Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!

Aus Hofheims Schulgeschichte

von Peter Kunz

 

Peter Kunz (1872 – 1959) war von 1918 bis 1934 Rektor der vereinigten Volks- und Realschule in Hofheim am Taunus. Sein Beitrag zur Hofheimer Schulgeschichte wurde 1934 in der Hofheimer Zeitung in sechs Folgen veröffentlicht. Hier sind diese Folgen zusammengefasst dargestellt.

 

Erstes Schulgebäude

Das Schulwesen Hofheims spielt in der Geschichte unserer Stadt, wenn wir von den größeren historischen Ereignissen absehen und es mehr im Blickfelde kleinbürgerlichen Geschehens betrachten, eine nicht unwesentliche Rolle. Im Mittelpunkt der stadtväterlichen Sorgen stehen die Schulgebäude, deren Erbauung, Erweiterungen und Reparaturen mit ihrem Kostenaufwand oft Streit, Kampf selbst Aufruhr in die Bürgerschaft getragen haben.

Links das ehemalige Schulhaus am Kirchplatz, vor 1960 - Foto: Stadtarchiv Hofheim

Die ersten schriftlichen Aufzeichnungen beziehen sich auf ein altes Schulhaus vor dem 30jährigen Kriege. Pfarrer Seitz schreibt in der Pfarrchronik aus seinen Erinnerungen und denen der Ortsbewohner: „Nachdem die Ordnung einmal in ein Chaos verwandelt worden war (er denkt an den 30jährigen Krieg) herrschte allgemeines Durcheinander. Welches das wahre und richtige Schulhaus war, kann nicht mehr erkannt werden. Was aber einstmals als solches benutzt wurde, ist aus folgendem zu ersehen: Zum Katharinenaltar gehören Weinberge, Wiesen und ein Haus nebst Scheuer am Kirchhof zwischen Laux, Vonberger und Kun einerseits, der Schule und Peter Auler andererseits“. Nach dieser Besitzangabe des Katharinenaltars ist es bestimmt, dass das alte, vielleicht erste Schulhaus unserer Stadt in der Nähe der alten Kirche am Kirchhof gestanden hat. Die genaue Lage dort konnte nach dem 30jährigen Kriege, wie aus folgendem zu ersehen ist, nicht mehr festgestellt werden: „Nachdem durch die Unbilden der Zeit, sowohl das Haus des Frühmessers und das des Kaplans zusammengestürzt waren, wer kann da entscheiden, ob das spätere Schulhaus auf seinem ersten Grundstück noch gestanden hat. Wie die Sache auch immer sein mag, es ist nichts Näheres über alles zu erfahren, es ist aber über die Reparatur des alten Schulhauses viel gestritten worden.“ In verschiedenen Akten werden über die Reparaturkosten mancherlei Angaben gemacht: „Im Jahre 1561 wurden 40 Alben (à 3 Pfg.) vom Marienaltar entnommen, 1566 43 Alben, dann wieder 19 Alben, 1589 8 Alben, 1622 10 Gulden 5 Alben, 1626 wuchs die Sache ins Ungeheure, die Reparaturen kosteten 45 Gulden.“ Dann schweigen die Akten, es kommen die Wirren des 30jährigen Krieges näher und damit die Vernichtung des alten Schulhauses.

In dem vorerwähnten Streite verlangte die Kirche, dass auch die Gemeinde für die Unterhaltung des Lehrers und des Schulhauses zu sorgen habe. Sie vertrat den Standpunkt, dass es Pflicht der Gemeinde sei, für die Unterweisung und Erziehung der Jugend auch die Mittel zur Verfügung zu stellen. Auf mehrere Eingaben der damaligen Pfarrer wurde ihnen keine Antwort gegeben, da die Schule nicht mehr „rein kirchlichen Zwecken, wie religiöse Unterweisung und Vorbildung junger Priester diente, sondern auch nützliche, weltliche und bürgerliche Kenntnisse gelehrt werden sollten“, so war wohl die Auffassung der Pfarrer richtig, dass auch die Gemeinde zu den Lasten der Schule beizutragen habe. Aus den vorerwähnten Aufzeichnungen ist mit Sicherheit zu entnehmen, dass vor dem 30jährigen Krieg ein altes baufälliges Schulhaus am Friedhof in der Nähe der Kirche gestanden hat und dass es während des 30jährigen Krieges zerstört wurde.

