Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!


Margaretha Börner geb. Römer (1838-1915) - Gemälde von Jakob Faust - Foto: Susann Gemünd-Karcher.

"Hofheimer Erzählungen" oder
"Was die Großmutter so erzählte"


Dies ist eine Serie, in der wir in unregelmäßigen Abständen “Hofheimer Erzählungen” präsentieren werden. Die ersten Aufzeichnungen hat uns Susann Gemünd Karcher, Obersteinbach im Elsass, nach Erzählungen ihrer Großmutter Elisabeth Schreiner geb. Diener aus Hofheim am Taunus, dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

Wer auch Geschichten erzählen möchte, kann sich gerne bei uns melden.


Kindermund: Der Schutzmann und das Kaspertheater  - neu -

Diesmal eine meiner persönlichen Hofheimer Erlebnisse:

Unsere Oma hatte viele Geschwister und dementsprechend gab es jeden Nachmittag ein Kaffeekränzchen bei den verschiedenen Großtanten und -onkel, zu denen Klein-Susann (da war ich so viereinhalb Jahre alt) immer gerne mitging und sich besonders an dem leckeren Gebäck erfreute. Die Erwachsenen unterhielten sich eifrig, unter den Gästen war auch ein Bekannter der Familie, ein Polizist der gerade in Rente gegangen war. Während ich ganz auf den Kuchen konzentriert war, fragte mich eine der Damen: „Na, Susannchen, hast Du denn gar keine Angst vor dem Schutzmann?“ Sofort antwortete ich ganz spontan: „Nein, vor dem braucht man doch keine Angst zu haben! Der sieht nur so schlimm aus und reißt zu Hause sein Maul so weit auf, macht aber nie etwas!“ Besagter Polizist sowie alle anderen wurden entweder knallrot oder kreidebleich und die ganze Runde starrte Oma und mich mit ernstem Blick an...

Aber Oma „Lisbeth“ verstand sofort um welches Missverständnis es sich da handelte, denn ich war stolze Besitzerin eines Kaspertheaters natürlich mit Kasper, einem Krokodil, usw. sowie mit einem Schutzmann in Uniform samt Pickelhaube, Stoppelbart und aufgesperrtem Mund.

Sofort klärte sie die Runde auf, es wollte ihr aber niemand so recht glauben. Schließlich wurde beschlossen gemeinsam zu uns nach Hause zu gehen, um sich von diesem Theater zu überzeugen. Natürlich war ich begeistert! Alle wollten MEIN Kaspertheater sehen! Daheim angekommen holte ich stolz alle Puppen hervor und natürlich auch den besagten Schutzmann. Da war natürlich das Gelächter groß und am nächsten Tag waren wir bei dem „echten“ Schutzmann eingeladen und ich durfte meine Puppe mitbringen. Vielleicht erinnert sich noch ein(e) Hofheimer(in) an diese Geschichte?
(Erzählt von Susann Gemünd-Karcher, Obersteinbach (Elsass)

Das Gespenst

Im alten Hofheim standen in manchen Gassen die Fachwerkhäuser eng aneinander, oft gab es auch unter demselben Dach einen Stall für Ziegen, manchmal sogar für eine Kuh und Kleinvieh. Ein Bewohner eines solchen Häuschens wachte mitten in der Nacht auf, von einem seltsamen Geräusch geweckt, es klopfte in der Wand. Er hörte kurz darauf die Glocke des Kirchturms, es war zwölf Uhr. Danach schlief er wieder bis zum ersten Hahnenschrei ein. Doch auch in der nächsten Nacht, geschah dasselbe Phänomen. Er weckte seine Frau, diese meinte er hätte vielleicht zu viel Äppelwoi getrunken und er solle sie doch bitte in Ruhe schlafen lassen. So ging es nun jede Nacht weiter, aber seine Frau traute sich der gute Mann nun nicht mehr zu belästigen. Doch immer und immer wieder das Gleiche: So fünf bis sechsmal hintereinander ein dumpfes Klopfen, um die gleiche Zeit. Sollte er dem Herrn Pfarrer davon berichten? Es MUSSTE ein Gespenst sein. Oder der Geist eines Verstorbenen...? Was wollte dieser von ihm? Schließlich raubte dieses „Gespenst“ dem guten Mann seinen ganzen Schlaf, er lag wach im Bett und wartete immer wieder mit Herzklopfen auf den nächtlichen „Gast“. Doch eines Tages fasste er einen ernsten Entschluss: Diese Nacht wolle er dem Gespenst auflauern, der Sache auf den Grund gehen, egal was geschehen möge! Er wartete diesmal angezogen draußen vor der Tür, im Hof, mit einer brennenden Leuchte bewaffnet. Und tatsächlich, pünktlich wie immer, war da dieses Geräusch zu vernehmen, aber etwas dumpfer. Eigentlich kam es aus dem Stall des Nachbarn. Er schlich ohne Schuhe, auf Zehenspitzen in diese Richtung, bis an die kleine zweigeteilte Türe des nachbarlichen Stalls. Seltsamerweise war die Tür geöffnet, es gab sogar ein kleines Licht ganz hinten.

