Hofheim am Taunus - ein Jagdrevier der Mainzer Kurfürsten
Dieter Reuschling
Die Kreisstadt Hofheim hat in ihrem heutigen Stadtgebiet mit einer Besonderheit aufzuwarten, die selten wahrgenommen wird: Es gab hier in der Vergangenheit zwei Jagdschlösser und ein Jagdhaus für die Jagdinteressen von verschiedenen Adelsherren. Neben dem heute so genannten Kellereigebäude in Hofheim war dies im 19. Jahrhundert das Jagdschlösschen in Marxheim, das nicht mehr existiert, und das auch heute noch so genannte Jagdhaus in Langenhain. Hier soll versucht werden, die Geschichte des Hofheimer Jagdschlosses und des damit verbundenen historischen Jagdwesen darzustellen.
Jagd und Jagdrevier
Die Jagd, insbesondere die Jagd auf Hochwild wie Hirsche, Rehe und Wildschweine, war im Mittelalter und in der frühen Neuzeit das Privileg des Adels und für die Herrscher auch Ausdruck ihres Herrschaftsanspruches. So nahmen auch die geistlichen Landesherren, die damals in der Regel Adlige waren, dieses Privileg für sich in Anspruch, obwohl zu Beginn des Mittelalters in der katholischen Kirche die Jagd für Geistliche ursprünglich verboten war. Für den niederen Stand, die Bauern und Handwerker , war die Jagd auf Hoch- und Niederwild wie Hasen oder Feldhühner verboten. Sie konnten nur als Bedienstete des Landesherren jagen, mussten aber die Frondienste bei den Jagden der Herrscher leisten. Dazu gehörten Dienste als Treiber oder die Versorgung der Jäger und ihrer Hunde.
Welchen Stellenwert die Jagd im feudalistischen Herrschaftssystem hatte, lässt sich auch an der Organisation der Landesregierung erkennen. Zum Hofstaat, d. h. dem Teil der Regierung des Kurfürstenrums Mainz, der dem Kurfürsten unmittelbar unterstellt war, gehörte das „Oberjägermeister-Amt” und „Oberforst-Amt”. Diese Ämter wurden natürlich von Adeligen bekleidet. In den Rechnungsbüchern der Kellereien mussten die „Jägerei-Kösten” gesondert ausgewiesen werden. Schon 1666 wurden unter dem Kurfürsten Johann Philipp von Schönborn alle Wald- und Forstangelegenheiten, aber auch die Jagd-, Wild-, Waidwerk- und Fischereiangelegenheiten in einem umfangreichen, gedruckten Regelwerk geordnet, das auch später, z. B. 1692, immer wieder publiziert wurde. Es enthält u. a. die für die Ausübung der Jagd und den Frondienst der Untertanen notwendigen Bestimmungen. In einer „Buß-Ordnung” war außerdem festgelegt, welche Geldstrafen bei der Missachtung dieser Bestimmungen zu verhängen waren. Mit 1½ Gulden bestraft sollte z. B. jedermann werden, der im Wald angetroffen wurde, der „nichts darin zu schaffen hat, sonderlich an Feiertagen”. Wald war damals also ausschließlich Nutzwald und Jagdrevier; Erholungswald im heutigen Sinn gab es zu dieser Zeit nicht.
Seit der Einlösung des verpfändeten Amtes Hofheim durch Kurfürst Daniel Brendel von Homburg 1559 gehörte das Jagdrevier um Hofheim bis zum Ende des Kurfürstentums Mainz 1803 zu Kurmainz. Zum Amt Hofheim gehörten ab 1608 außer Hofheim die Orte Hattersheim, Kriftel, Marxheim, Münster und Zeilsheim. Wie weit sich das von Hofheim aus bejagte Revier erstreckte, ist nicht überliefert. Von der Lage her hätten auch die Orte Kelkheim und Fischbach dazu gehören können, da diese Dörfer der Grafschaft Königstein seit 1581 auch von Kurmainz beherrscht wurden. Nicht dazu gehörten die heutigen Stadtteile Hofheims, die bis 1803 der Landgraf von Hessen-Darmstadt besaß, nämlich Diedenbergen, Langenhain, Lorsbach, Wallau und Wildsachsen.
