Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!

 

Hofheimer Personen

 


Foto: Stadtarchiv Hofheim

Hans Ulrich Colmar


Schulleiter und Historiker, Übersetzer der Gerichtsbücher von Hofheim, hat die "Tore weit in die Vergangenheit geöffnet"


* 18. September 1935 in Kaulstoß am Vogelsberg
+ 3. April 2010 in Affhöllerbach


Hans Ulrich Colmar, Studiendirektor, später der Leiter der Gesamtschule Am Rosenberg in Hofheim, besuchte im Sommer 1985 das Stadtarchiv Hofheim auf der Suche nach alten Gerichtsakten. An seinem Urlaubs- und Heimatort Affhöllerbach im Odenwald hatte er bereits eine Leidenschaft zum Erforschen und Auswerten alter Archivalien entwickelt.

In den bis dahin unlesbaren Hofheimer Gerichtsbüchern (1425 - 1710) sah er seine Aufgabe, die sich bald quantitativ und qualitativ zu seinem Lebenswerk entwickelte. 2.500 Blatt, gefüllt mit frühneuhochdeutschem Vokabular in gotischer Kursivschrift (Bastarda), juristische und lateinische Abkürzungen - in einem späteren Pressebericht von ihm als „Geschnörkel“ bezeichnet - konnten ihn nicht beeindrucken. Für die Entzifferung des ersten Blattes benötigte er ein halbes Jahr, bald danach nur noch geschätzte zwei Minuten. Neben der so wichtigen Transkription des ältesten Gerichtsbuch (1425 - 1500), begann er gleichzeitig mit den Auswertungen nach Themen wie zum Beispiel: Rechtsbräuche, Gegenstand der Protokolle, Berufe/Handwerk, genealogische Auswertungen, kulturgeschichtliche Aspekte.  

Durch seine Arbeit erschloss er neue Informationen und Rückschlüsse auf das Leben und Zusammenleben der Einwohner im 15. und 16. Jahrhundert.  

Hierzu eine Literaturbesprechung von Arnold Erler zu „Das älteste Hofheimer Gerichtsbuch“, in: Nassauische Annalen 100/89:  

„Insgesamt hat Colmar einen unentbehrlichen Schlüssel zu einem fast vergessenen Kulturgut aus dem Hofheimer Stadtarchiv geliefert ... Zugleich wurde durch die Gründlichkeit im Detail eine wichtige Vorarbeit zu der - bislang ungeschriebenen - Geschichte der Stadt Hofheim geliefert und darüber hinaus eine reiche Fundgrube für die Regionalgeschichte der Main-Taunus-Region.“  

1992 folgte die Bearbeitung des Diedenberger Gerichtsbuches und 1997 die Bearbeitung und Veröffentlichung des „Hofheimer Weisthums“ aus dem 15. Jahrhundert - bis dahin „verschollen“. Bei der Transkription des zweiten Hofheimer Gerichtsbuches (1500 - 1593) hatte Hans Ulrich Colmar festgestellt, dass dieses erst mit Seite 16 beginnt und gleich danach leere Blätter bis Seite 24 folgen. Bei der Neubindung des Buches 1951 waren einige Blätter vergessen und andere fehlerhaft beigebunden worden.  

Seine Suche nach den „fliegenden Blättern“ wurde belohnt durch den Fund von 13 beidseitig beschriebenen Blättern, dem „Hofheimer Weisthum“.  

Dieses „Weisthum“ (Stadtrecht) gibt um 1500 gültiges Recht wieder und geht vermutlich auf mündlich überlieferte Rechtsgewohnheiten zurück. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um die Aufzeichnung von Rechten und Freiheiten, die die Einwohner der Stadt und des Amtes Hofheim (das waren um 1500 die Orte Hattersheim, Zeilsheim, Münster, Kriftel sowie Marxheim zur Hälfte) gegenüber dem Gerichtsherrn einforderten, d.h. dem Grafen von Eppstein bzw. dem Mainzer Domstift. Aus Anlass von Streitigkeiten wurde dann das geltende niedergeschriebene Recht durch Urteilsspruch des Schöffengerichts förmlich festgestellt, das heißt „gewiesen“ - daher der Name Weisthum.  

