Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!



Hofheim am Taunus - Fachwerkbau im Wandel der Zeit

Auch halbe „hessische Männer“ beeinflussen den Hofheimer Fachwerkbau

 

Türmchenzeile am Untertor mit Büttelturm - Foto: Hans Dohm


Die nachfolgende Dokumentation besteht im Wesentlichen aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden neben einigen allgemeinen Fragen im Wesentlichen die wichtigsten Konstruktionsmerkmale besprochen. Der zweite Teil enthält in chronologischer Folge ausgewählte Hofheimer Fachwerkbauten. Durch die gewählte Reihenfolge wird die Entwicklung im Zeitablauf deutlich. Zum Schluss werden Elemente des Zierfachwerks zusammengefasst, um dem interessierten Betrachter grobe Datierungen zu ermöglichen. 

 

Zunächst sollte die Frage beantwortet werden, seit wann es Fachwerk gibt. Die bekannteste und älteste Quelle sind die Schriften von Vitruv. Er lebte um die Zeitenwende und hat mit seinen 10 Bänden über die Architektur das Wissen seiner Zeit zusammengefasst. Er schreibt: „Craticii vero velim quidem ne inventi essent.... (ich wünschte, Fachwerk wäre nie erfunden worden).  Er erwähnt die Vorteile dieser Bauart, nämlich die Schnelligkeit, mit der ein Haus errichtet werden kann und die niedrigeren Baukosten, verschweigt aber auch nicht die Nachteile, auf die sich der Einleitungssatz bezieht. Als besondere Gefahr sieht er, daß ein Fachwerkhaus „bereit ist zu brennen wie Fackeln“ und dass es schwierig ist, es rissfrei zu verputzen. Um der langfristigen Beeinträchtigung durch Wasser - das auch heute noch der größte Feind des Fachwerks ist - zu begegnen, schlägt er vor: „Die Schwelle unterbaue man so hoch, dass sie mit der Estrichmasse und dem Fußboden keine Berührung hat. Wenn sie (die Balken) nämlich in ihnen verschüttet sind, werden sie mit der Zeit morsch.... Die Hervorhebung allein der Schwelle als ein vor Feuchtigkeit zu schützendes Bauteil ist möglicherweise der Tatsache geschuldet, dass Vitruv sein Werk zur Zeit des römischen Klimaoptimums geschrieben hat.

 

Häuser hinter der katholischen Kirche St. Peter und Paul - Foto: Hans Dohm


Warum erfreuen sich Orte mit mehr oder weniger geschlossenem Ortsbild mit Fachwerkhäusern großer Beliebtheit. Wenn man beispielsweise an Limburg oder Seligenstadt denkt. Zur Erklärung soll das Ensemble von drei Häusern hinter der Kirche St. Peter und Paul dienen. Fachwerk wirkt lebendig aufgrund seiner natürlichen Baustoffe. An ihm wird die Logik der Konstruktion und der Zusammenhang von Tragen und Lasten der Statik verständlich. Auf der emotionalen Ebene vermittelt es den Eindruck von Heimat, von zu Hause sein und von Geborgenheit. Es ist Wohnen in menschlichem Maß. Die Bepflanzung vor den Häusern zeugt von der Liebe der Bewohner zum Detail.

Während des ganzen Mittelalters war der Ständerbau die vorherrschende Bauform. Sie hat ihren Namen von den langen, durchgehenden Balken – Ständer genannt – die über mehr als ein Stockwerk reichen und u. U. bis zum Dachfirst durchgehen. Die diagonalen Elemente, die ebenfalls über mehr als ein Stockwerk reichen, nennt man Schwertungen. Kennzeichnend sind auch die waagerechten, durchlaufenden Riegel, die in der Regel die Fenster tragen und mit den senkrechten Elementen verblattet sind. Bauten aus dieser Epoche finden sich nicht in Hofheim. Werkbeispiele gibt es in Groß-Gerau, Mainzer Straße 4 und in Sachsenhausen, Schellgasse 8.