Auch heute noch ist zu erkennen, dass sich von Hofheim aus am Taunusrand ein großes zusammenhängendes Waldgebiet erstreckt, das nur durch das Schwarzbachtal getrennt wird. Durch dieses Waldgebiet verlief die Grenze zwischen den Herrschaften Hessen-Darmstadt und Kurmainz, was besonders beim Jagen, aber auch bei der Forstnutzung immer wieder Anlass zu Grenzkonflikten gab. Wenn z. B. ein Stück Wild angeschossen war und über die Grenze entfloh, sollte man es einfach entkommen lassen? Es gab vermutlich auch grenzüberschreitende Abmachungen für die Ausübung der Jagd, aber sie wurden nicht immer einheitlich ausgelegt. Im Jahr 1682 stellten zum Beispiel hessen-darmstädtische Beamte den Antrag, im Gebiet um Lorsbach und die Gundelhard zu jagen. Dies wurde aber vom Mainzer Kurfürsten Anselm Franz von Ingelheim abgelehnt mit der Androhung von Strafen, falls dort trotzdem gejagt würde. Dabei konnten die Darmstädter sich auf das Hofheimer Jurisdiktionalbuch von 1654 berufen, nach dem sie das Recht hatten, dort zu jagen.
Jagdarten, Wolfsjagden und Wilderei
Die im 17. und 18. Jahrhundert verbreitetste Jagdart für Hochwild war die so genannte „eingerichtete” Jagd. Dabei wurde der Fluchtweg des Wildes durch Treiberketten, aber auch durch Seile mit aufgespannten Tüchern begrenzt. Das Wild wurde so zum Standort des Jagdherren und seines Gefolges getrieben. Die Vorbereitung solcher Jagden war natürlich zeitaufwändig. Für ihre Durchführung mussten viele Untertanen Frondienste leisten. Ihre pflichtgemäße Anwesenheit wurde von besonders ausgewählten „Jagd-Schultheisen” überwacht. Für den Jagdherrn, d. h. den Kurfürsten, und sein Gefolge war es aber relativ bequem, von ihrem Standort aus das ihnen zugetriebene Wild zu erlegen. Im 18. Jahrhundert kam die so genannte Parforce-Jagd in Mode, bei der das Wild mit einer Hundemeute und berittenen Jägern so lange gejagt wurde bis es sich vor Erschöpfung der Meute stellte und erlegt werden konnte. Von Jagdgemälden weiß man, dass Landgraf Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt diese Jagdart liebte, die an die Jäger höhere sportliche Anforderungen stellte. Vermutlich haben die Mainzer Kurfürsten eher die beschriebene „eingerichtete” Jagd bevorzugt.
Ein damals notwendiger und nicht nur vergnüglicher Teil der Jagd war die Wolfsjagd, die von den Adligen und ihren Untergebenen ausgeübt wurde, aber auch den Schäfern und Viehzüchtern diente, weil die Wölfe bei ihnen häufig Schaden anrichteten. Streitpunkte zwischen den Jagdherren und ihren Untergebenen waren aber öfter die Frondienste, die die Bauern und Handwerker bei der Wolfsjagd als Treiber zu leisten hatten. Sie konnten in der Zeit der Jagd nicht ihrer Arbeit nachgehen und mussten manchmal auch an Sonn- und Feiertagen für die Wolfsjagd Frondienst leisten. 1611 verweigerten sich Bürger aus Münster der Wolfsjagd an einem Feiertag mit dem Hinweis, dass sie zum Kirchgang verpflichtet seien. Der damalige Kurfürst Johann Schweikhard von Kronberg lehnte ihr Begehren bei Strafandrohung von 100 Gulden aber ab.
