Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!


Ausgrabungen in der Wasserburg zu Hofheim


von Roswitha Schlecker
 

Foto: Heiko Schmitt

 

Die Überreste der ehemaligen Wasserburg fügen sich unauffällig in das Stadtbild von Hofheim am Taunus ein. Den Zugang zu ihr erreicht man über den Kellereiplatz oder von der Kirschgartenstraße aus. Das heute vorhandene Mauergeviert gibt dem Betrachter wenig Anhaltspunkte für eine gedankliche Rekonstruktion des ursprünglichen Gebäudes. Auch ein Blick in die Stadtgeschichte hilft an dieser Stelle nicht weiter. Aussehen und Entstehung der Wasserburg – in verschiedenen, meist früheren Veröffentlichungen auch „alte Burg“ genannt – gaben über Jahrhunderte hinweg den Heimatforschern Rätsel auf. Eine fragwürdige Abbildung auf einem Merian-Stich, der niedergeschriebenen Forschungen von Josef Häußer zur „Austrocknung des Burggrabens“ im 19. Jahrhundert und vereinzelte Skizzen der Anlage gehören zu dem wenigen historischen Material. Eine systematische wissenschaftliche Erforschung und Dokumentation der Baugeschichte bot die einzige Möglichkeit, diesen „Weißen Fleck“ in der Geschichte von Hofheim am Taunus durch Fakten zu ersetzen. Eine anstehende Erstellung einer Nutzungskonzeption für das Areal Wasserburg führte schließlich die Entscheidung zugunsten der Finanzierung einer Grabung innerhalb des Mauergevierts durch den Magistrat der Stadt Hofheim am Taunus herbei.

1990 begann das „Freie Institut für Bauforschung und Dokumentation e.V., Marburg“ mit der ersten Grabungskampagne unter der Leitung von Cornelia Süßmuth, 1991 folgte eine zweite. Bereits bei der Aufmessung der Ringmauern, die eine Fläche von 23 x 23 m umgrenzen, zeigte sich, dass die „alte Burg“ nie mit vier Türmen ausgestattet war, wie der bekannte Merianstich zeigt. Durch die dendrochronologische Untersuchung (Altersbestimmung anhand der Jahresringe) der vorgefundenen eingemauerten Gerüsthölzer konnte das Baujahr 1354/55 bestimmt werden. Diese ersten Erkenntnisse führten zur notwendigen Korrektur aller bisherigen Angaben. Zusätzlich blieb die Suche nach Brandspuren ohne Erfolg. Daraus kann gefolgert werden, dass die Wasserburg nie gebrannt hat. Den wechselnden Innenbebauungen gingen vielmehr Zerstörung oder Abbruch voraus. Um diese Bebauungen zu erforschen, wurden Suchschnitte angelegt, die bis zu dem ursprünglichen Laufniveau in 2,50 m Tiefe führten. Aufpflasterungen in den verschiedenen Jahrhunderten hatten zu dem heutigen Niveau geführt. Vier Pflasterungen aus dem späten 15., dem 16., 17. und 18. Jahrhundert sind nachgewiesen worden. Die wechselnden Bebauungen und Nutzungen innerhalb des schützenden, ehemals bis zu 10 m hohen Mauergevierts ermöglichten eine Untergliederung der Baugeschichte in sechs Phasen.

Phase I - 1354 bis 1358/59

Nachweisbar wurde die oberirdisch vorhandene Ringmauer in den Jahren 1354/55 errichtet. In der Mitte der Südmauer befand sich eine Toranlage mit Torturm. Von der zugehörigen Toranlage sind die beiden Konsolsteine erhalten, in denen die Drehachse der Zugbrücke lag. Die ehemalige Toröffnung ist später zugemauert worden. Unterhalb der Drehachse ist eine kleinere ebenfalls vermauerte Öffnung, hinter der sich ursprünglich ein Brückenkeller befand. Aus der Befundsituation ist eine Wippbrücke zu rekonstruieren, die im senkrechten Zustand mit dem oberen Teil die 3,50 m hohe Toröffnung und mit dem unteren Teil den Brückenkeller verschloss. Im offenen Zustand bildete die Klappe eine Fahrbahn. Westlich von diesem Torturm sind drei Fundamente von Wohn- und Wirtschaftsgebäuden vorhanden. Das nördliche, heute noch genutzte Tor konnte nicht untersucht werden, da es die einzige Möglichkeit der Zufahrt zur Grabung bot. Westlich von diesem liegt ein Brunnen, dessen unterer Bereich der vierjährigen Erbauungszeit der Anlage zugeordnet werden kann. Weitere Fundamentfunde lassen zwar die Rekonstruktion eines kleinen Fachwerkgebäudes mit unbekannter Funktion zu, aber die vollständige Innenbebauung aus dieser Phase ist nicht mehr nachzuvollziehen. Mit Sicherheit handelte es sich bei der ursprünglichen Burganlage nicht um eine Turmburg.