Um 1500 wurde Holz für den Hausbau knapp. Diese Jahreszahl dient nur als grobe Hausnummer. Im Fachwerkbau gab es immer lange Übergangszeiten. Sie wurden von den ortsansässigen Zimmerleuten ausgeführt und neues Wissen kam nur von durchreisenden Handwerksburschen. Holz für den Hausbau konkurrierte mit dem Bedarf für Möbel, Werkzeugen, Fuhrwerken und Brennholz. Um den Raubbau an Holz einzuschränken, kam es zu ersten Forstordnungen. So die von Landgraf Philipp des Großmütigen von 1532, mit der er die zu verwendeten Mengen zahlenmäßig festlegte.

So kam es zum Stockwerksbau. Für diesen konnten kürzere und nicht so gute Hölzer verwandt werden. Gleichzeitig änderte sich die Befestigungsart von Verblattung in Verzapfung. Beim Stockwerksbau ist jedes Stockwerk ein Quader für sich. Damit konnte von Stockwerk zu Stockwerk die Wohnfläche vergrößert werden, in dem man die Deckenbalken überstehen ließ. Das hat allerdings auch statische Vorteile. Durch die Auflast an den Balkenenden wird das Durchbiegemoment im Inneren kompensiert. Allerdings verkamen dadurch die engen mittelalterlichen Gassen zu reinen Lichtschächten, was die ersten Bauordnungen zu Folge hatte. Goethe beschreibt in Dichtung und Wahrheit die Methoden seines Vaters, um die Frankfurter Bauordnung zu umgehen.

Ein Beispiel für die auskragenden Deckenbalken zur Vergrößerung der Stockwerksfläche findet sich in Hofheim an der Traufseite des Mainzer Zollhauses an der Hauptstraße. Die Obrigkeit konnte sich über ihre eigenen Bauordnungen hinwegsetzen.

Die tragenden Elemente des Fachwerksbaus sind Holzbalken unterschiedlichster Art. Diese Bauelemente haben spezielle Bezeichnungen, die für die wesentlichen Teile nachfolgend benannt werden.

 

Zeichnung: Gerda Schmitt

Fachwerkkonstruktion - Erläuterung:
a Schwelle, b Ständer, c Stiel, d Riegel, e Rähm, f Saumschwelle,
g Strebe, h Deckenbalken


Der unterste Querbalken, der auf einem Sockel oder auf dem Boden aufliegt und die ganze Konstruktion trägt, ist die Schwelle (a). Die senkrecht tragenden Elemente bezeichnet man als Ständer (b) oder Stiel (c), wobei der Ständer das Bauelement ist, das die Hauptlast trägt. Befindet er sich an der Hausecke, wird er zum Eckständer. Im Stockwerksbau hat der Ständer (b) die Höhe eines Stockwerkes. Stiel (c) ist das senkrechte Teil in einer Fachwerkwand, das eine Öffnung, also Fenster oder Türe, begrenzt und nur in geringerem Maße trägt. Nach oben wird die Wand durch den Rähm oder Rahmen (e) horizontal abgeschlossen. Auf ihm liegen die Balken für das nächste Stockwerk (h). Die innerhalb einer Wand liegenden waagerechten Balken und mit den senkrechten Elementen verbundenen Balken heißen Riegel (d) und schließen nach oben als Fenster¬, Tür- oder Sturzriegel die Wandöffnung ab und begrenzen als Brustriegel die Fenster an der Unterseite.

Bei mehrgeschossigem Fachwerkbau beginnt der Wandaufbau wieder mit einer Schwelle als dem Balken, der auf den Deckenbalken aufliegt. Man bezeichnet sie dann als Saumschwelle (f). Um den rechten Winkel zu sichern und damit das Bauwerk verwindungssteif wird, werden diagonale Balken eingefügt, die mit den waagerechten und senkrechten verbunden werden. Sie bezeichnet man als Streben (g).

