Karl Weiler
Ingenieur, Erbauer von Eisenbahnstrecken
* 5. Mai 1830 in Hofheim am Taunus
+ 7. September 1914 in Wiesbaden
Seine Eltern waren Philipp Joseph Weiler (1791-1867) und Elisabeth Klomann (1800-1855), die in Hofheim am Taunus ein gut gehendes Kolonialwarengeschäft betrieben.
Ausbildung
In Hofheim besuchte er bis Ostern 1843 die Volksschule, wechselte in die Realschule nach Mainz. Zu Ostern 1846 hatte er diese Schule absolviert und setzte seine Ausbildung in der „höheren Gewerbeschule“ in Darmstadt fort.
Karl Weiler beschrieb die Phase seiner Ausbildung selbst:
„Nach einem Examen kam ich in die zweite Klasse der Vorschule. Nach zwei Jahren hatte ich diese Vorschule erledigt. In die dritte Klasse derselben wurden auch höhere und niedere Geodäsie gelehrt, Statik und Mechanik waren nur elementar. Nach Ostern 1848 ging ich in den Baukurs über. Dieser wurde von einem Architekten geleitet, der Vorträge über Baumaterialienkunde und Kunstgeschichte hielt und die Arbeiten über Holz- und Steinverbindungen lehrte. Es wurden vorzugsweise Holzverbände (Dachstühle) gezeichnet. Unterricht im Modellieren in Ton und in Holz hatte in diesem Kursus auch einen Platz. Da eine weitere Ausbildung im Bau-Ingenieurfach hier nicht möglich war, so bezog ich zu Ostern 1850 die polytechnische Schule zu Karlsruhe, deren Studienjahr mit dem Oktober beginnt. Da ich zu Ostern ankam, so kam ich mitten in das Semester und da man die Darmstädter Schule nicht gleichwertig erachtete, so hatte ich mich einer Prüfung zu unterziehen, infolge der meine Aufnahme in den unteren Ingenieurkurs erfolgte. Die Wintervorträge hatte ich nach den Kollegienheften der Mitstudierenden nach zu arbeiten. Das Studium des Bau- und Ingenieurfachs in Karlsruhe war zweieinhalbjährig. Wenn ich daran zurückdenke, so staune ich über die primitiven Zustände in denen das Fach sich damals noch befand. Von theoretischer Begründung der Konstruktionen keine Spur. Man kopierte (pauste) die Plane ausgeführter Werke, um sich eine Sammlung anzulegen. Zwei Professoren leiteten den Ingenieurkurs, beide keine Leuchten der Wissenschaft. Eine rühmliche Ausnahme an der Schule bildete der Maschinenbau unter der Leitung des Professor Redtenbacher. So endete ich mit meinem Studium zu Ostern 1852 und ging zunächst nach Hofheim. Ich meldete mich nun zur Ablegung der nassauischen Staatsprüfung im Bau- und Ingenieurfach und bekam Einberufung dazu zum Januar 1853.“
Unterdessen hatte sich ergeben, dass eine englische Gesellschaft die Konzession zum Bau einer Eisenbahn von Wiesbaden, genauer gesagt von der Kurve bei Biebrich bis zur nassauisch-preußischen Grenze bei Niederlahnstein erhielt. Da das Herzogtum Nassau nur Ingenieure zum Bau und der Unterhaltung von Landstraßen und den Uferschutzbau an Lahn und Rhein bedurfte und deren Stellung aus der Sicht von Karl Weiler nur gering eingeschätzt wurde, so ging sein Bestreben dahin, bei der englischen Gesellschaft anzukommen. Das gelang ihm auch, er unterstützte zuerst den Geometer der Bahn bei seiner Arbeit in der Gemarkung Winkel (Rheingau). Es war für ihn eine angenehme und nützliche Beschäftigung, denn er machte sich dabei mit dem Umgang der geodätischen Instrumente gut bekannt.