Der 30jährige Krieg hatte auch in Hofheim furchtbar gewütet

Im Jahre 1609 gab es in Hofheim 71 Haushaltungen mit 315 Einwohnern, im Jahre 1637 nur noch 27 Haushaltungen mit 90 bis 100 Einwohnern. Im Jahre 1631 kamen die Schweden durch unsere Stadt und richteten furchtbaren Schaden an. Die Bürger wandten sich an den Kommandanten in Mainz und baten um Abhilfe, aber ihr Verzweiflungsruf fand kein Gehör. In den folgenden Jahren wechselten französische und schwedische Truppen ab und erhöhten die bereits zum Übermaß vorhandene Not und Armut. Man kann sich eine Vorstellung von der entsetzlichen Lage der Bürger machen, wenn man die unmenschliche Behandlung des damaligen Pfarrers J. Wagner von Kriftel liest.

Im Jahre 1635 zogen die Mordbrenner den damaligen Pfarrer J. Wagner von Kriftel bis zum Hemd aus, schleppten ihn nach Hofheim, um ihn dort aufzuhängen. Im Todeszappeln schnitten sie ihn ab, wo er dann infolge der Misshandlungen im Alter von 73 Jahren im Hause des Schultheißen starb. 1640 lag Rittmeister Paul mit 154 meuterischen Kürassieren brandschatzend in Hofheim, infolgedessen wieder unbeschreibliches Elend. 1644 hatte Oberst Spork sein Hauptquartier in Hofheim, seine 500 bayrischen Truppen plündern die Stadt. Ein Wiesbadener Bürger schreibt von ihnen: „Kein Alter, kein Geschlecht wird geschont, Bürger und Frauen misshandelt, dass es nicht zu beschreiben ist“.

Hofheim bot nach dem Kriege ein Bild des Entsetzens und Jammers, es war nur noch ein Trümmerfeld.

Nach dem Kriege wurde eines der bei der Kirche zusammengestürzten Häuser zu einem Schulhaus notdürftig umgebaut. Der spätere Pfarrer ist der Ansicht, dass es das ehemalige Haus des Frühmessers gewesen sei. Die Akten berichten auch hier über größere Reparaturen: „Im Jahre 1663 betrugen sie 72 Gulden und 24 Alben“. Der Pfarrer schreibt 1725, dass es dem Zusammenbruch nahe sei und dass Gefahr für die Insassen bestehe.

Eine Kommission, bestehend aus Pfarrer und Vertretern der Stadt, setzte sich zusammen, um über den Bau eines neuen Schulhauses zu beraten: „Die Notwendigkeit wurde allseits anerkannt und die Bedeutung des Neubaues für die Erziehung der Hofheimer Jugend hervorgehoben“. Es wurde einstimmig beschlossen, dass die Gemeinde alles Holz, sei es aus dem eigenen oder fremden Walde, auf ihre Kosten beschaffen wolle. Ebenso wurde beschlossen, dass die Gemeinde alle notwendigen Arbeiten ausführen lassen wolle, sei es dass sie mit der Hand oder mit dem Fuhrwerk zu leisten seien, dass sie ferner für das Herbeischaffen des Materials ober für das Abfahren des alten Hauses sorgen wolle (das neue Schulhaus sollte demnach auf das Grundstück des alten Gebäudes gestellt werden). Der Pfarrer erklärte sich bereit, 250 Gulden für den Neubau aus der Kirchenkasse zu zahlen. Der Müller von der Atzmühle kaufte das Abbruchholz für 52 Gulden und 30 Alben, das neue Schulhaus sollte 42 Fuß lang, 27 Fuß breit werden, 2 Stockwerke haben, wovon jedes 9 Fuß hoch sein sollte. Der Bau wurde am 27. April 1727 begonnen. Bei der Ausführung der Grundarbeiten wurde ein größerer Keller mit Türen und Treppen gefunden, der auch wieder hergerichtet wurde. Die Zimmerarbeiten wurden durch Joh. Gg. Krimm für 75 Gulden und 2 Malter Frucht, die Maurerarbeiten von Schranz 81 Gulden 10 Alben und 3 Malter Frucht, die Schreinerarbeiten von J. Kaßler zu 35 Gulden 38 Alben, die Glaserarbeiten von H. Kaßler zu 30 Gulden, die Schlosserarbeiten von einem Handwerker aus Eppstein zu 18 Gulden 30 Alben nebst dem Altmaterial, die Schmiedearbeiten von Jakob Mohr zu 4 Gulden 22 Alben ausgeführt. Ein Steinklopfer aus Freudenberg erhielt 13 Gulden und 13 Alben. Die Öfen lieferte der Frankfurter Neuburger zu 24 Gulden 34 Alben. Ziegel und Kalk kosteten 40 Gulden 30 Alben, die Schlüssel 5 Gulden, Farben und Öl 6 Gulden 57 Alben und die Dachdeckerarbeiten 54 Doppelalben. Die Gesamtbaukosten für Schule und Keller werden mit 480 Gulden und 22 Alben angegeben. Das neue Schulhaus wurde später durch einen Erweiterungsbau wesentlich vergrößert. Der damalige Schulmeister Walter nahm Wohnung in einem benachbarten Zimmer, das ihm die Gemeinde zur Verfügung stellte und unterrichtete die Jugend während des Neubaus im Rathaus. Es wird berichtet, dass er an dem Tage starb, an dem die Zimmerleute ihre Arbeit fertigstellten.