Zur Verbindung von zwei Hölzern gibt es zwei verschiedene Methoden: die Verblattung und die Verzapfung. Von Verblattung spricht man, wenn zwei sich berührende Hölzer jeweils bis zur Mitte ausgeschnitten werden, so dass sie nach außen wieder auf gleicher Höhe sind. Eine besondere Art stellt der Schwalbenschwanz dar. Bei ihm wird der Ausschnitt keilförmig angelegt, die breitere Seite nach außen. Die Verbindung nimmt auch Zugkräfte auf. Bei Verzapfungen geht der Zapfen am Ende eines Balkens in eine gleichgroße Aussparung des aufnehmenden Balkens. Fixiert werden die Verbindungen durch Holznägel.

Im alemannischen Fachwerk standen die Ständer weiter auseinander. Das machte zusätzliche lastabtragende Elemente für das Rähm erforderlich: die Mannfiguren. Sie fanden dann auch den Weg ins fränkische Fachwerk.

 

Zeichnung: Gerda Schmitt


Die älteste Figur ist das „Weible“. Der „schwäbische Mann“ findet sich in Hofheim nicht. Man findet ihn an der Südost-Seite des ehemaligen Rathauses von Erfelden. Im fränkischen Fachwerk wurden die Kopfstützen immer höher angesetzt, bis sie zu Kopfdreiecken oder Knaggen wurden. Diese Form wird als „hessischer Mann“ bezeichnet. Im 17. Jh. bekam er zusätzliche Kopfstreben, die ihn dann zum „wilden Mann“ machten. Diese Bezeichnungen werden für diese Ausarbeitung gebraucht. In der Literatur finden sich teilweise andere.

 

Zeichnung: Gerda Schmitt

Zum Abschluss des konstruktiven Teils soll noch kurz der Aufbau eines Fachwerkhauses beschrieben werden: Auf dem Richtpatz außerhalb des Ortes werden alle notwendigen Hölzer auf das rechte Maß gebracht und zusammengelegt. Gleichermaßen werden alle Verbindungen hergestellt, einschließlich der Bohrungen für die Fixierungen der Hölzer untereinander. Nachdem markiert wurde, wie die Hölzer zusammengehören, wird die Wand wieder zerlegt, auf einen Wagen geladen und an die Baustelle gefahren. Dort wird die Wand senkrecht aufgebaut, die Verbindungen werden mit Holznägeln gesichert. Danach werden die Gefache mit Flechtwerk und Lehm ausgefüllt. Bei einem Ortswechsel kann das Haus wieder zerlegt werden und mit den einzelnen Elementen verladen werden. Das Fachwerkhaus ist also keine Immobilie, sondern eine Mobilie. Nur deshalb ist der Hessenpark möglich, der einen Überblick über die hessischen Fachwerkhäuser ermöglicht.








Hofheimer Fachwerkhäuser

Kommen wir nun im zweiten Teil zu den Hofheimer Fachwerkhäusern. Die Aufzählung erfolgt überwiegend chronologisch, damit man die Entwicklung erkennen kann.


Hauptstraße 40

Foto: Hans Dohm

Das älteste Fachwerkhaus in der Hofheimer Altstadt ist das alte Rathaus. Es wurde im Jahre 1529 erbaut. Hofheim erhielt 1352 das Stadtrecht, damit sind Ummauerung, Marktrecht und Gerichtsstätte verbunden gewesen. Das Untergeschoss des alten Rathauses wurde in verputztem Bruchsteinmauerwerk ausgeführt und hatte ehemals eine offene Halle. Diese Halle diente in frühen Zeiten als Kaufhaus und wahrscheinlich auch als Gerichtsstätte. Über dem rechten Torbogen ist das Eppsteiner Wappen, den Erbauern des Hauses, zu sehen. Bei dem Fachwerk im 1. Obergeschoss handelt es sich um ein einfaches gerades Fachwerk, die Riegel sind nicht durchlaufend, in der Mitte sehen wir eine Mannfigur mit den höher angesetzten Kopfstreben. An den Eckständern sorgen halbe Mannfiguren für Stabilität. Alle Streben sind gebogen.