Berufsleben und Familie
Nun ging es darum, sich zu entscheiden: Nassauisches Staatsexamen oder eine Anstellung bei der Bahngesellschaft. Er zog seine Meldung zum Examen zurück und kam in Stellung beim Büro des Chef-Ingenieurs der Gesellschaft Charles Vignoles, der hier durch seinen Sohn Hutton vertreten war. Die englische Gesellschaft war bemüht, die Konzession zum Weiterbau der Bahn nach Köln von Preußen zu erhalten, was ihr nach jahrelangem Bemühen aber nicht gelang. Die Folge war, dass die Aktionäre kein Geld zum Bau einer Sackbahn zwischen Wiesbaden und Niederlahnstein mehr hatten, der Bau der begonnenen Strecke zwischen Wiesbaden und Rüdesheim ins Stocken geriet, manchmal ganz aufhörte und sich bis ins Jahr 1856 hinzog. Eröffnet wurde die Strecke von Wiesbaden nach Rüdesheim mit einigen wenigen Personenwagen und zwei ausrangierten Tenderlokomotiven aus England.
Insgesamt war er bis zum Frühjahr 1869 bei der Gesellschaft Charles Vignoles tätig. Nach der Tätigkeit an der Rheinstrecke arbeitete er als leitender Ingenieur sieben Jahre am Bahnbau Indela - Bilbao in Spanien, dort wurden Arbeiten an verschiedenen Strecken in der Länge von 100 Kilometer ausgeführt.
In Amurrio (Prov. Alava) fand Karl Weiler sein privates Glück und schloss am 10. November 1860 mit Maria Asuncion Juana Felipe de Lezama y Urguijo den Lebensbund. In Spanien kamen die beiden ältesten Söhne zur Welt: Justo Felipe Toribi Juan (*1861) und Luis Gorgono (*1863).
Mit Frau und den zwei Buben reiste er 1865 nach Warschau (Polen), um dreieinhalb Jahre als erster Ingenieur beim Bahnbau Warschau – Terespol, einer Strecke von 200 Werst (altes Längenmaß im zaristischen Russland, 1 Werst entspricht 1,067 Kilometer, also in etwa einem Kilometer) tätig zu sein.
In Warschau wurde das dritte Kind, die Tochter Elisabeth (*1866) geboren. Das Jahr 1869 war er in Chemnitz, wo das vierte Kind, Maria (*1869) geboren wurde.
In den Jahren 1870 bis 1876 war er leitender Ingenieur der Libauer Eisenbahngesellschaft. Libau heißt heute Liepaja, ist eine Hafenstadt an der Ostsee im Westen Lettlands und heute die drittgrößte Stadt des Landes. Er führte zuerst beim Bau der Strecke von der Station Libau bis zur Station Dobikinia auf einer Länge von über 100 Werst aus und anschließend wurden ihm die Arbeiten für die Strecke Kalkuhnen bis Stawianischki auf einer Länge von über 90 Werst übertragen. 1872 wird er zum Oberingenieur und stellvertretenden Direktor der Libauer Eisenbahngesellschaft ernannt und leitet den Bahnbetrieb von 480 Werst. 1876 geht die Gesellschaft in andere Hände über und somit endete hier seine Stellung als Oberingenieur und Betriebsdirektor.
In Libau wird abermals ein Mädchen geboren: Adelaida. 1877 siedelte die Familie nach Wiesbaden über, wo im Juni das letzte Kind, Karola, geboren wurde. Wiesbaden war schon früher für einige Zeit der Aufenthalt der Familie gewesen, aber nur vorübergehend, jetzt wird es der bleibende Aufenthalt, aber nicht für den Vater, den ruft sein Schicksal noch für Jahre nach Russland. 1876 ist er Oberbeamter der Eisenbahn Kiew – Brest. 1879 ist er in Odessa, 1882 wird der Tunnel in Miechow gebaut, 1879 fährt er über Moskau nach Ribinsk an der Wolga und dann über Petersburg nach Wiesbaden, wo er schwer an Gallensteinen erkrankte und ein Anerbieten nach Wolhynien (heute Randgebiet Westukraine, Belarus und Polen) zum Bahnbau zu kommen, vorläufig ablehnen musste. Von seinem Gallensteinleiden wird er nach öfterem Gebrauch der Kur in Karlsbad vollständig geheilt. In denselben Jahren sucht ihn auch ein schweres bedenkliches Halsleiden heim, aber auch dieses Leiden übersteht er. 1887 hat er seine Krankheiten überstanden. 1884 ist er noch in Russland tätig und wird dort beim Tunnelbau Miechow von seinem Sohn Luis besucht, damit dürfte wohl seine Tätigkeit in Russland beendet gewesen sein, er lebte dann als Rentner in Wiesbaden.