Der Umbau der Schule

wurde im kommenden Jahre (1789) ausgeführt. Der alte Schulsaal wurde zu einer Lehrerwohnung, die bisherige Lehrerwohnung und der angrenzende Schuppen in zwei Schulsäle umgewandelt. Der Frühmesserfond wurde neben der Gemeinde zur Tragung der Kosten verurteilt. In einem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass der Frühmesserfond 4000 Gulden Vermögen habe und dass es nicht gut sei, den Fond noch weiter anwachsen zu lassen. Über den Erweiterungsbau befinden sich bei den Archivakten noch zwei Kostenvoranschläge von dem Maurermeister Mertzenbach über 203 Gulden und von dem Zimmermann Adam Landerer über 87 Gulden 45 Kreuzer. Damit waren die dringenden und schweren Sorgen um ein angemessenes Schulhaus für eine Reihe von Jahren behoben. Im Jahre 1820 war die Zahl der Schulkinder auf 262 gestiegen, die in zwei Klassen eingeschult waren. Die beiden Klassenzimmer in der alten Schule bei der Kirche waren für die hohe Zahl der Kinder zu klein geworden. Sie wurden in einen Schulraum umgewandelt und dem zweiten Lehrer wurde ein Schulzimmer auf dem Rathaus eingeräumt, wo er bis 1833 den Unterricht erteilte. Im Jahre 1824 wurde eine dritte und im Jahre 1829 eine vierte Lehrerstelle eingerichtet, denen 2 Schulzimmer in der Kellerei zugewiesen wurden. So bestand eine Schulklasse in der alten Schule am Friedhofe, eine zweite auf dem Rathaus und zwei in dem Kellereigebäude. Das alte Schulhaus wurde 1830 an Ph. Krupp verkauft und der Bau eines neuen Schulhauses mit vier Klassenräumen in Aussicht genommen.

Im Frühjahr 1831 wurde der Neubau in der Burgstraße begonnen. Die Bürger aber waren mit dem Schulhausprojekt nicht einverstanden und als dennoch die herzogliche Regierung den Neubau ins Werk setzte, kam es zu schweren Ausschreitungen,

zu einer Schulhaus-Revolte,

worüber der erste Lehrer Wohlfarth in der Schulchronik wie folgt berichtet: „Am 3. Mai 1831 war der Neubau bis an die Fenstergesimse ausgeführt, als er plötzlich in der Nacht vom 3. auf 4. Mai von den Ortsbürgern, weil von vielen die Kellerei zur Schule gefordert wurde, demoliert und der Erde gleichgemacht. Und als des anderen Tages der Beamte von Höchst, Herr Justizrat Hendel, sich nach Hofheim begab, um eine Untersuchung deshalb auf dem Rathause einzuleiten,

wurde mit allen Glocken gestürmt, die Untersuchung aufgeschoben und der Beamte genötigt, sich unverrichteter Sache wieder nach Höchst zu begeben.