In den Akten des Kurfürstentums Mainz aus dem 17. und 18. Jahrhundert ist beim Thema Jagd auffällig, welche Rolle die Wilderei damals gespielt haben muss. Es gab bei der Jagd einen erheblichen Interessenkonflikt zwischen Landesherren und Untertanen. Der Kurfürst war an einen hohen Wildbestand interessiert, um bei seinen Jagden reiche Beute zu erzielen. Für seine Untertanen führte dies aber zu gravierenden Wildschäden auf den von ihnen bewirtschafteten Feldern. Außerdem war ihnen verboten, zur Selbsthilfe zu greifen und das Wild abzuschießen, das ihre Felder heimsuchte. Deshalb ist es naheliegend, dass es häufiger zu verbotener Jagd oder Wilderei kam. Konkrete Fälle sind für die Ämter Höchst und Hofheim nicht überliefert. Für uns erstaunlich sind aber die drakonischen Strafen, die über eine lange Zeit von mehreren Kurfürsten den Wilderern durch amtliche Dekrete immer wieder angedroht wurden. Sie stehen nach unserem Rechtsverständnis in keinem Verhältnis zu dem Vergehen. Der Wilderer sollte mit einem Geweih auf dem Kopf an den Pranger gestellt werden, des Landes verwiesen und sein Vermögen beschlagnahmt werden. Auch seine Frau und Kinder sollten das Land verlassen. Außerdem wurden den Büchsenmachern hohe Strafen angedroht, falls sie die bei Wilderen gefragten zerlegbaren Gewehre mit abschraubbarem Gewehrlauf anfertigen sollten. Ob diese Strafandrohungen tatsächlich zum Rückgang der Wilderei geführt haben, lässt sich nicht mehr feststellen.
Jagdschlösser
Eine Blütezeit erlebte der Bau von Jagdschlössern in Deutschland nach dem dreißigjährigen Krieg in der Zeit des Barock. In dieser Zeit gehörte der größte Teil des heutigen Kreisgebietes zum Kurfürstentum Mainz und zur Landgrafschaft Hessen-Darmstadt (das so genannte „Ländchen”). Damals ist aber nur ein Jagdschloss im Main-Taunus-Kreis errichtet worden - das Kellereigebäude in Hofheim. Sein Bauherr, der Erzbischof Lothar Franz von Schönborn hat als Kurfürst von Mainz und Fürstbischof von Bamberg in seiner Regierungszeit von 1693 bis 1729 viele prächtige Schlösser und Jagdschlösser bauen lassen. Der Bau in seiner Kellerei Hofheim war eins von seinen bescheideneren Bauten.
Sein Gebietsnachbar, Landgraf Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt (Regierungszeit 1678 bis 1739) war leidenschaftlicher Jäger und hat auch einige Jagdschlösser bauen lassen. Dem Main-Taunus-Kreis am Nächsten liegt das Jagdschloss Mönchbruch bei Mörfelden, erbaut von 1730 bis 1732. In seinem „Ländchen” ließ er 1736 in Hofheim-Langenhain ein neues Jagd- und Forsthaus errichten, das auch heute noch Jagdhaus genannt wird. Ob der Landgraf es selbst für Jagdaufenthalte genutzt hat, konnte noch nicht ermittelt werden. Da die Ausübung der Jagd zu seinen Pflichten gehörte, werden zumindest Untergebene von ihm von hier aus im „Ländchen” gejagt haben. Jagd- und Forsthaus blieb es bis 1825. Danach wurde es Rat- und Schulhaus der Gemeinde Langenhain.