Durch seine russische Tätigkeit hatte er sich ein ansehnliches Vermögen erworben, so dass den Kindern eine gute Erziehung zu teil wurde und er mit Familie sorgenlos in guten Verhältnissen leben konnte. Ehrenamtlich war er dann noch Jahre lang in Wiesbaden beim Gewerbeverein tätig. Seine Kinder sah er noch in guten Verhältnissen sorgenlos verheiratet. Adela, unverheiratet, widmete sich dem Chemieberufe und sorgte und pflegte die alten Eltern. Die Jüngste, Karola, schwer krank, musste er 1909 begraben, er selbst war ein gesunder Mann, 1,84 m groß, kräftig, nach seinen Pässen dunkle Haare, grau-blaue Augen. Die letzten Jahre erkrankte er an einem schmerzhaften Blasenleiden, schon vorher suchten ihn manche Schlaganfälle heim, die aber alle bis auf einen ohne weitere Folgen blieben. Der letzte beraubte ihn der Bewegung und der Sprache für Wochen. 1912/13 aber erholte er sich auch davon und war wieder ein eifriger Spaziergänger. Das Blasenleiden führte im August 1914 zu einer Operation, die wohl gelang, aber nach einigen Tagen den Tod herbeiführte, eine Erlösung von seinem und vor seelischen Leiden, starb doch vier Jahre darauf sein Sohn Luis auf der Rückreise von Siam (heute: Thailand). Ihn band nicht nur die väterliche Liebe an diesen Sohn, sondern auch die geistigen Interessen fanden bei den beiden ein großes gegenseitiges Verständnis und nicht zuletzt erlebte er so nicht den Verlust seines schönen, selbst erworbenen Vermögens, das zum großen Teil durch die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg vernichtet wurde, so dass zwar noch Mutter und Tochter von dem ganzen Rest ein bescheidenes Dasein ohne Not zu leiden, führen konnten.
Die Kinder
Justo (Justus) Weiler, geboren am 6. August 1861 in Llodio (Spanien). Mit neun Jahren kam er in eine Knabenschule mit Pensionat nach Biebrich (Künckler), dann in das Realgymnasium nach Wiesbaden bis Obersekunda. Um Kaufmann zu werden, ging er dann als Volontär nach Rotterdam, dann nach Bilbao, wo seine Verwandten mütterlicherseits lebten. Dann führte ihn 1885 sein Weg nach Fernando Póo. Von da kam er nach Duala (Westafrika) in die Hamburger Firma Jantzen-Thormälen & Co., dann 1902 bis 1930 nach Bibundi im Südwesten von Kamerun, wo er als Pflanzungsdirektor tätig war. Seine Ehe mit Maria Heide, die er 1902 schloss, blieb kinderlos. Das Ehepaar wohnte meist in Bibundi, von Zeit zu Zeit lebten sie auch in Hamburg, wo sie eine Wohnung hatten. Erst mit 70 Jahren beendete er seine Arbeit in den Tropen und siedelte sich als Rentner am Wohnsitz seiner Eltern in Wiesbaden an und führte ein zurückgezogenes Leben. Von 1905 bis zu seinem Tode im Jahre 1936 war er korrespondierendes
Mitglied des Nassauischen Vereins für Naturkunde, seit 1913 war er Ehrenmitglied.
Luis Weiler, geboren am 9. September 1863 in Amurrio (Spanien), nach dem Abitur am Realgymnasium in Wiesbaden, folgten Militärdienst und Studium an den Technischen Hochschulen in Hannover und Charlottenburg. Anschließend war er als Bauführer in Stettin und in Wiesbaden tätig, in Wiesbaden beim Bau der Schwalbacher Bahn. Weitere Stationen in seinem Leben waren:
- 1891/92 bei der Eisenbahndirektion Köln
- 1893-1897 Sektionsingenieur für die Bahnstrecke von Ayutthaya nach Hinlap, einem 65 km langen Teilstück der Koratbahn in Siam (heute: Thailand)
- 1898 Reise von Siam über China, Japan, Kanada, USA und Spanien nach Deutschland, wo er am 18. Juni 1898 in Wiesbaden Elisabeth Jung heiratete. Noch am Tag der Hochzeit erfolgt die Abreise nach Tsingtau (China), um am Bau der Schantung-Bahn mitzuwirken. Ihm wurden die ersten 60 Kilometer als Sektion zugeteilt. Im Juni 1901 verließ er China und gelangte über Sibirien nach Deutschland.