Foto: Hans Dohm

1901 mussten Giebel und Stirnseite des Rathauses saniert werden. Es wurde eine neue Fassade vorgesetzt. Zu dieser Zeit baute man eigentlich kein Fachwerk mehr. Es endete praktisch in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts. Aber es ist gut angepasst und gibt Fachwerk wieder, das dem der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts ähnelt. Hier sehen wir den „hessischen Mann“ in der Mitte und an den Eckständern die Ausführung als „halbe Männer“.









Hauptstraße 33 und 31

Foto: Heiko Schmitt

Erbaut 1554, Anbau 1687.

Das 1554 erbaute Gebäude ist das Haus Hauptstraße 33 (rechts von dem Fachwerkgebäude, verklinkerte Fassade). Es hat kein Sichtfachwerk. Das Haus Nr. 31 ist der Anbau zur Nr. 33 und wurde wie das Hauptgebäude als Gasthaus betrieben. Es ist nach Untersuchungen des Landesamtes für Denkmalpflege um 1687 erbaut. Die beiden Gebäude hatten früher einen Besitzer und einen Betreiber. Die Trennung zu zwei eigenständig genutzten Gebäuden erfolgte in der Mitte des 19. Jahrhunderts.

Foto: Hans Dohm
Die Hauptstraße 31 hat reiches Fachwerk im Obergeschoss und im Zwerchhaus. Wir sehen durchlaufende Brüstungsriegel, im Gegensatz zum Rathaus, das Zierfachwerk ist sehr ausgeprägt, viele Elemente haben keine statische Bedeutung. Man kommt dem Wunsch nach Schönheit entgegen, die Eckständer sind halbe „hessische Männer“ mit Zierknaggen. Die „hessischen Männer“ ziehen sich weitgehend durch alle Fassaden. Wir finden einfache Kopfdreiecke oder mit Verzierungen, Andreaskreuze und Feuerböcke sowie aus Rauten entwickelte Strebengitter. Im Giebel sind „hessische Männer“, geschweifte Zierstreben und ein glockenähnliches Schmuckelement zu finden.

 

Langgasse 11

Foto: Hans Dohm

Erbaut 1565.

Es wurde auf einem hohen gemauerten Sockelgeschoss errichtet. Ein stattliches Fachwerkhaus. Zweistöckig mit vorspringendem Obergeschoss. Prägend sind die kräftigen Hölzer, die Fenster sind mit Stielen und Riegel eingefasst. Die gebogenen Streben und Gegenstreben fangen den Winddruck auf. Im Giebel finden wir eine Mannfigur mit hochgesetzten Kopfstreben wie am alten Rathaus. Es gibt kein Zierfachwerk, obwohl die 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts die hohe Zeit des Fachwerks war.

Die Renaissance mit der Hochzeit des Fachwerksbaues geht bis zum Beginn des 30jährigen Krieges.


 

 




Kleine Stephanstraße 2 

Foto: Hans Dohm

Erbaut in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Das Haus wurde auf einem Bruchsteinsockel errichtet. Es verfügt über ein ausgeprägtes Fachwerk, im Erdgeschoss haben wir kräftige Streben, im Obergeschoss schöne „hessische Männer“, auch über Eck, versehen mit Zierknaggen. Wir sehen ein neues Stilelement: Negative Rauten. Außerdem gibt es kurze Streben, die nichts tragen und sichern.

 

Zierfachwerk befindet sich in der Regel im Obergeschoss und da vorzugsweise im Giebel, aber der ist hier verschiefert.


 


Hauptstraße 20 und 20 a

Foto: Hans Dohm

Erbaut 1584, Erker um 1650. 

Hier handelt es sich eigentlich um zwei Gebäude. Im Vordergrund das Torwächterhaus und dahinter das Mainzer Zollhaus mit dem Erker. Man erkennt deutlich den Überstand des Obergeschosses an der Traufseite.

