Historisches Hofheim am Taunus

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Hofheimer Personen



Joseph Staab

Foto: Josef Nix

Von Mainz nach Hofheim - Bäckermeister - vom Zwiebackbäcker zum Feinbäcker

* 4. Juli 1853 in Mainz
+ 21. August 1927 in Hofheim am Taunus


1928 aufgeschrieben von seinem Sohn Franz Staab, Hofheim


Sein Leben beginnt am 4. Juli 1853 in Mainz, wo er im Hause Rechengasse 13 das Licht der Welt erblickte als Sohn des Bäckermeisters Georg Anton Staab und seiner Ehefrau Eva geb. Werner. In der hl. Taufe erhielt er den in der Familie traditionellen Namen Joseph, wie ihn schon sein Großvater und Urgroßvater getragen hatte. Pate war der Bruder seines Vaters der Lehrer Joseph Staab in Mainz in der Kapuzinerstraße, an dem er zeitlebens mit Innigkeit hing, ja nach seiner Angabe war er ihm lieber als sein eigener Vater. Die Großeltern väterlicherseits waren tot, aber die Großeltern mütterlicherseits lebten noch in Weisenau, wo sie ein Spezereigeschäft betrieben. Dort verlebte Vater nach seiner Angabe die glücklichsten Tage seiner Kindheit.

Vaters Gedächtnis erinnerte ihn zurück bis zum Tage der schrecklichen Pulverexplosion am 18.11.1857 und bis zum Einzug Kaiser Franz Josefs von Österreich in Mainz 1862. Vater besuchte die Realschule und erwarb die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Militärdienst. Der Besuch der Realschule war ihm nicht leicht gemacht, da er auch im väterlichen Geschäft viel helfen mußte. Oft wurde er von seinen Schulkameraden verspottet, wenn er noch Mehlspuren an den Kleidern hatte. Sein Vater wünschte, er solle Bäcker werden. Vater hing auch sein ganzes Leben mit ganzer Seele an diesem Beruf.

Zu Beginn des Krieges 1870/71 war das Hauptquartier König Wilhelms I. in Mainz, weshalb dort reges militärisches Leben herrschte. Es hieß schwer arbeiten, um Brot für all das Militär zu backen. Sein Militärdienst diente Vater von 1872 bis 1873 im Kurhessischen Feldartillerieregiment 11 in Mainz. Danach war er immer im elterlichen Geschäft tätig. Nach seiner Ansicht war das ein Fehler. Der Mensch müsse in die Welt hinaus, sich umsehen, andere Verhältnisse und andere Sitten kennen lernen. Sein Vater wollte das aber nie, er habe zu Hause Arbeit in Hülle und Fülle. Nur ein Paar Tage war Vater in Metz, da holte ihn sein Onkel Josef wieder.

Am 9. März 1878 verlobte er sich mit Margaretha Nees, einer Bäckermeisterstochter in Mainz auf der Insel Nr. 7 (Anm.: heute Inselstraße). Am 9. Oktober desselben Jahres war die Trauung in der Peterskirche in Mainz durch Pfarrer Kapper. Die Trauzeugen waren Kaufmann Ziegler, der Ehegatte seiner Kusine Maria Jamin (*1845) und Ph. Heichemer, ein Vetter der Mutter. Die Hochzeitsreise ging nach Heidelberg und Heilbronn und dauerte drei Tage. Da war sein Vater wieder froh, daß er wieder da war. Immer schaffen!

Seine Eltern wohnten zunächst in der Flachsmarktstraße und zogen später wieder (1887) nach Weisenau, wo sein Vater 1895 und seine Mutter 1904 in ihrem Heim, genannt Viktorberg, gestorben sind.