Für Hofheim überrascht es mit einer langen Gültigkeitsdauer - eine erneute Abschrift befindet sich in dem Ungebots-Protokoll aus dem Jahr 1695.  

Ob in Büchern oder Aufsätzen, Hans Ulrich Colmar gab sich nicht mit dem bereits Bekannten zufrieden. Er ging zu den Wurzeln, das heißt im archivarischen Sinne zu den Quellen. Seine Entdeckungen zeigten völlig neue Perspektiven, aber auch Fehler und menschliche Schwächen. So gibt es bis heute die Legende vom „Räuberberg“, auf dem 1667 eine Kapelle gebaut wurde. Tatsächlich war der Name dieses Berges seit dem 15. Jh. bis zu Beginn des 18. Jh. immer „Raupenberg“. Für ihn somit eine „Räuberpistole“, auf die reihenweise auch renommierte Heimatforscher hereingefallen waren.  

Auch die Geschichte des Büttelturmes schrieb er neu. Angeblich schon sehr früh als Synagoge genutzt, wissen wir jetzt, dass dies erst ab frühestens 1795 der Fall gewesen sein kann und die erste jüdische Synagoge und Judenschule bis 1781 in der Judengasse (ab 1933 Webergasse) stand.  

Weitere Themen waren die Untaten des Hofheimer Kellers Johann Zolp im Jahr 1531, bekannt als Säufer und Messerheld, der wegen Amtsmissbrauchs und Psychoterror gegenüber einer wehrlosen Witwe vor Gericht musste (zwei Jahre später erfolgte seine Absetzung), oder die stadtbekannte Liebesaffäre des Hofheimer Pfarrers Johann Hase mit Fritzen Anselms Ehefrau Katharina im Jahr 1469 (endete zu ihrem Nachteil).  

Hans Ulrich Colmar betrieb seine Forschungen mit unendlicher Geduld, Ernsthaftigkeit, wissenschaftlicher Akribie und mit jener Art von hintergründigem bis zartschwarzem Humor, der anscheinend besonders historisch Interessierten zu eigen ist.  

Seine Arbeiten zum zweiten Hofheimer Gerichtsbuch konnte er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr fertig stellen. Frau Colmar übergab am 2. Dezember 2003 seine gesamten Ausarbeitungen zu den Hofheimer Gerichtsbüchern dem Stadtarchiv. Sein geistiges Werk sollte anderen Geschichtsforschern zu Verfügung stehen, damit das Werk beendet werden kann. Mit zwei ehrenamtlichen Mitstreitern gelang dem Stadtarchiv die Vollendung des Buches. Die Einarbeitung war extrem mühsam, Hans Ulrich Colmar begleitet diese Arbeit mit seinen Korrekturen. Im Dezember 2005 ging das zweite Hofheimer Gerichtsbuch in Druck.  

Am 30. November 2006 erhielt Hans Ulrich Colmar für seine herausragenden, jahrelangen und ehrenamtlichen Bemühungen um die Erforschung der Stadtgeschichte, insbesondere der Bearbeitung der Gerichtsbücher, den Ehrenring der Stadt Hofheim in Gold.  

Hans Ulrich Colmar starb am 3. April 2010. Er lebte zuletzt in seinem Heimatort Affhöllerbach im Odenwald. Seine Arbeiten haben für Hofheim am Taunus die Tore in die Vergangenheit weit geöffnet.


Beiträge von Hans Ulrich Colmar auf unserer Webseite:

 


Quelle:
Stadtarchiv Hofheim am Taunus, Roswitha Schlecker, 2010.
Ortsfamilienbuch Affhöllerbach: https://ofb.genealogy.net/affhoellerbach/?lang=de

Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim am Taunus (Roswitha Schlecker)


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