Als der Beamte wieder fort war, kam es zu tumultartigen Auftritten, man läutete fortwährend, schoss Gewehren, trommelte und zog nicht nur die ganze folgende Nacht in Hofheim umher, sondern der Volkshaufe zog auch noch nach Hattersheim, um auch dort denselben Skandal zu unterhalten und zu erweitern. Welche Tendenz dieser Volksauflauf sonst noch hatte, will ich nicht weiter untersuchen. Kurz die herzogliche Landesregierung sah sich veranlasst, einen

Regierungskommisarius nebst einer militärischen aus etwa 250 Mann bestehenden Exekution

zu entsenden, um eine kräftige Untersuchung ins Werk zu setzen, welche kriminell wurde und zu folgendem Resultat führte: Mehrere Individuen mussten im Korrektionshause büßen und mehrere wurden zur Tragung der Kosten in solitum verurteilt.“

Das Frankfurter „Journal“ vom 8.5.1831 veröffentlichte folgenden Bericht über die Vorkommnisse:

Wiesbaden, den 6. Mai

„In Hofheim, einem Städtchen von ungefähr 300 Familien im Amte Höchst, hat die Erbauung eines städtischen Schulhauses denjenigen Einwohnern, welche damit nicht einverstanden waren, sondern ein anderes Gebäude dafür angekauft und eingerichtet wissen wollten, Veranlassung zur Unzufriedenheit gegeben. – In der Nacht vom 3. zum 4. Mai ist das bereits errichtete Mauerwerk des Erdgeschosses wieder eingerissen worden und als am 4. der Beamte aus Höchst in Hofheim erschien, um eine Untersuchung darüber anzustellen, zogen die Einwohner die Glocken und rotteten sich dergestalt zusammen, dass er genötigt war, sich zu entfernen. Auf die von ihm hierher erstattete Anzeige ist am 5. sofort ein Regierungskommisarius nach Hofheim abgegangen, der Beamte von Höchst dahin zurückberufen und ein Kommando von den herzoglichen Truppen zur Aufrechterhaltung der Autorität abgesendet worden. Diese sind ohne irgend auf Widerstand zu stoßen, eingerückt, die Untersuchung ist in vollem Gange und eine Fortsetzung oder Erneuerung der unruhigen Bewegung nicht zu besorgen.“

Die kurz gefassten, mit Vorsicht geschriebenen Berichte aus jener Zeit seien ergänzt durch das, was im Volksmund noch nach 100 Jahren erzählt wird:

Nach den Aufzeichnungen des Herrn Martin Nix:

„Das Schulgebäude auf dem Kirchplatz wurde zu klein. Der Schultheiß Joh. Seelig und der Gemeinderat beschlossen, den Kellereikomplex zu kaufen und wurden mit dem Eigentümer Phil. Jos. Weiler zum Kaufpreis von 12000 Gulden einig. Die Regierung beanstandete den Kauf mit der Begründung, dass das Kellereigebäude feucht sei und darum für eine Schule ungesund. Die Bürgerschaft trat dennoch für den Ankauf ein und lehnte den Plan der Regierung ab. Die letztere ließ auf Kosten der Stadt nach ihrem Vorhaben in der Burgstraße eine neue Schule bauen und beauftragte den Zimmermann Kaspar Kraft mit der Ausführung des Projektes. Waren bisher die Bürger einig, so trennten sie sich jetzt in zwei Parteien. Die einen sagten: „Gegen Regierungsgewalt sind wir machtlos und müssen uns fügen“, die anderen aber wollten sich dennoch nicht vergewaltigen lassen. Während der Neubau gute Fortschritte machte, wurde von der Gegenpartei fleißig agitiert und auch die unerfahrene Jugend für den bevorstehenden Kampf aufgepeitscht. Das Hauptverschwörungslokal war die Wirtschaft Kremenz (jetzt Metzgerei Kilb, Hauptstraße/Ecke Taubengasse). Als das erste Gebälk lag, hielten sie die Zeit für gekommen, den Neubau niederzureißen. Zum Zeichen des Angriffs wurde Sturm geläutet und der Bau bis auf die Grundmauern dem Erdboden gleichgemacht. Am nächsten Tage stellten die Anführer vor dem Rathause den Freiheitsbaum auf, geschmückt mit Fahne und Sense, um den nun lustig getanzt wurde. Nachdem ein junger, wegen seiner Stärke gefürchteter Mann von der Gegenpartei dem Treiben einige Zeit mit zugesehen hatte, ging er nach Hause, kam mit einer Axt wieder und fällte den Freiheitsbaum. Noch an demselben Tage kam der Amtmann Hendel von Höchst in Begleitung des dortigen Bauunternehmers Kunz auf das Rathaus, um den Schultheißen Seelig zur Rede zu stellen. Kaum hatte die Unterredung begonnen, da wurde von neuem Sturm geläutet. Auf die Frage, was das bedeute, konnte der Schultheiß nur sagen, dass es wohl seiner Person gelte und gab ihm den Rat, so schnell wie möglich zu fliehen, denn er habe keine Gewalt über die aufgeregten Bürger. Der Amtmann floh in das Pfarrhaus und nachdem die aufgeregte Menge sich verlaufen hatte, versuchte er auf dem schmalen Weg, der jetzt noch durch Anwesen von Töpfer Faust führt, durch den Brühl nach der Hattersheimer Straße und weiter nach Höchst zu entkommen. Der Volkshaufe stürmte ihm nach, er erreichte die Papiermühle. Der damalige Besitzer Hohfeld gewährte ihm Schutz im Hühnerstall und brachte ihn später mit seiner Chaise nach Hattersheim. Die Flucht wurde bemerkt, die Volksmenge verfolgte ihn weiter, ein Hagel von Steinen zertrümmerte die Fensterscheiben es Wagens. Der Papiermüller war glücklich, wie er sagte, dass er den Mantel mit dem hohen Kragen angezogen habe, um seinen Kopf vor dem Steinhagel zu sichern. Am folgenden Tage

fuhr eine Batterie Artillerie und 2 Kompagnien Infanterie auf dem Hochfeld auf.

Der Kommandant ließ die Hofheimer nicht im Unklaren über seine Absichten und drohte, dass er Hofheim bei einem weiteren Aufstand zusammenschießen lasse. Sechs Wochen lang wurde das Militär auf Kosten der Stadt in der Kellerei verpflegt. Die Hauptanführer der Revolte wurden als Geisel eingezogen, die Bürgerschaft aber blieb ruhig. Ein weltgewandter Schneider von Hofheim mit Namen Landler, dem die hohen Kosten der Besatzung den Kopf etwas beunruhigten, steckte sich eines Tages in Frack und Zylinder und begab sich im stolzen Bewusstsein der sich selbst übertragenen hohen Mission zum Kommandanten. Dieser glaubte eine führende Persönlichkeit der Stadt vor sich zu haben und erwies dem würdevollen Unterhändler hohe Achtung. Das Schneiderlein hatte seine Rede gut einstudiert und verstand es in der weiteren Aussprache in Ruhe und Gegenrede geschickt zu unterhandeln. Die Verhandlung führte zu einem guten Ergebnis. Beide wurden über den Abzug des Militärs zu einem bestimmten Termin einig. Sehr erstaunt und überrascht soll der Befehlshaber gewesen sein, als er später erfuhr, dass der schneidige redegewandte Schneider überhaupt keinen Auftrag hatte, mit ihm zu verhandeln. In seiner Erregung soll er die Äußerung gemacht haben, wenn er gewusst hätte, wer der Diplomat sei, so hätte er ihm 25 mit der flachen Klinge auf den blanken … appliziert. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Der Kommandant aber war um eine Erfahrung reicher und Hofheim hatte keine Besatzung mehr.