Das erste Kind, das am Leben blieb, war Eva (*11.12.1884 in Mainz). Unsere Mutter kränkelte immer und man riet den Eltern, sich aufs Land zurückzuziehen. Man wählte Hofheim, wo seine Schwester Greta bereits lange vorher zur Erholung auf der Atzmühle bei Familie Belz weilte. Sein Geschäft übergab Vater seinem Bruder Anton. Die Eltern zogen im Oktober 1888 nach Hofheim und blieben zunächst ohne Geschäft. Im November 1888 kam Bruder Anton zur Welt. Vater hatte viel Geld gespart, sodaß er ohne Geschäft hätte leben können. Er wollte aber nicht untätig bleiben, da er noch im rüstigen Mannesalter stand. Er versuchte es mit Mainzer Zwiebäcken, die er durch Reklame und durch Reisende anpries. Über Erwarten zahlreich kamen die Aufträge, sodaß Vater nur die besten Kunden behielt. Er brauchte Hilfe, weshalb er zwei junge Leute von Hofheim Philipp Maus und Josef Veith zu sich nahm. Philipp Maus blieb bis zum Ausbruch des Krieges 1914 bei ihm. Vaters Wunsch war es, daß „unser Philipp“ das Geschäft übernähme. Doch es kam anders. Vater nahm mich am 1.3.1910 zu sich ins Geschäft, nachdem Bruder Anton zur Übernahme des Geschäftes keine Lust gezeigt hatte. 1910 war allerdings in der Zwiebackbäckerei kein großes Geschäft mehr, weshalb man zur Feinbäckerei überging. Man machte sich ja wenig Sorge um die Zukunft, da man Geld hatte.

So kam der große Wendepunkt seines Lebens der Krieg 1914/18. Als er begann, war Vater voll Sorge. Er sah ein böses Ende voraus. Als am 4.8.1914 auch noch England uns den Krieg erklärte, sagte er: „Kinderchen, nun sind wir verloren!“ Die Zeiten in der Heimat waren ja noch gut, man hatte ja noch Vorräte genug. Auch im Geschäft war viel Arbeit. So waren an Weihnachten 1914 und schon vier Wochen vorher große Mengen Konfekt zu backen, sodaß außer mir und Bruder Josef (+1916) noch der Konditorgehilfe Hubert Hirschmann, der mit Bruder Josef bei Josef Gerster in Mainz Konditor gelernt hatte, viel zu schaffen hatte. Fast alles Konfekt schickten die Leute in Pfundpaketen ihren Angehörigen ins Feld. 1915 wurde es schon anders. Es begann die Rationierung. Die Vorräte in Deutschland wurde durch die Einkreisung durch unsere Feinde kleiner, und es mußte gespart werden. Vater äußerte sich schon in unserer frühesten Kindheit immer und immer wieder, wir sollten doch nichts vermehren, dann sagte er: „Kinderchen, wer weiß, was noch für Zeiten kommen!“

Bruder Anton war bereits in den ersten Augusttagen 1914 ebenso wie „unser Philipp“ ins Feld gerückt. Ich, Franz, wurde am 15.10.1915 eingezogen und kam nach Schlüchtern (bei Fulda) zur Ausbildung, um am 4.1.1916 nach Lille in Nordfrankreich auszurücken. In Schlüchtern wurden wir zunächst in Privatquartieren verpflegt, das war noch gut. Aber auf einmal hörte es auf, da kamen dort wie hier Brotkarten, Zuckerkarten, Fleischkarten und sonstige Beschränkungen im Lebensmittelkauf. Immer und immer knapper wurde alles, so auch das Mehl für unsere Zwiebäcke und schließlich hörte 1916 die Zuteilung von Mehl ganz auf.

Bruder Josef war noch bis Mai 1916 zu Hause, wo er zum Inf. Reg. 87 eingezogen wurde. Er war da schon etwas kränklich. Durch die schweren Strapazen des Militärdienstes litt seine Gesundheit immer mehr. Als er einmal auf Urlaub zu Hause war, ließ ihn Vater nicht mehr fort, obwohl man vom Militär in Mainz aus immer mit Strafe drohte. So siechte er weiter hin und starb am 24.9.1916 hier in Hofheim eines frommen Todes, kurz nachdem er die Sterbesakramente empfangen hatte an einem Sonntagnachmittag um 2 Uhr. Wer weiß, ob er aus dem Kriege zurückgekehrt wäre! Daß er fromm zu Hause starb, war Vaters Trost.