In die vierjährige Bauzeit fällt gleichfalls die Ersterwähnung der Burg (1356), in der von dem „…sloiß zu Hoiffheime…“ des „…burgman Markolf…“ (Staatsarchiv Würzburg, 71/246) als Nutzer die Rede ist. Vier Jahre vorher (1352) hatte Kaiser Karl IV. die Stadtrechte für Hofheim an Philipp VI. von Falkenstein verliehen. Die Herren von Falkenstein waren somit Besitzer der Burg zu Hofheim. Bereits 1364 eroberten und besetzten Frankfurter Truppen Burg und Stadt Hofheim (Reichskrieg zwischen Philipp d. Ä. und vier Wetterauer Reichsstädten). Zwei Jahre später gingen Stadt und Burg vermutlich gewaltsam in den Besitz des Erzbischofs von Mainz über. Es folgten Verpfändungen und der Verkauf an Frank d.Ä. von Kronberg, 1460 der Rückkauf durch Erzbischof Dieter von Mainz. Ab 1478 waren die Herren von Eppstein-Königstein Besitzer; es folgten von 1535 – 1581 die Grafen von Stolberg.

Phase II - 15. und 16. Jahrhundert und Phase III – vor 1562 bis 1659

Im Süd-Osten und Nord-Osten der Grabungsflächen lassen die Funde auf Fachwerksgebäude vor 1562 schließen. Ebenerdige Feuerstellen und der Fund von gelb- und grünglasierten Fußbodenfliesen im süd-östlichen Bereich sprechen für eine Küchennutzung. Wesentlich ergiebiger sind die Befunde aus der Phase III. Aufgrund des Archivmaterials lässt sich ein Gebäude rekonstruieren, das 1562 als Marstall-Speicher-Gebäude genannt ist. Dieser Marstall mit zwei darüberliegenden Speichern verlief in Ost-West-Richtung. Nach einer Quelle von 1667 entsprach die Länge des Stalles der Länge der südlichen Ringmauer. Weitere Fundamente wurden im Nord-Osten ergraben. Bei diesen handelte es sich vermutlich um einen 1564 genannten „neuen Bau“. Für das Jahr 1578 ist der Abbruch eines „alten Baues“ belegt, bei dem es sich wahrscheinlich um den Schlossbau aus dem 14. Jahrhundert handelt. Nach Unterlagen aus dem 16. Jahrhundert wurde dieser als Wohnbau genutzt. Es wird genannt: 1568/69 eine neue Dachdeckung für zwei Erker, die „dem Hain zu gehen“; 1577 das Brechen von zwei Fenstern durch die Mauer – nachweislich handelt es sich hier um die Westmauer. 1580 werden 712 Gulden am „neuen Bau“ verbaut (Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt. 106 Nr. 5025). Diese hohe Summe lässt Rückschlüsse auf eine umfassende Baumaßnahme oder einen Neubau zu.