Beim Kellereigebäude Hofheim erscheint die Verbindung eines Verwaltungssitzes mit einem Jagdschloss ungewöhnlich. Lothar Franz von Schönborn hatte dafür aber Vorbilder in seinem eigenen Herrschaftsbereich. Er war 1693 Nachfolger von Marquard Sebastian von Stauffenberg als Fürstbischof von Bamberg geworden, bevor er 1694 in Personalunion auch zum Erzbischof von Manz gewählt wurde. Sein Vorgänger in Bamberg hatte von 1689 bis 1692 im Amtsort Baunach durch den bedeutenden, aus Bayern stammenden Architekten Leonhard Dientzenhofer den damals so genannten Kastenhof erbauen lassen. Dieser mächtige, noch heute existierende Bau, mit 18 Fensterachsen fast doppelt so lang wie das Kellereigebäude in Hofheim, diente im Erdgeschoss als Verwaltungssitz für das Amt Baunach und Wohnung des „Kastners”, der an der Spitze des Amtes stand. Das gesamte Obergeschoss war aber für die Jagdaufenthalte des Fürstbischofs und sein Gefolge eingerichtet. Alle Räume haben Stuckdecken und es gibt auch heute noch einen Festsaal. Als Besonderheit kam bei diesem Gebäude noch hinzu, dass der mächtige dreigeschossige Dachboden als Lagerraum für die Naturalabgaben des Amtes, vorwiegend Getreide, vorgesehen war.
Lothar Franz von Schönborn hat den Kastenhof in Baunach noch weiter ausbauen lassen. Das Eingangstor der ihn umgebenden Mauer schmückt sein Wappen, das auch über dem Eingang des Kellereigebäudes in Hofheim zu sehen ist. Das gleiche Konzept, nämlich die Verbindung eines Verwaltungssitzes mit einem Jagdschloss ließ er von 1701 bis 1703 vom gleichen Architekten, also Leonhard Dientzenhofer, auch in der oberfränkischen Stadt Weismain als Kastenhof realisieren. Dieses Gebäude beherbergt heute das NordJURA-Museum, während aus dem stattlichen Kastenhof in Baunach das „Seniorenzentrum Schloss Baunach” geworden ist.
Vermutlich haben häufigere Jagdaufenthalte in Hofheim und die für eine angemessene Hofhaltung unzureichenden Gebäude im Wasserschloss den Kurfürst Lothar Franz bewogen, 1716/17 den Umbau des Marstalls und Speichers in Hofheim zu einem kombinierten Amtsgebäude und Jagdschloss nach dem Vorbild von Baunach anzuordnen. Das stattliche Gebäude in Hofheim war erst rund 30 Jahre vorher durch seinen Vorgänger Anselm Franz von Ingelheim (Regierungszeit 1679 bis 1694) aufwändig rekonstruiert worden, da es den dreißigjährigen Krieg nur als Ruine überstanden hatte. Bei dem Umbau wurden aus dem Pferdestall im Erdgeschoss die Amts- und Wohnräume des Hofheimer Kellers, der vorher im Wasserschloss residierte. Der Speicher im Obergeschoss wurde zu den Aufenthaltsräumen des Kurfürsten und seiner Gefolgschaft umgestaltet. Die für die Hofhaltung zusätzlich benötigten Räume für die Bediensteten, der Stall für die Pferde und eine Remise für die Kutschen wurden innerhalb des Wasserschlosses eingerichtet. Nach diesem Konzept wurden in Hofheim von 1718 bis 1719 alle für ein bescheidenes Jagdschloss benötigten Räume geschaffen.
Bei dem Umbau des Marstalls und Speichers wurde ein an der Nordwestecke des Gebäudes, dem Hexenturm diagonal gegenüber liegender Treppenturm entfernt und die Treppe zum Obergeschoss nach Innen verlegt. In seiner äußeren Form ist das Kellereigebäude trotz vieler Umbauten im Innern weitgehend so erhalten geblieben wie es damals umgebaut worden war. Sein Inneres ist aber mehrfach total verändert worden, so dass die ursprüngliche Gestaltung der Räume im Erdgeschoss für die Kellerei und im Obergeschoss fürs Jagdschloss nicht mehr erkennbar ist. Es sind leider auch keine ursprünglichen Baupläne erhalten geblieben. Der älteste erhalten gebliebene Grundrissplan ist ein unmaßstäblicher Bestandsplan aus dem Jahr 1811. Er zeigt im Obergeschoss rechts (gelb markiert) die Aufenthaltsräume des Kurfürsten mit Salon, Arbeitszimmer, Schlafzimmer, Toilette und Raum für den Kammerdiener. Die fünf Räume auf der linken Seite waren wohl für das Gefolge vorgesehen. Der einzige Raum, der heute noch wahrnehmbar ist, war vermutlich der Raum für den Kammerdiener, dessen Stuckdecke erhalten geblieben ist. In diesem Raum befindet sich heute eine kleine Ausstellung zur Geschichte des Kellereigebäudes.