Das Haus ist geprägt von vielen kräftigen diagonalen Streben mit unterschiedlichen Neigungen.

Wir finden den „hessischen Mann“ mit Zierknaggen über Eck und ein verhaltenes Zierfachwerk. In der Giebelspitze sehen wir das Andreaskreuz, an der Traufseite unter den Fenstern kurze bzw. kleine Streben.

Aber das Haus ist nicht schmucklos, man muss aber genauer hinsehen. Wir finden geschnitzte und gefasste Eckständer (Spirale) und die für die Renaissance typische Volute (Schnecke als Ornament).

1650, fast 70 Jahre später kam der Erker des Zollhauses dazu. Ob bei dem so genannten Haus jemals Zölle erhoben wurden, ist bis heute nicht nachgewiesen. Der Erker ist mit aufwendigem Zierfachwerk versehen, wir sehen hier Andreaskreuze und Feuerböcke sowie geschweifte Streben. Die Eckständer zeigen geschnitzte und gefasste Spiralen.
Fotos: Hans Dohm





Krebsgasse 3

Foto: Heiko Schmitt


Foto: Reiner Scholz


Foto: Renate Hofmann


Erbaut 1589. 

1581 war Hofheim wieder unter Mainzischer Herrschaft und damit wieder katholisch. Bei diesem Gebäude stand die Südseite an der Stadtmauer, das Haus selbst ist komplett in Fachwerkbauweise errichtet. Als Fachwerk ist heute nur ein Teil des Giebels frei einsehbar. Wir sehen Flachschnitzereien. Oben am Rähm sind das Baujahr und eine lateinische Inschrift ersichtlich, der linke Ständer zeigt Ranken mit Weinreben und einen Kelch. Oberhalb der Nische befindet sich ein halbes Sonnenrad, eigentlich ein norddeutsches Schmuckelement. Auf der Strebe sehen wir Rankenwerk mit Lilien und Blüten, die Eckständer mit Voluten und Spirale sind geschnitzt und gefasst.

Die lateinische Inschrift oben rechts lautet:

VRSPERA IAM VENIT NO…
CUM CHRISTE MANETO E
TINGU: LUCEM NEC
PAHAR TUAM

Der richtige lateinische Text lautet:

Vespera iam venit nobiscum Christe maneto,
Extingui lucem nec patiare tuam.

Deutsche Übersetzung:
Schon kommt der Abend. Bleib bei uns Christus,
und dulde nicht, dass dein Licht verlöscht!

(Bearbeitet von Reiner Scholz, Historischer Arbeitskreis Hofheim)

Die Inschrift geht letztendlich zurück auf Lukas 24,29. Der Bauherr müsste katholisch gewesen sein, abgeleitet durch das Latein, evangelische Christen bevorzugten die deutsche Sprache.

Die Skulptur in der Nische stellt ein Christusruhebild dar. Die Weinreben könnten eine Anspielung auf „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ sein (Joh. 15,5).

 

Hauptstraße 50

Foto: Hans Dohm

Erbaut 1626. 

Das Baujahr steht mit einem Segensspruch über der Tür: „Gott behüte deinen Ausgang und deinen Eingang.“

Der Dehio (Nachschlagewerk für Kunstdenkmäler) schreibt zu diesem Haus: Schöne Renaissance-Fassade. Damit endet die Renaissance in Hofheim. Es gehörte schon Mut im 30jährigen Krieg so ein aufwendiges Haus zu bauen. In den 1620er Jahren sind Kriegshandlungen im Hofheimer Raum dokumentiert.

