Historisches Hofheim am Taunus

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Hofheim und das Ende des Dreißigjährigen Krieges

 

Wer je in Hofheim am oberen Teil der Hauptstraße vor dem Haus des ehemaligen Gasthofes „Landsberg“ gestanden hat, dem wird die große Metallplatte nicht entgangen sein, die in Augenhöhe die linke Ecke des Gebäudes schmückt.

Die Platte wurde anfangs der 1990er Jahre auf Wunsch des damaligen Ortsbeirates von Hofheim-Nord angebracht, kurz nach dem Tod von Gustav Kyritz im Jahr 1989, der das Gasthaus Landsberg bis 1972 geführt hatte. 

Doch woher wusste man, dass hier in Hofheim über die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges verhandelt worden sei?

Hier hilft ein Blick in die Festschrift weiter, die im Jahr 1952 zum 600-jährigen Jubiläum der Verleihung der Stadtrechte an Hofheim erschienen ist. Dort hat Gustav Kyritz nicht nur für sein Lokal „Historischer Gasthof Landsberg“ geworben, sondern auch ein Zitat aus dem „Theatri Europaei“, Band 6, S. 532 abgedruckt, in dem auf eine „Conferentz zu Hoffheim“ 1648 hingewiesen wird.

Kyritz belässt es jedoch nicht bei diesem Hinweis, sondern ergänzt das Zitat mit dem Satz: „Diese Friedensberatung fand im damaligen „Mainzer Haus“, dem späteren „Goldenen Hirschen“, dem heutigen „Gasthof Landsberg“ statt.

Die Aussagen von Gustav Kyritz zum Ort für die „Friedensberatungen“ sind nach neueren Kenntnissen nicht nachvollziehbar. In seinen Arbeiten zu den ersten Hofheimer Gasthäusern hat Dieter Reuschling als erstes nachweisbares Haus am Ort den Gasthof „Zum Wolff“ für das Jahr 1580 feststellen können. Ein „Mainzer Haus“ ist für Hofheim bisher überhaupt nicht nachweisbar. Für den „Goldenen Hirsch“ als Vorgänger des späteren „Landsberg“ konnte ein frühester zeitlicher Beleg erst für das Jahr 1724 gefunden werden, also erst erheblich später als 1648. Somit muss man davon ausgehen, dass die im „Theatrum Europaeum“ genannte „Conferenz zu Hofheim“ wohl in Hofheim stattgefunden hat, aber nicht in den Räumen des späteren „Landsberg“. 

Theatrum Europaeum ist der Titel eines von Matthäus Merian begründeten und zwischen 1633 und 1738 in 21 Quartbänden erschienenen deutschsprachigen Geschichtswerkes. Besondere Bedeutung kommt der Reihe von Chroniken durch ihre zeitnah verfassten Schilderungen des Dreißigjährigen Krieges und der Regierungszeit Ludwigs XIV. sowie durch ihre 720 Kupfertafeln zu, von denen rund 140 von Merian selbst gestochen wurden.

Theatrum Europaeum

 

 

Der von Kyritz zitierte Text stammt aus dem sechsten Band (das Werk wurde später fortgesetzt), der „anno MDCLII“, also im Jahr 1652 erschienen ist – also zeitlich nicht weit entfernt von der „Hoffheimer Conferentz“ und sieht im damaligen Druck wie folgt aus:

 


Wie man sieht, hat Kyritz den damaligen Text sehr genau und detailliert abgedruckt. Unklar bleibt jedoch nach wie vor, wie er zu dem Schluss kommt, es habe sich bei dem Treffen um eine „Friedensberatung“ gehandelt, obzwar es im Text des Theatrum Europaeum doch heißt: „… damit es aber so geheim hergangen / daß wir / zu was Ende solche angestellt gewesen / nicht erfahren mögen.“

Ebenso unverständlich bleibt, wieso Kyritz von Beratungen zum Ende des Dreißigjährigen Krieges spricht. Das Treffen in Hofheim wird auf den September 1648 angesetzt und die beiden Verträge zu Münster und Osnabrück wurden am 24. Oktober 1648 unterzeichnet. Es wäre also nicht viel Zeit zum Verhandeln geblieben.