Das schlechteste Jahr war wohl 1917. Man nannte es das Steckrübenjahr. Es gab fast kein Fleisch und man nährte sich in der Hauptsache von Erdkohlrabi. Vater, der sehr korpulent war, litt außerordentlich unter diesen Verhältnissen und nahm gewaltig ab (vgl. die verschieden Bilder!). Mit der Abnahme des Körpergewichts war eine Abnahme der Sehkraft verbunden, die in den folgenden Jahren immer schlimmer wurde, sodaß er kurz vor seinem Lebensende nur noch einen Schimmer Lichtes sah. Dieses schwere Leid trug er mit bewundernswerter Geduld. Dazu kam noch der Verlust des Vermögens in der Inflation.

Im Geschäft konnte Vater noch bis 1922 etwas helfen. Dann war er im Haushalt mit Kartoffelschälen usw. beschäftigt. Meist betätigte er sich mit Gebet und Unterhaltung. Auf dem Vorplatz im 1. Stock ging er auf und ab mit dem Rosenkranz in der Hand. Dann war sein Plätzchen auf den untersten Stufen der Treppe zum zweiten Stock. Ein fremdes Kind kam einmal hinauf und sah Vater so dasitzen. Als es wieder herunterkam, rief es: „Da oben sitzt ein Mann und stirbt.“ In den letzten Wochen litt Vater auch sehr an Herzschwäche. Seit Frühjahr 1927  machte ihm auch die Verkalkung zu schaffen, so hat er einmal tagelang irr gesprochen. Nachher wurde es wieder besser. Am Sonntag den 21. August kam nun sein Sterbetag. Am Morgen konnte er kaum sprechen und war schon etwas gelähmt. Große Herzschwäche stellte sich ein. Vater und Mutter schliefen sonst oben im 2. Stock. Auf Anraten des Arztes Dr. Moumalle schlugen wir im kleinen Zimmer im 1. Stock neben unserem Schlafzimmer ein Bett auf. Her Pfarrer Dr. Simon kam nach dem Hochamt, gab Vater die letzte Ölung und hörte seine Beicht. Dann brachte er ihm die hl. Kommunion. Vater betete noch kräftig mit: „Die Seele Christi heilige mich“ usw. Dann wurde es ruhig. Später hielt er es nicht mehr im Bett aus und wollte aufstehen. Wir hatten geglaubt, es dauere noch einige Tage. Wir alle gingen deshalb zu Bett. Die Barmherzige Schwester wollte mir, wenn nötig, an der Schlafzimmertür klopfen. Es war ¾ 12 Uhr nachts. Die letzten Worte, die ich verstehen konnte, waren: „Ach Gott, was hat man auf der armen Welt!“ Ich war gerade im Bett, da klopfte die Schwester schon. Puls und Atem waren ganz schwach. Ich lief hinauf zu Mutter und Schwager Karl. Bis sie herunterkamen, war Vater bereits sanft und friedlich in die Ewigkeit eingegangen. Der liebe Gott wird ihm ein gnädiger Richter sein.

Ich könnte noch Seiten vollschreiben über all das Gute, das er hier auf Erden für seine Frau und Kinder und für all die Armen und Notleidenden, insbesondere für seine Kirche getan hat.

R.i.p.


Joseph Staab - seine Kinder und Enkel - Stand: 1930er Jahre
Aufzeichnung von Josef Nix


Anmerkungen:

Der Text und die Schreibweise entsprechen dem handgeschriebenen Original-Text. Der Text entstammt genealogischen Unterlagen von Josef Nix, die als Kopie vorliegen.

Das Foto und die Nachfahren-Darstellung von Joseph Staab entstammen dem Familienbuch von Josef Nix, welches er für jedes seiner Kinder in den 1930er Jahre anfertigte. Ein Exemplar befindet sich heute im Stadtarchiv Hofheim.


Abschrift: Wilfried Wohmann, Januar 2023.


Siehe auch Beitrag zum "Café Staab"



Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Wilfried Wohmann)



 

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