 

Foto: Reiner Scholz

Wie in der Krebsgasse 3 finden wir hier Flachreliefs, halbe sich gegenüber liegende „hessische Männer“, kurze Streben mit geschweifter Kante und wie an der Hauptstraße 31 wieder Strebengitter. Die Zwischenräume am Rähm, also zwischen den Deckenbalken, sind abgedeckt. Auf der Saumschwelle steht ein langer Spruch, der sinngemäß dies aussagt:

„Man soll sich nicht vom Geschwätz der Nachbarn beim Bauen beirren lassen, man baue schließlich für sich und die seinen.“

Über der Toreinfahrt ist ein weiterer Spruch angebracht:



O’GOT (Oh Gott) VND HERR DVRCH DEN GEWALD (Gewalt)
MIT GENAD (Gnade) VND GERN (Freude) DIES HAVS ERHALT
SAMPT (samt) ALLEM WAS GEHÖRT DARZV (dazu)
DAS SEGNET HER (Herr) IHN (in) FRIED (Frieden) VND RHV (Ruh).

(Foto, Textbearbeitung: Reiner Scholz)

Der Bauherr hat das Haus in die schützende Hand Gottes gegeben. Ein in diesen unruhigen Zeiten verständlicher Gedanke.

In diesem Hause befindet sich in 4. Generation die Messerschmiede Föll.

 

Kleine Stephanstraße 1

Foto: Hans Dohm

Erbaut 1656. 

Am Eckständer ist dieses Baujahr zu finden. Man darf sich nicht von der Jahreszahl 1521, die am Kellereingang zu finden ist, täuschen lassen. Hier muss man die besondere Situation am Stephansberg berücksichtigen, die noch heute gilt, dass Besitzer des Kellers und des Hauses in der Regel nicht identisch sind. Alle Keller in diesem Bereich wurden vor dem 30jährigen Krieg errichtet. Es handelte sich um die so gennannte Kellergerechtigkeit, bei der jeder Bürger der Stadt das Recht auf einen Keller hatte. Das Haus ist also vermutlich auf einen viel älteren Keller gebaut worden.

Das Haus ist sehr zeitig nach dem 30jährigen Krieg wieder aufgebaut worden. Der Zimmermann hat sich an der Formensprache der Renaissance orientiert. Das Haus steht auf einem Feldstein-/Bruchsteinsockel. Unten sehen wir kräftige Ständer, Stiele begrenzen die Fenster, diese sind mit Brust- und Sturzriegel versehen. Oben dominiert der „hessische Mann“ mit Zierknaggen über Eck und ist auch in der Fassade angebracht. Als Zierfachwerk finden wir wieder Feuerböcke und Strebengitter.

 

Langgasse 17

Erbaut 1686.

Das Besondere ist hier die ehemalige Hofeinfahrt. Sie wurde umgebaut in ein Fenster, der Bogen der früheren Einfahrt wurde dabei übernommen.

Das Fachwerk wurde bei der Renovierung freigelegt. Erwähnenswert sind bei diesem Haus die Raute, die in ein Strebengitter übergeht, ein schöner Feuerbock sowie die Inschrift unter dem rechten Fenster des 1. Obergeschosses.


 

 



Fotos: Hans Dohm


Der Text lautet:

DIISES HAÜS DAS STEHET IN GOTTES HAND
GOTT BEWAR ES VOR WASSER FEUER UND BRAND








Langgasse 12

Foto: Hans Dohm

Erbaut 1688.

Besonders interessant ist bei diesem Haus der Giebel und dessen Zweiteilung im 1. Obergeschoss. Es markiert den Übergang in den Barock.

Links sehen wir halbe „wilde Männer“ und eine eingeschwungene Raute im Andreaskreuz, noch Renaissance-Zierrat, rechts finden wir zwei einfache Streben und kein Zierwerk mehr, also dem Barock zuzuordnen.

Wir kennen Barock durch prächtige Kirchen und Schlösser mit schwungvollen und farbigen Formen, Holz lässt sich schlecht in runde Formen bringen. In dieser Zeit wird das Ende des Fachwerks eingeläutet.

 

Bärengasse 4

Foto: Dr. Thimo Jacob Brestel

Erbaut um 1680. 

Im Barock endet der Fachwerkbau.