Auch die zu dem Treffen in Hofheim genannten Teilnehmer (wie der Kurfürst von Mainz, der Landgraf von Darmstadt und die Landgräfin von Kassel) entsprechen in keiner Weise den am Kongress zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges teilnehmenden Parteien. Laut Wikipedia (1) waren „…. neben dem Kaiser, Spanien, dem Königreich Schweden, Frankreich, den Niederlanden, der Republik Venedig und dem Heiligen Stuhl … auch sämtliche Reichsstände auf dem Friedenskongress vertreten.“

Können wir trotzdem auch heute noch versuchen, etwas mehr über das Treffen in Hofheim herauszufinden? Die von Kyritz zitierte Quelle nennt immerhin an erster Stelle als Teilnehmer „Ihr Churfürstl. Gn. von Mayntz“, „Herrn Landgraff Georgen von Darmstadt“ und „der Frawen Landgräfin von Cassel“. In der Geschichte von Hessen spielen der Landgraf von Darmstadt und die Landgräfin von Kassel in der Zeit, als der Dreißigjährige Krieg zu Ende ging, eine nicht ganz unwichtige Rolle.

Um zu wissen, worum es in diesem Zusammenhang geht, muss man sich mit so spannenden Sachen wie dem „Marburger Erbfolgestreit“ und dem „Hessenkrieg“ beschäftigen.

Nach dem Tod des Landgrafen von Hessen Philipp dem Großmütigen im Jahr 1567 erhielt sein Sohn Ludwig IV. mit Oberhessen, dem sogenannten „Land an der Lahn“, etwa ein Viertel der Landgrafschaft. Er residierte im Schloss Marburg und begründete somit die Linie Hessen-Marburg des Hessischen Fürstenhauses, die jedoch mit seinem Tod 1604 bereits wieder erlosch. 

Da Ludwig IV kinderlos verstarb, gingen seine Gebiete an seine beiden Neffen, die Landgrafen von Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt. Da jedoch sowohl die Art der Aufteilung strittig blieb und auch religiöse Streitigkeiten wie die Zugehörigkeit zum lutherischen oder reformierten Bekenntnisstand nicht friedlich beigelegt werden konnten, kam es zwischen Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt zu einem jahrzehntelangen Erbstreit. Im Dreißigjährigen Krieg kämpften die beiden Parteien auf unterschiedlichen Seiten – dies wurde später als „Hessenkrieg“ bezeichnet. Ohne auf die vielen einzelnen Streitpunkte, militärischen Aktionen und Versuchen, eine Lösung der Streitfragen zu erreichen, sei hier der Blick auf die im Jahr 1648 handelnden Personen für Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel geworfen.

Für Hessen-Darmstadt ist hier Georg II. zu nennen (geb. 1605, gest. 1661), der von 1626 bis 1661 herrschte. Er war dem Kaiser Ferdinand II. treu ergeben und verhielt sich im Dreißigjährigen Krieg neutral. Im Marburger Erbfolgestreit wurde er vom Kaiser unterstützt und konnte zügig all die Gebiete von Hessen-Kassel erobern, die ihm vom Kaiser zugestanden worden waren. Zum Ende des Dreißigjährigen Krieges gingen ihm alle Zugewinne wieder verloren, was nicht zuletzt auf die damalige Regentin von Hessen-Kassel, die Landgräfin Amalie Elisabeth, zurückzuführen war.


Georg II. von Hessen-Darmstadt



Amalie Elisabeth von Hanau-Münzenberg


Amalie Elisabeth von Hanau-Münzenberg (* 29. Januar1602,† 8. August 1651) heiratete 1619 den späteren Landgrafen Wilhelm V. von Hessen-Kassel und regierte nach dem Tod ihres Gemahls im Jahr 1637 die Landgrafschaft Hessen-Kassel als Regentin für den noch unmündigen Erben (den späteren Wilhelm VI. von Hessen Kassel) von 1637 bis 1650. 

Sie erwies sich dabei als eine geschickte und energische Regentin. Trotz der schlechten Ausgangslage 1637 gelang es ihr nicht nur, dem Sohn die Landgrafschaft zu erhalten, sondern sie dauerhaft zu konsolidieren; sie konnte auch erreichen, dass die in Kassel verbliebene Regierung ihre Vormundschaft anerkannte, trotz eines entgegenstehenden Anspruchs, den Georg II. von Hessen-Darmstadt (1626–1661) durchzusetzen versuchte.