– „Nun hab ich dich, du Poltergeist!“
– „Was gibt es denn Sepp, hast Du ein Problem?“

Da saß der Nachbar in der Ecke auf einem kleinen Schemel, im Nachthemd, mit Zipfelmütze und Pantoffeln, mit einem Gläschen Selbstgebrannten in der Hand und einer rauchenden Pfeife im Mund.

Da staunte unser Mann nicht schlecht, damit hatte er nicht gerechnet. Er erzählte ihm von dem seltsamen Geräusch, das ihn hierher geleitet hatte, und von seinen nächtlichen Wahrnehmungen.

Da lachte der Nachbar laut, denn das Geräusch konnte er nun eindeutig erklären:
Jede Nacht um dieselbe Zeit (da schlief seine Frau am tiefsten) kam er hier in den Stall, denn da hatte er eine Flasche seines Selbstgebrannten versteckt, gönnte sich ein Gläschen oder zwei, und stopfte sich dazu gemütlich seine Pfeife, die er vorher sorgsam an der Wand, die die beiden Häuser trennten ausklopfte,  um die Tabakreste zu entfernen.
(Erzählt von Susann Gemünd-Karcher, Obersteinbach (Elsass)


Radrennen

Radrennen: mein Opa „Schreiner Heine“ soll ein begeisterter Radsportler gewesen sein, und an verschiedenen Rennen in der Nähe von Frankfurt vor dem 2. Weltkrieg teilgenommen haben. Laut Oma waren es SEHR schwere Räder, und es ging auf schlechten Straßen bergauf und bergab... durch einige Dörfer. Es war ein Teamrennen, und Opa musste manchmal den 2. Fahrer "schieben"... und dann ging es hurtig bergab, eine KURVE, und... einer der beiden flog direkt durch eine Hauswand in das Wohnzimmer... (es war Fachwerk mit Lehm dazwischen) danach hat er sich entschuldigt, und schon ging es weiter...

(Erzählt von Susann Gemünd-Karcher, Obersteinbach (Elsass)

 

Der Traum vom Lodenmantel  

Hallöchen, da bin ich schon wieder mit einer Geschichte aus dem alten Hofheim. Meine Oma träumte als junge Frau von einem Lodenmantel. Wahrscheinlich hatte sie in Frankfurt Damen mit diesem damals so eleganten Teil gesehen und wollte unbedingt irgendwann auch einmal ein solch edles Stück ihr Eigen nennen. Die Oma verkaufte Milch, die ihre einzige Kuh jeden Tag gab, (Oma sprach von 10 Pfennige/Liter?) brachte eine kleine Summe zusammen, die eisern für dieses Anliegen gespart wurde. Nach einigen Jahren war Oma überglücklich, denn sie hatte die Groschen gezählt und JA es war endlich soweit! Sie wollte gleich am Abend ihrem Mann Heinrich davon berichten und sah sich schon mit neuem Mantel. Am Abend kam der Mann nach Hause und sprach zu seiner Lisbeth: höre mal Lisbeth, ich habe die Groschen gezählt und stell Dir vor es kommt genau DER Betrag raus, den mir der Bauer X verlangt, für den Acker auf der Viehweide! Da machte meine Oma große Augen...Aha...mhhhh....Sagte nichts mehr von ihrem Traum, der nun zerplatzt war. Und sie schickte den Heinrich los, der machte den Handel noch gleich per Handschlag perfekt. Tja...und genau dieser Acker ernährte die Familie, brachte sie durch die schlimme Kriegszeit... Oma bestellte ihn ganz allein als Heinrich im Krieg war. Ja, diese Geschichte erzählte sie mir oft... damit ich darüber nachdenken konnte... und bis heute ist sie mir in Erinnerung.
(Erzählt von Susann Gemünd-Karcher, Obersteinbach (Elsass)


Geldbeutel

Unser Haus steht in der Niederhofheimer Straße, die Oma und meine Mutter am Fenster im Jahr 1949. Es gab ein großes Tor zum Innenhof und man konnte nicht sehen, was dahinter vorging, aber durch ein kleines Loch erspähten die Kinder hingegen, alles was sich auf der sehr frequentierten Straße abspielte. Meine Mutti hatte sich einen passenden, sehr originellen Streich überlegt: sie band ein schönes Portemonnaie an eine Angelschnur und schob es unter dem Tor hindurch. Schon wurde ein Passant aufmerksam, blickte schnell nach rechts und links, bückte sich "unauffällig" und schwupps, war der Geldbeutel verschwunden. Das Kichern konnte meine Mutter natürlich nicht unterdrücken. Darauf gab es von draußen Gezeter und manchmal auch so manches Fluchen, aber immer wieder gab es neue "Opfer"... Die Geschichte kenne ich aber nicht von meiner Mutti, sondern natürlich von Oma!