Dieses Haus soll als Beispiel dienen: Kräftiges Fachwerk, konstruktiv auf das Notwendige reduziert, die Balken wurden noch geschlagen.


 

 



Sandgasse 1

Foto: Hans Dohm

Erbaut 1712.

Die ehemalige Scheune gehörte ursprünglich zu einer Hofreite. Die Größe entspricht der Nutzung.

Das Fachwerk besteht nur noch aus statisch notwendigen Balken.

Wir finden kein Zierfachwerk, dies hat zwei Gründe: Das Ende der Fachwerksepoche und die Scheune galt als untergeordnetes Gebäude.

 


 


Hauptstraße 38

Foto: Hans Dohm

Erbaut im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts.


Auch dieses Haus zeigt das Ende des Fachwerkbaus. Es ist reduziert auf das statisch erforderliche, die Balken stammen aus dem Sägewerk, auch der Balkenquerschnitt ist reduziert. Die Streben dienen zum Aufnehmen des Winddruckes.


 

 


Zusammenfassung – Elemente des Zierfachwerkes

Datierung

Findet man am Haus eine Jahreszahl, ist es einfach. Wie das alte Rathaus zeigt, wenn man von der Giebelseite ausgeht, liegt man daneben. Die folgenden Beispiele gelten für unsere Region (Vordertaunus, Wetterau, Untermain, Hessisches Ried): Fachwerk verändert sich von Nord nach Süd sehr stark.

Der schwäbische Mann hält Einzug nur am Rathaus von Erfelden (Kreis Groß-Gerau). Die Bögen sind typisch mittelalterlich.

 

 


Renaissance

Die Renaissance geht bis zum 30jährigen Krieg. Es war die Blütezeit des Fachwerks. Rauten sind oft gebogen und mit Streben überlagert, diese oft gebogen und mit Nocken versehen. Eckständer sind geschnitzt und gefasst. Wir finden den „hessischen Mann“, mit und ohne Zierknaggen sowie die Feuerböcke.





Barock

Im Kirchen- und Schlossbau ist es die hohe Zeit, das Fachwerk geht in der Formensprache zurück. Barock zeigt schwungvolle Formen. Sie sind mit Holz nicht zu realisieren. Markantes Merkmal: Der „wilde Mann“ mit den zusätzlichen Kopfstreben, Rauten, geschwungenen Streben, auch kurze geschwungene Streben. Die Materialstärke wurde auf das statisch notwendige reduziert, die Balken kamen aus dem Sägewerk. Die Fassaden wurden ohne Überstände errichtet, waren damit auch zum Verputzen geeignet.



Coburger Handwerkshaus

Quelle: Monumente 6/2019, Seite 30

Das Coburger Handwerkshaus (Bauzeit: Spätgotik/ Spätbarock) zeigt die Unterschiede: 

Im Mittelalter die Ausbildung des „Weibles“ als wesentliches statisches Element (2. Obergeschoss in der Mitte und an den Eckständern), im 3. Obergeschoss einfaches Fachwerk, an den Seiten zwei Streben.


 










Diese Dokumentation basiert auf einem Vortrag des Hofheimer Kunsthistorikers Hans Dohm am 18. Oktober 2022 im Stadtmuseum Hofheim am Taunus.


 

Quellen:
Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Hessen II, München, Berlin, 2008
DenkXweb (Landesamt für Denkmalpflege Hessen), https://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/
„Hauptstraße Hofheim am Taunus – Eine Straße verändert ihr Gesicht“ – hrsg. Stadt Hofheim – Stadtmuseum/ Stadtarchiv, 2019
Website „Historisches Hofheim“, https://historisches-hofheim.de/
Monumente 6/2019, Seite 30

Zeichnungen:
Gerda Schmitt

Fotos:
Dr. Thimo Jacob Brestel, Hans Dohm, Renate Hofmann, Heiko Schmitt, Reiner Scholz


Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Hans Dohm, Wilfried Wohmann), Nov. 2022


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