 Phase IV – 1659 bis 1804

Aus dem Grabungsbefund und dem Archivmaterial ist für das Jahr 1659 die Errichtung eines Viehstalles parallel zur östlichen Ringmauer belegt. Die Reparatur des im 16. Jahrhundert errichteten und im 30jährigen Krieg schwer beschädigten Schlossbaues wurde 1651 angeordnet, jedoch nicht ausgeführt. Nach Sturmschäden erfolgte 1667 der Abbruch. Schäden am Marstall führten 1686/87 zu größeren Reparaturmaßnahmen. 1687 wird das heute noch bestehende Kelterhaus errichtet. Die Lage dieses Gebäudes in der Nord-West-Ecke, anstelle des abgebrochenen Schlossbaues, zeigt eine nun ausschließlich wirtschaftliche Nutzung der Burganlage. 1793 wird die Burg in einem Schreiben der Zollschreiberei Höchst an die Kurfürstl. Hochpreisliche Hofkammer wie folgt beschrieben: „Die Herrschaftliche Burg zu Hofheim, worin sich Keller, Kelterhaus, Speicher, Scheuer und Stallungen befinden, ist ganz von dem Herrschaftlichen Weiher umgeben, und der Weg dahin führet über eine steinerne Brücke. Um das Gebäude zieht der sogenannte dem Kurfürstl. Amtsvogten zur Besoldung angewiesene Burggarten, welcher rechts und links der Brücke auf jeder Seite einen besonderen Eingang hat.“ (Das Schreiben beinhaltet den Auftrag und Arbeitslohn für einen Maurer zur Errichtung der eingestürzten Gartenmauer etc.). 1795 erfolgt eine weiterer Briefwechsel, in dem es um die durch die Franzosen beschädigten und ruinierten herrschaftliche Gebäude samt Besoldungsgärten des Amtsvogtes geht. Die „Demolierung“ ist so groß und kostspielig, dass lediglich der Erhalt des Kelterhauses vorgeschlagen wird. Auf diese Weise erspart man sich außerdem weitere Einquartierungen (1796). 1804 werden Abbrucharbeiten genannt. Ein Lageplan von 1805 zeigt innerhalb der Ringmauer nur noch das Kelterhaus.

Phase V – 1819 bis 1897 und Phase VI – 1897 bis heute

Seit 1590 war die Burganlage im Besitz der Mainzer Kurfürsten, bis sie 1803 an das Fürstentum Nassau-Usingen fiel und 1819 an Philipp Joseph Weiler verkauft wurde. Der Kaufmann nutzte die Anlage als Lager. Seine Erben veräußerten die Burg 1877/78 an die Stadt Hofheim, die darin 1897 in der Süd-Ost-Ecke einen Bullenstall errichtete (Phase VI). Im 20. Jahrhundert folgten Toilettenanbau und Vereinshaus. Diese Gebäude wurden 1991 vor Beginn der zweiten Grabungskampagne abgerissen.

Zu den herausragendsten Funden, die während der Grabungen gemacht wurden, gehört die Bergung des oberen Teiles eines römischen Grabsteines mit dem seltenen Relief eines reitenden Bogenschützen. Der Stein war Bestandteil des oberen Teiles der Ringmauer. Es wird vermutet, dass durchaus noch mehr Steine aus den römischen Kastellanlagen auf diese Weise eine neue Verwendung fanden. Funde aus dem Bereich der Haus- und Hofwirtschaft belegen die Nutzung des Wasserschlosses vom 14. bis zum 20. Jahrhundert.


Blick von Osten auf die Grabungsfläche in der Hofheimer Wasserburg. Deutlich erkennbar sind die Fundamentsmauern der Innenbebauung - Foto: Roswitha Schlecker


Oberer Teil eines römischen Grabsteines mit dem Relief eines reitenden Bogenschützens. Geborgene Spolie von der Südostecke der Ringmauer - Foto: Roswitha Schlecker


Quellen:
Der Untersuchungsbericht des „Freien Institutes für Bauforschung und Dokumentation e.V., Marburg“ ist im Stadtarchiv Hofheim am Taunus einzusehen. Er besteht aus drei Teilen:
1. Untersuchungsbericht Hofheim-Wasserschloss, Band 1, Archivalien, Februar 1992
2. Hofheim-Wasserschloss, Verzeichnis der Archivalien, Februar 1992
3. Hofheim-Wasserschloss, Zusammenfassung der Ergebnisse der Grabungen 1990-1991, Februar 1992
In Arbeit:
4. Bauhistorische Analyse der Ringmauer
5. Grabungsbericht



Der Bericht wurde in „Zwischen Main und Taunus – Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises, 1993, 1. Jahrgang, Seite 97-100“ veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung des Main-Taunus-Kreises und der Autorin erfolgt diese Präsentation.


Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim am Taunus (Wilfried Wohmann)

 


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