Inzwischen wurden die ersten legalen Verhandlungen in der Krone geführt. Auch der Herzog soll selbst dabei anwesend gewesen sein. Man erzählt, dass gar mancher Bürger es verstanden habe, sich geschickt aus der Affäre heraus zu reden. Vier junge Leute: Römer, Kippert, Betzel und Landler erhielten je 2 Jahre Gefängnis, die sie in Eberbach abzubüßen hatten. Dem ersteren wurden 3 Monate geschenkt, weil er bei einem großen Brand in der Strafanstalt sich besonders hervorgetan habe. Schultheiß Seelig wurde in derselben Strafanstalt 6 Monate interniert und seines Dienstes enthoben.“

Die restlose Aufklärung über die Urheber und ihre Absichten wäre nur möglich, nach Einsichtnahme und Prüfung der über den Prozess geführten Gerichtsakten. Trotz aller Nachforschungen ist es bisher nicht gelungen, diese ausfindig zu machen. Neben den bereits Genannten waren an der Revolte weiter beteiligt: Martin Weiler, Franz Messer, Adam Welk, Peter Bing, Joh. Mansino, Martin Weber, Peter Leicher, Phil. Kraft und Johann Burkard, die z. Teil zu hohen Geldstrafen verurteilt wurden.

Geschichtliches Geschehen ist zeitbedingt und aus dem Geiste, den Verhältnissen, den politischen und anderen Strömungen der Zeit heraus recht zu verstehen. So auch hier.

Eine revolutionäre Welle ging damals durch ganz Europa und trat bei einem gegebenen Anlass auch in kleineren Orten spontan hervor.

Das Aufrichten des Freiheitsbaumes

war auch eine aus Frankreich kommende revolutionäre Erscheinung. In derselben schon erwähnten Nummer des Frankfurter Journal ist eine Nachricht aus Venloo über einen Aufstand der Fährleute, die auch einen Freiheitsbaum aufstellten, plündern wollten und dann hinter Schloss und Riegel gesetzt wurden. – Die beiden Parteien, die sich wie schon erwähnt, hier gebildet hatten, standen noch einige Zeit scharf einander gegenüber. Die Anhänger der einen Partei wurden von ihren Gegnern die „Russen“, die der anderen die „Polen“ geschimpft. Diese sonderbaren Benennungen lassen sich wohl aus den damaligen staatlichen und politischen Verhältnissen der Russen und Polen erklären. Auch die Schuljugend hatte diese Benennungen, die als Schimpfnamen galten, übernommen und sie stand sich gleichfalls als Russen und Polen gegenüber. – Die Schulbehörde sah sich veranlasst, einen hohen Beamten nach Hofheim zu schicken, der nach dem Rechten sehen sollte. Aus alten Akten ist zu ersehen, dass er berichten konnte, die Schimpfnamen seien nun ausgemerzt und die Jugend sei zum Gehorsam und zur Autorität zurückgekehrt.

Anlass zur Schulrevolte

gab wohl auch der Umstand, dass die Regierung den zwischen der Gemeinde und dem Kaufmann Phil. Josef Weiler abgeschlossenen Kaufvertrag für null und nichtig erklärte, weil sie eben die Kellerei als Schulgebäude ablehnte. Ohne Zweifel war der Besitzer der Kellerei nicht ganz unschuldig, wenn er auch nicht in den Vordergrund getreten ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Weiler seine nicht mehr günstige Finanzlage mit dem Gelde sanieren wollte. Er hatte in einem erheblichen Landbesitz seine flüssigen Gelder investiert und gedachte, durch den Verkauf der Kellerei, ein für die damalige Zeit ansehnliches Kapital frei zu machen. – Der begonnene Schulhausneubau wurde fortgeführt und im Herbst 1833 wurde das neue Schulhaus bezogen.

Im Jahre 1870 wurde eine an die Volksschule angegliederte Realschulklasse errichtet und ihr im „Weißen Roß“ (jetziger Besitzer: Kaufmann Heinr. Heinemann, später „Kaufhaus Diener, Ecke Hauptstraße/Burgstraße) ein Schulzimmer zugewiesen. Als im Jahre 1872 eine weitere Lehrerstelle genehmigt wurde, musste zum dritten Male im Rathaus Schule gehalten werden. 1875 kaufte die Gemeinde das Kellereigebäude und schaffte dort 4 neue Schulsäle, von denen zunächst zwei benutzt wurden, eine für die gehobene Klasse und das andere für eine Volksschulklasse. 1911 wurde eine Lehrerwohnung in dem genannten Lennig’schen Hause, Burgstraße, in zwei Klassenzimmer und im Jahre 1919 die zweite Lehrerwohnung ebenfalls in zwei Klassenzimmer umgewandelt, so dass nun die 3 alten Schulgebäude restlos zu Schulzimmern verwandt wurden.