Bei den Kämpfen in den Jahren 1647 und 1648 wurde Hessen-Darmstadt durch die kaiserliche Seite unterstützt, während Hessen-Kassel sich auf die Franzosen und die Schweden stützen konnte. Militärisch gab es immer mal wieder Erfolge der einen oder anderen Seite, aber letzten Endes gelang es Amalie Elisabeth, einen Großteil ihrer Interessen in einem (vorbereitenden) sogenannten Einigungs- und Friedensvertrag vom 14. April 1648, der unter der Vermittlung von Herzog Ernst dem Frommen von Gotha zustande gekommen war, durchzusetzen. Der endgültige Vertrag wurde am 16. September 1649 beschlossen, nachdem ihn schon der Friedensvertrag von Münster und Osnabrück bestätigt hatte. Es spricht aus meiner Sicht sehr viel dafür, in dem Hofheimer Treffen von 1648 eine weitere Verhandlungsrunde zur Beendigung des Hessenkrieges zu sehen.

Hofheim gehörte damals zum Erzbistum Mainz, war also regional unabhängig von den beiden Streitparteien Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel: Die Teilnahme des Mainzer Kurfürsten erklärt sich nach meiner Meinung aus protokollarischen Gründen, weil er ja der Hofheimer Landesherr war. Die weiteren Teilnehmer (die Wetterauischen Grafen und mehrere Städte) wurden wahrscheinlich als benachbarte Betroffene eingeladen.

Es bleibt jetzt nur noch, auf ein weiteres Fundstück hinzuweisen, das an unerwarteter Stelle aufgetaucht ist. Gegen Ende Dezember 2024 wurde der Historische Arbeitskreis Hofheim darauf hingewiesen, dass Kirchenbücher, die vor der Einrichtung von Standesämtern über Geburten, Heiraten und Sterbefälle informierten und die meist bis ins 17. Jahrhundert zurückgehen, inzwischen für einige Orte (unter anderem auch für Hofheim) im Internet zugänglich sind.

In einem frühen Kirchenbuch für Hofheim, das die Zeit zwischen 1640 bis 1689 abdeckt, wurde dabei festgestellt, dass dort unter der Signatur Hfh K 2_1 auch „Chronikalische Notizen zum 30-jährigen Krieg“ enthalten sind.

 

 

Ein erster Versuch einer Transkription lässt sofort die Nähe zum Eintrag im Theatrum Europaeum erkennen, das im Übrigen als Quelle auch genannt wird.

1648. September war zu Hofheim eine Zusammenkunft. Amalie
Landgräfin von Heßen und die Cux zu Wiesbaden Landgraf
Georg von Darmstadt, Pfalzgraf von Kreuznach, Kurfürst zu
Mainz, die Wetterauischen Grafen, die Deputirten von
Frankfurt, Worms u. Speier. Alles ging geheim. Theatr.
Europ: 6.532. Wahrscheinlich betraf es die Ratpflegung der ????

Leider bricht der Eintrag damit ab. Auf der Rückseite sind nur noch verschwommene Schriftreste zu erkennen – möglicherweise liegt ein Wasserschaden vor.

Beim Vergleich der Einträge im Theatrum Europaeum und im Kirchenbuch fällt unter anderem auf, dass im Kirchenbuch die Landgräfin Amalie als erste und mit Namen genannt wird, beim Theatrum steht sie ohne Namensnennung erst an dritter Stelle. Landgraf Georg von Hessen-Darmstadt ist in beiden Orten an zweiter Stelle genannt. Besonders auffällig ist, dass der Kurfürst zu Mainz im Theatrum an erster Stelle steht (er war ja auch der erste unter den Kurfürsten), sich aber im Hofheimer Kirchenbuch mit einem Platz an vierter Stelle (nach dem Pfalzgrafen von Kreuznach!) begnügen muss. Über die Gründe für diese Unterschiede soll aber nicht spekuliert werden – ebenso wenig darüber, wieso im Hofheimer Kirchenbuch überhaupt ein solcher Text festgehalten worden ist.

 

Quellen:


Fußnote:

(1)   https://de.wikipedia.org/wiki/Westfälischer_Friede#Vorbereitungen_des_Kongresses

Fotos: Reiner Scholz

 


Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Reiner Scholz)



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