448 Hasen und ein Rehbock
Belege für die Jagdaufenthalte der Kurfürsten gibt es seit dem Beginn der Regierungszeit Lothar Franz von Schönborns am 30. März 1695. Bei seinem Antrittsbesuch als neuer Landesherr in Höchst und Hofheim am 19. September 1695 nahm er an einer Jagd in Hofheim teil. Seine späteren Jagdaufenthalte in Hofheim sind nur gelegentlich belegt, so z. B. 1702, als ein Jagdhund des Kurfürsten aufgefangen wurde, der sich bei der Jagd verlaufen hatte. Die 16 Kreuzer, die der „Finder“ für zwei Tage Fütterung des Hundes erhielt, wurden in den Kurmainzer Jagdrechnungen sorgfältig registriert. 1709 muss er mit größerem Gefolge hier gewesen sein, denn in der Kellereirechnung wurden die Kosten für ein eigens zu diesem Besuch errichtetes „Küchenzelt“ im Kellereihof verzeichnet.
Einige der folgenden Jagdaufenthalte des Kurfürsten in seinem neuen Hofheimer Jagdschloss lassen sich zumindest teilweise durch Belege in den Akten oder in Kellereirechnungen nachweisen. 1722 fand nach der Kellereirechnung „bey hoher Ahnwesenheit Ihrer Curfürstlichen Gnaden“ eine Jagd in Hofheim statt, bei der 448 Hasen und ein Rehbock erlegt wurden. Dieser Aufenthalt des Kurfürsten war auch der Anlass, dass 1723 im Kellereihof ein Backofenhaus gebaut wurde, weil die Köche des Kurfürsten das Fehlen eines Backofens bemängelt hatten. 1725 wurde im Kellereihof noch ein Brunnen ergänzt, der über eine gusseiserne Leitung vom Zulauf zum Burgweiher gespeist wurde. Noch im hohen Alter von über siebzig Jahren (er starb am 29. Januar 1729 in Mainz) war er 1727 zur Jagd in Hofheim. Dazu wurde im Feld – wie in der Kellereirechnung vermerkt – aus Holzdielen eine Brücke gebaut, vermutlich deshalb, weil er nicht mehr zu Fuß oder zu Pferd zum Jagen kommen konnte.
Sein Nachfolger wurde Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, Kurfürst und Erzbischof von Mainz von 1729 bis 1732. Mit ungewöhnlich vielen Ämtern (u. a. Fürstbischof von Breslau, Fürstbischof von Worms, früher von 1716 bis 1729 Kurfürst von Trier) war er bis zu seinem Tod am 6. April 1732 in Breslau einer der mächtigsten Fürsten seiner Zeit: Durch die Jägereikosten in der Kellereirechnung von 1730 ist belegt, dass er in diesem Jahr zweimal mit seinem Hofstaat zur Jagd in Hofheim weilte. Dabei wurden Handwerker, Jäger und Tagelöhner bezahlt, die ihm zu Diensten waren. Zu den Kuriositäten der Kellereirechnungen gehört dazu eine Rechnungsposition, nach der ein Johannes Wagner aus Hofheim 18 Kreuzer dafür erhielt, dass er für die kurfürstlichen Bediensteten „nacht geschirr hergegeben“ hatte.