Niederhofheimer Straße, 20.02.1949 - Foto: Privat


Oma Lisbeth und Mutter Henny, 20.02.1948 - Foto: Privat


(Erzählt von Susann Gemünd-Karcher, Obersteinbach (Elsass)

Oma Ho und die „Kreppel“

Hallo, da bin ich wieder mit einer Geschichte aus dem alten Hofheim. Es ist zwar noch nicht schon wieder Fastnacht, aber ich habe mich gerade daran erinnert, warum auch immer... Oma Ho (=Hofheim, so haben wir sie genannt, die andere Oma war Oma Li =Lichtenfels) konnte super leckere Fastnachtskreppel backen (woanders heißen sie „Berliner“ oder „Krapfen“) und es wurden sämtliche Tanten/Onkel und Verwandten eingeladen. Natürlich waren die Kreppel gefüllt, mit Marmelade, bis auf ein Exemplar, hihihi, da war nämlich SENF drin! Oma wusste genau welcher Kreppel es war, so dass ich nie eine Niete bekam, aber alle warteten auf das Gesicht des "Finders", wenn er ordentlich hineingebissen hatte! Tja da bekam "Tante Lisbeth" etwas zu hören und wir kugelten uns vor Lachen, gesunde und harmlose Schadenfreude war das!
(Erzählt von Susann Gemünd-Karcher, Obersteinbach (Elsass)


Ärger mit dem Lehrer

Und nun eine ganz besonders lustige Geschichte aus dem alten Hofheim. Meine Tante Else (die Schwester meiner Mutter) wollte auf keinen Fall wieder zur Schule in Hofheim gehen. Was war passiert? Sie war ein kleines, zierliches und etwas verträumtes Mädchen, das nicht immer aufpasste, was der autoritäre Lehrer so von sich gab. Es muss so zwischen 1930/33 gewesen sein, damals herrschte noch "Zucht" und Ordnung, bedeutet, es gab Schläge mit der Haselrute auf den Hintern. Die bekam das kleine Mädchen nun jeden Tag, weil sie so vor Angst zitterte und stotterte und somit kein vernünftiges Wort mehr reden konnte, sobald der Lehrer sie ansprach. Da half kein Trösten und Zureden der ratlosen Mutter (also nun kommt wieder meine Oma ins Spiel) Else weigerte sich und kam gar nicht mehr aus ihrem Versteck unter dem Tisch hervor. Doch da hatte "Oma" Lisbeth eine grandiose Idee. Sie flüsterte ihrer Tochter etwas ins Ohr und ging rasch zum Metzger. Am nächsten Tag ging Else wieder zur Schule und sie wurde wie jeden Tag zuerst angeschrien, dann nach vorne zum "Pädagogen" zitiert, der schon mit dem Stock trommelte. Der holte fest aus, schlug zu und Else schrie sooo laut, dass man sie bis weit im Umfeld hören konnte, rannte hinaus, das Blut lief ihr die Beinchen hinunter und so rannte sie bis nach Hause, wo sie sofort unter dem Tisch verschwand. Der Lehrer rannte hinterher, einer Blutspur folgend, bis er außer Atem und kreidebleich vor meiner Oma in der Küche stand. Diese schrie nun den Lehrer an, was er denn mit der Kleinen gemacht habe, sie würde sofort zur Polizei gehen usw. Der Lehrer stammelte "bitte tun Sie das nicht, ich verspreche ihnen, dass ich Else NIE WIEDER anrühren werde!" So wurde er schließlich entlassen. Als er außer Reichweite war, kam Else lauthals lachend aus ihrem Versteck, fiel der Oma um den Hals und beide entsorgten die Reste der Schweineblase, welche die Oma beim Metzger geholt und mit Blut hatte füllen lassen, aus der Unterhose des Mädchens. Else hatte nie wieder Probleme mit besagtem Lehrer.
(Erzählt von Susann Gemünd-Karcher, Obersteinbach (Elsass)




Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Wilfried Wohmann)








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