Der Bau eines neuen Schulhauses

war bereits vor dem Kriege beschlossen worden. Die Ausführung des Planes beschäftigte die städt. Körperschaften. Bei Ausbruch des Krieges wurde dann das Projekt zurückgestellt. Der Schulhausneubau wurde nach dem Kriege bei der Übernahme der Realschulklassen durch die Stadt, wie auch durch Herabsetzung der Klassenfrequenz mehr und mehr eine dringliche Notwendigkeit. Die Schulräume waren unzureichend, jedes ästhetischen Eindrucks bar und hygienisch nicht einwandfrei, worauf auch die Schulbehörde immer wieder aufmerksam machte. Pädagogisch und schultechnisch war der Zustand unhaltbar und einer Stadtgemeinde an der Peripherie der Großstadt unwürdig. Der Schulhausneubau wurde im Sommer 1927 begonnen und das neue Gebäude am 1. Juli 1928 bezogen.

Das neue Schulgebäude liegt wohl nicht ohne Absicht an einer besonders exponierten Stelle unserer Stadt. Wenn der Zug Frankfurt – Limburg die Station Kriftel verlässt und die Landstraße Hofheim – Hattersheim überschneidet, um sich zwischen den Obstgärten des Zorn’schen Besitzes hindurch zu winden, da öffnet sich plötzlich dem Beschauer der Blick auf den östlichen Teil unserer Stadt. Langgestreckte Straßenzüge, flankiert von verhältnismäßig neuen Häusern, charakteristisch mit ihren roten Ziegeldächern fliehen nach der Zeilsheimer Straße hin. Östlich davon ein ganz neuer Häuserblock, einheitlich in den architektonischen Formen und in der Anlage der Häuser untereinander, charakteristisch in der fast gewollten Einfachheit der Formen und Farben. Dazwischen ein ganz neues Gebäude, den ganzen Stadtteil weit überragend, ein Gebäude, das seinerseits mit den einfachen Linien des neuen Häuserblocks sympatisiert, andererseits über sie hinaus zu einer gewissen Monumentalität hinstrebt:

Hofheims neue Schule.

Das erste, was auffällt, ist das gewaltige Fenster, das fast die ganze Fläche der Giebelseite einnimmt. Das Fenster ist in seiner Größe wiederum durch horizontale Linien streng symetrisch gegliedert, so dass die Seitenflächen der Schule einen Eindruck von fast kultischer Strenge vermittelt. Links von dem Hauptbau gliedert sich die Turnhalle an. Beide Gebäude umschließen den vorderen Schulhof, der im übrigen von einer blumengeschmückten Sandsteinmauer eingeschlossen ist.

Wir verlassen den Zug und gehen durch die Straßen Hofheims zur Schule hin. Das breite Einfahrtstor des Hofes empfängt uns. Sofort wird unser Blick gefangen von der Pestalozzi-Gruppe, die an der Ecke der Turnhalle angebracht ist. Ihr Stil ist dem der Schule angemessen. In der strengen Einfachheit und Spannung der Konturen passt sie sich dem gesamten Stil des Gebäudes glücklich an. Wir betreten den Hof. Unser Blick fällt auf den Brunnen, der inmitten des Hofes aufgestellt ist. Die Außenflächen des Brunnens sind von Szenen aus dem Rotkäppchen-Märchen ausgefüllt, die sich dem Gesamteindruck des Brunnens einfügen, ohne aufdringlich zu wirken. Dieser Stil ist der Stil unserer Zeit, mit organischer Notwendigkeit ihr verbunden. Das 19. Jahrhundert musste seinen Stil aus entlegenen Zeiten leihweise beziehen, vom gotischen bis zum Barockstil wurden hintereinander sämtliche Stile der abendländischen Entwicklung kopiert.

Dieser neue Schulbau soll Ausdruck eines eigenen Stilwissens sein, Ausdruck eines Willens zur Einfachheit und Sachlichkeit, ohne dabei die Grenzen zwischen Privat- und öffentlichen Bauwerken zu verwischen.

 

Quelle: Stadtarchiv Hofheim am Taunus - Hofheimer Zeitungen aus dem Jahre 1934 - zusammengestellt von Peter Fuchs


Pestalozzi-Schule, um 1930 - Foto: Stadtarchiv Hofheim













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