Nachfolger von Kurfürst Franz Ludwig wurde Philipp Karl von Eltz-Kempenich; er regierte von 1732 bis 1743. Bei seiner Wahl zum Kurfürsten war er schon fast 67 Jahre alt. Vermutlich hat sein Alter dazu beigetragen, dass es keine Belege dafür gibt, dass er sich zur Jagd in Hofheim aufgehalten hat. Dagegen wird durch entsprechende Jägereikosten in den Kellereirechnungen belegt, dass der folgende Kurfürst Johann Friedrich von Ostein, der von 1742 bis 1763 regierte, in den Jahren 1748, 1751 und 1752 zur Hasenjagd in Hofheim weilte. Im Jahr 1753 wird berichtet, dass der Schreiner Michael Eberler „bey anwesenheit der Churfürstlichen Hofstatt“ für 52 Gulden Arbeiten in der Kellerei auszuführen hatte. Auch die 1755 ausgeführten Reparaturen an der „Bratenküche“, dem 1723 für die Anwesenheit des Hofstaates errichteten Backofenhaus, bestätigen, dass sich auch dieser Kurfürst mit seinem Gefolge gelegentlich in seinem Hofheimer Jagdschloss aufhielt.
740 große und 700 kleinere Karpfen
Die Fischzucht wird in der Regel nicht der Jagd zugerechnet, hatte aber für die Kurfürsten damals noch eine solche Bedeutung, dass sie sich auch persönlich darum kümmerten. In Hofheim war das Wasserschloss von einem Burgweiher umgeben, der vom Mühlbach gespeist wurde. Seit wann der Weiher der Fischzucht diente, ist nicht bekannt. Die Anschaffung eines neuen Nachens für den „Schlossgraben“ im Jahr 1580, den die Fischer brauchten, „wen der schlosgraben gefischt wirth“, belegt, dass der Burgweiher schon früh zur Fischzucht genutzt wurde. Die Bedeutung der Fischzucht wird auch dadurch hervorgehoben, dass zum Personal der Kellerei Hofheim auch ein „Seeknecht” gehörte. Das Abfischen des Weihers geschah in der Regel dadurch, dass das Wasser aus dem Teich abgelassen und die Fische eingesammelt wurden. Ein Protokoll vom 4. Mai 1765 sagt aus, dass „bey höchster Anwesenheit Ihrer Churfürstlicher Gnaden“ im Hofheimer Burggraben 740 größere und 700 kleinere Karpfen gefangen wurden. Dieser Kurfürst war Emmerich Joseph von Breidbach zu Bürresheim (1763 bis 1774), der in Höchst die östliche Neustadt bauen ließ.
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts kamen die Kurfürsten vermutlich nicht mehr zur Jagd nach Hofheim. Aus den Kellereirechnungen geht hervor, dass in der Regierungszeit des Nachfolgers von Emmerich Joseph, dem letzten Mainzer Kurfürsten Friedrich Karl Joseph von Erthal (1774 bis 1802), am 6. Februar 1778 und am 11. September 1780 die letzten fürstlichen Jagden stattfanden. Dabei ist die Anwesenheit des Kurfürsten nicht belegt. 1782 wurde das Backofenhaus der Kellerei abgerissen, weil es für der Kurfürstlichen Hofstaat keinen Bedarf mehr gab. Ab 1. Januar 1783 wurde das Kellereigebäude nach einer Verwaltungsreform zum Amts- und Wohnsitz des kurfürstlichen Amtsvogts Johann Bender, der alle Räume in Anspruch nehmen konnte, d. h. auch die kurfürstlichen Räume im Obergeschoss.
Der Burgweiher wurde schon 1782 in der „Frankfurter Kayserlichen Reichs-Ober-Post-Amts-Zeitung“ für sechs Jahre zur Verpachtung ausgeschrieben. Ob und wie lange er verpachtet war, ist unklar. Schließlich wurde 1798 die Jagd in der Hofheimer Gemarkung für drei Jahre (1. 7. 1798 bis 1. 7. 1801) für 52 Gulden pro Jahr an Theodor Bauer aus Frankfurt verpachtet. Damit war die Jagd der Landesherren in Hofheims Wald und Flur endgültig Vergangenheit.