- Oktober 1901 bis März 1903 bei der Eisenbahndirektion Köln
- März 1903 bis Februar 1904 in Palästina: Bau der Haifa-Bahn, einer Anschlusslinie der Hedschasbahn, die Damaskus mit Mekka und Medina verbinden sollte.
- Am 1. Juli 1904 wurde er für 13 Jahre Generaldirektor der siamesischen Staatsbahn. Unter seiner Leitung wurde der Ausbau der Eisenbahn in Thailand weiter vorangetrieben. In rund fünf Jahren wurde das Streckennetz von 457 km auf 925 km mehr als verdoppelt.
- 22. Juli 1917 Internierung infolge der Kriegserklärung Siams an Deutschland.
- 1. Oktober 1917 vorzeitige Entlassung wegen Erkrankung.
- 21. Dezember 1917 Antritt der Heimreise.
- 16. Januar 1918 gestorben auf See an Bord des dänischen Schiffes „Magdala“ bei Lourenco Marques vor der Ostküste Afrikas.
Technikgeschichtliche Bedeutung hat die briefliche Korrespondenz mit seinem Vater. Diese wird heute im
Deutschen Museum in München aufbewahrt. Da auch Karl Weiler Eisenbahningenieur war, tauschten sich Vater und Sohn als technische Fachleute aus. Luis Weiler versah diese Briefe mit zahlreichen detaillierten Zeichnungen. Diese Briefe Weilers sind die einzige umfassende und über Jahre gehende Dokumentation eines im Ausland tätigen deutschen Ingenieurs.
Elisabeth Weiler, das dritte Kind, 1866 in Warschau geboren, besuchte in Wiesbaden die höhere Töchterschule, kam dann in ein Pensionat nach Neuchatel, Schweiz, zu ihrer weiteren Ausbildung. 1891 heiratete sie den holländischen Ingenieur A. Stoffels, der als städtischer Baumeister in Wiesbaden angestellt war. A. Stoffels war eine Zeit lang in Mittelamerika am Panamakanal tätig. Nach seiner Verheiratung zog er dauernd nach Holland, wo er sowohl Ingenieur als auch in späteren Jahren als Gewerbe- und Wohnungs-Inspektor war. Dieser Ehe entsprossen drei Söhne.
Maria Weiler, 1869 in Chemnitz geboren, besuchte die höhere Töchterschule in Wiesbaden, kam dann in das Haushaltungspensionat auf Nonnenwerth, das von Franziskanerinnen geleitet wurde. Sie verheiratete sich 1900 mit dem Kaufmann Rodolpho Wagner in Santos (Brasilien), das ihre zweite Heimat wurde, aber das ihr die deutsche Heimat nicht ersetzen konnte.
Adelaida Weiler, das fünfte Kind, 1871 in Libau (Lettland) geboren, besuchte die Töchterschule, kam dann auch ein Jahr nach Nonnenwerth, sie blieb unverheiratet und konnte dadurch sich, trotz eines Berufes, deren Ausführung sie nicht von Wiesbaden entfernte, der Pflege der Eltern widmen. Sie blieb nach dem Tode derselben im elterlichen Haus vorläufig wohnen, sie freut sich stets, wenn die Neffen das großelterliche Haus für Stunden und für Tage und Wochen aufsuchen.
Karola Weiler, die Jüngste, 1877 in Wiesbaden geboren, hatte so ziemlich dieselbe Erziehung. Sie erkrankte schon als Kind und blieb trotz der besten Pflege leidend, bis der Tod sie im Alter von 32 Jahren erlöste.
Quellen:
Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim am Taunus (Wilfried Wohmann)