgemäß zu ernähren. Auch die Menge des benötigten Wachses zur Beleuchtung von 2 Kirchen dürfte nicht vorhanden sein, die benötigte Brennholzmenge könnte ebenfalls eine zu hohe Belastung für die Bevölkerung sein. Außerdem befürchtet man, daß die jungen Leute unter dem Vorwand, eine Wallfahrt zu machen, im Wald, also ohne nachbarschaftliche Kontrolle, Ausschweifungen begehen könnten.
1789 stirbt der Eremit Johannes Nolde. Es ist der letzte nachweisbare Eremit.
Kaum 10 Jahre nach der festlichen Kapellenweihe wird 1795 die Kapelle von französischen Revolutionstruppen, die ihr Lager zwischen Zeilsheim und Kriftel aufgeschlagen hatten, geplündert.
Im Jahre 1802 kam Hofheim zum Fürstentum Nassau-Usingen. Die neuen Landesherren waren evangelisch, die Ausübung der katholischen Religion wurde aber erlaubt, jedoch wurde die Notwendigkeit der häufigen Prozessionen angezweifelt. Das herzögliche Amt in Hofheim wird aufgefordert, nicht nur die Anzahl der Prozessionen anzugeben, sondern auch zu sagen, ob es bei diesen Feiern irgendwelche Ausschweifungen, Zechereien usw gibt, und ob man die Wallfahrten nicht besser durch einen Gottesdienst im Ort ersetzen könnte. Aus der Antwort ist zu entnehmen, daß in der Kreuzwoche, der Woche vor Ostern, 3 Bittgänge und 1 Bittgang zu Christi Himmelfahrt stattfinden. Weil die Waller (Wallfahrer) von morgens 5 Uhr an bis etwa 10 Uhr unterwegs sind, gibt es auch Essen und Trinken. Mißbräuche sind nicht bekannt. 1815 wird eine Einschränkung der Prozessionen angeordnet.
1835 wurden Wallfahrten in Orte außerhalb der Gemeinde verboten. Die Krifteler bitten um die Erlaubnis, nach Hofheim gehen zu dürfen, das wird aber abgelehnt.
Ohne Wallfahrten, ohne Aufsicht, ohne Mittel ist es kein Wunder, daß die Kapelle und die Umgebung verkommen.1851 berichtet der Hofheimer Pfarrer Johannes Antonius Hilf: „Voll Wehmut empfindet er (der Wanderer) die Leere und ärmlichste Notdurft, mit welcher diese schöne Kapelle ausgestattet ist. Auch der einstmals mit mancherlei Arten von Blumen, Bäumen und Gewächsen ausgeschmückte Eremitengarten liegt wüste, uneben und nur mit Brombeeren und wildem Gesträuch überwachsen zur Seite. Nicht einmal ein Sitz für den müden Waller ist hier zu finden, nur hohe Eichbäume und waldiger Rasen gewähren Dach und Sitz.“
Im Jahre 1903 bittet der Hofheimer Pfarrer Buus den Magistrat um Überlassung von drei Morgen Wald an der Kapelle. „Wie den Herren wohl schon bekannt geworden ist, beabsichtigen die Franziscaner zu Fulda in der Nähe der katholischen Kirchengemeinde gehörigen Kapelle im Interesse der Seelsorge der Katholiken Hofheims und der in Betracht kommenden katholischen Gemeinden des Maingaues eine Niederlassung mit 3-4 Patres zu gründen.“ Es sind bereits Spenden für den Bau eines „Huthauses“ eingegangen. Es wird ein Plan eingereicht, der die Bedenken des Verschönerungsvereins gegen dieses Bauvorhaben ausräumt. Dieser befürchtete, der freie Zugang zum Kapellenberg wäre nicht mehr gewährleistet. Der Magistrat stimmt dem Verkauf eines Waldstückes hinter der Kapelle zum Preis von 3 Mark je m² zu. Der Kauf soll erst zustande kommen, wenn dem Franziskanerorden die Genehmigung zur Niederlassung durch die königliche Staatsregierung nachweislich erteilt ist.
Literatur und Quellen:
Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte Jahrg. 1957: Die Kurmainzer Eremitenkongregation und die Präseseremitage in Gimbach im Taunus von Franz Como
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Abteilung 106 Nr. 196 und 2142, Abteilung 228 Nr. 430
Dom- und Diözesanarchiv Mainz: Generalvikariatsprotokolle Band 1724,1753,1772,1774
Rolf Kubon/ Günter Rühl: Der Kapellenberg bei Hofheim am Taunus
Die Hofheimer Bergkapelle im Wandel der Zeiten 1926
Stadtarchiv Hofheim H84
Der Bericht wurde in „Zwischen Main und Taunus – Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises, 2001, 9. Jahrgang, Seite
67-70“ veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung des Main-Taunus-Kreises und dem Sohn der Autorin erfolgt diese Präsentation.
Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim am Taunus (Wilfried Wohmann)