Epilog im 19. Jahrhundert
Das Hofheimer Jagdrevier wurde im 19. Jahrhundert nochmals durch den Bau eines Jagdschlösschens im Stadtteil Marxheim aufgewertet. Graf Edmund von Hatzfeld-Wildenburg (* 1798, † 1874) hatte vom Herzogtum Nassau das knapp 3.900 ha große Jagdrevier mit den Gemarkungen Diedenbergen, Hattersheim, Hofheim, Kriftel., Langenhain, Marxheim, Massenheim, Wallau und Weilbach gepachtet und brauchte einen ortsnahen Standort für die Ausübung der Jagd. Dazu kaufte er von der Gemeinde Marxheim ein oberhalb des Dorfes gelegenes ca. 1,5 ha großes Gelände und ließ dort in den Jahren 1846/47 für ca. 50.000 Gulden ein Jagdschlösschen mit Nebengebäuden errichten, die von ihm so genannte „Marx Cottage”. Auch heute noch heißt die in Marxheim an dem Gelände vorbeiführende Straße „Schlossstraße”, auch wenn das Jagdschloss schon lange nicht mehr existiert. !864 wurde das Schlösschen an Prinz Friedrich Wilhelm von Solms-Braunfels verkauft. Seine Witwe verkaufte es 1890 an den Frankfurter Stadtpfarrer Münzenberger, der dafür sorgte, dass es in den Besitz des Ordens der „Frauen vom Guten Hirten” kam. Aus dem Jagdschlösschen wurde das „Kloster Vom Guten Hirten”. Daneben ist inzwischen die Montessori-Schule Hofheims entstanden.
Quellen:
Dippold, Günter: Vom Jagdschloss zum Seniorenheim. Zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Kastenhofs in Baunach. In: Schönere Heimat 98 (2009), München, S. 139-146.
Graf von und zu Egloffstein, Albert: Barocke Jagdkultur der Fürstbischöfe von Bamberg. München, 1984.
Kölsch, Gerhard: Georg Adam Eger (1727-1808). Jagdmaler am Hessen-Darmstädter Hof. Petersberg, 2010.
Landau, Georg: Die Geschichte der Jagd und der Falknerei in beiden Hessen. In: Beiträge zur Geschichte der Jagd und der Falknerei in Deutschland. Kassel, 1849. Nachdruck Kassel, 1971.
Noll, Josef: Vom Jagdhaus zum Kloster vom Guten Hirten in Marxheim. Zwischen Main und Taunus, Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises, 4. Jg. (1996), S. 115-121.
Reck, Hans-Hermann: Holz und Steine als Quellen der Baugeschichte. Ergebnisse der bauhistorischen Untersuchungen des Kellereigebäudes. In: Reuschling, Dieter: Geschichte des Amtes und der Kellerei Hofheim. Stadtmuseum/Stadtarchiv Hofheim, 2011, S. 167-185.
Reuschling, Dieter: Das Kellereigebäude in Hofheim - seine wechselvolle Geschichte. Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises 2009, S. 59-66. Hofheim, 2008.
Reuschling, Dieter: Geschichte des Amtes und der Kellerei Hofheim. Geschichte des Kellereigebäudes. Hofheim am Taunus, Stadtmuseum/Stadtarchiv Hofheim, 2011.
Rösener, Werner: Die Geschichte der Jagd. Kultur, Gesellschaft und Jagdwesen. Darmstadt, 2004.
Schlecker, Roswitha: „Waldnutzungsrecht, dem alten Herkommen gemäß”. In: Waldzeit. Vom Leben mit dem Wald. Begleitpublikation anlässlich der Ausstellung im Stadtmuseum Hofheim a. T., 11. Mai - 3. August 2003. Hofheim, 2003.
Schlecker, Roswitha: Waldnutzungsrechte „dem alten Herkommen gemees”. Vortrag Mai 2003, Hofheim (unveröffentlichtes Manuskript).
Archivalische Quellen:
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
Abt. 212, Nr. 4677; Abt. 106, Nr. 5001-5202, Nr. 5438-5458; Abt. 100, Nr. 238, 239.
Der Bericht wurde in „Zwischen Main und Taunus – Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises, 2019, 27. Jahrgang, Seite 72-79“ veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung des Main-Taunus-Kreises und des Autors erfolgt diese Präsentation.
Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim am Taunus (Wilfried Wohmann)