Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!


Hofheimer Personen

 


Dr. Erika Haindl

Foto: Erika Haindl


Kulturanthropologin, Frauenrechtlerin, Denkmalschützerin, Kommunalpolitikerin

* 27. April 1931 in Frankfurt am Main - Höchst
+ 28. April 2019 in Hofheim am Taunus


Dr. Erika Haindl hat in ihrem langen Leben in Hofheim ein ungewöhnlich breites Spektrum an gesellschaftlichen, kulturellen und spirituellen Interessen entwickelt. Sie hat es aber auch durch ihre Überzeugungskraft und Beharrlichkeit verstanden, viele Menschen für ihre Ideen zu gewinnen und mit ihnen gemeinsam in konkretes Handeln umzusetzen. An ihrer Seite stand bei den meisten Initiativen und Projekten ihr Ehemann Hermann Haindl (* 1927, + 2013), der sich durch eine vergleichbare Überzeugungskraft und Beharrlichkeit auszeichnete. Daraus sind einige Institutionen und Entwicklungen entstanden, die das geistige und sichtbare Bild Hofheims dauerhaft prägen.

Sie kam als Erika Mehlhorn am 27. April 1931 in Frankfurt-Höchst zur Welt und verbrachte schon ihre Kindheit und Jugend in Hofheim. Nach der Schule absolvierte  sie eine Ausbildung als Hauswirtschaftsleiterin, übte den ungeliebten Beruf aber nur kurz aus. 1955 heiratete sie den Bühnenbildner und Maler Hermann Haindl. In den ersten Jahren stand für Erika Haindl die Fürsorge für die beiden Söhne Martin und Rainer im Vordergrund. Ende der 1960er Jahre begann sie aber, sich ihren eigenen vielfältigen Interessen aktiv zu widmen.

Auf dem in Hessen damals schon möglichen zweiten Bildungsweg holte sie das Abitur nach und begann an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt das Studium der Kunstgeschichte und Vor- und Frühgeschichte, wechselte später aber zum Hauptfach Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie. In diesem Fach promovierte sie bei Prof Dr. Ina-Maria Greverus 1983 zum Thema „Kulturanalyse einer „historischen“ Kleinstadt …“. Diese Kleinstadt war natürlich ihre Heimatstadt Hofheim.

Sie wurde danach Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte  am Institut für Kulturanthropologie der Universität  Frankfurt mit einer steigenden Nachfrage nach Seminaren, Aufsätzen und Vorträgen, insbesondere zum Thema Denkmalschutz und Stadterneuerung.  Sie erhielt 1983/84 eine Gastprofessur an der Gesamthochschule Kassel. 1992 wurde sie ins  Wissenschaftliche Kuratorium der „Bayerischen Akademie Ländlicher Raum“ berufen, mit größeren Forschungsprojekten in Bayern. Sie veröffentlichte 1994 ein historisches Buch über die bayerische Gemeinde Neustadt am Main. Bis 1999 blieb sie in diesem Kuratorium. Ihr Engagement für den ländlichen Raum in Bayern ist in Hofheim kaum wahrgenommen worden, obwohl es sehr erfolgreich gewesen ist. 2001 wurde sie zum Ehrenmitglied der Akademie ernannt und wurde mit der goldenen Ehrennadel der Akademie ausgezeichnet

Schon während ihrer Weiterbildung übernahm sie neue gesellschaftliche Aufgaben in Hofheim. 1966 wurde – auch auf Initiative ihres Ehemanns Hermann Haindl – der Kunstverein Hofheim gegründet. 1969 übernahm Erika Haindl den Vorsitz des Vereins und übte ihn dann 18 Jahre lang bis 1986 aus. Sie hatte also in Hofheim schon einen größeren Bekanntheitsgrad erreicht, als sie vor der Kommunalwahl 1972 von Hofheimer Parteien umworben wurde, für die Stadtverordnetenversammlung zu kandidieren. Sie trat aus Überzeugung – wie sie es selbst bei ihrer Ehrung für 40 Jahre Mitgliedschaft beschrieben hat – in die SPD ein und blieb dieser Partei bis zum Lebensende treu. Sie wurde bei der Wahl 1972 Hofheimer Stadtverordnete und blieb es zwei Wahlperioden lang bis 1981. Danach kandidierte sie mit Erfolg für den Kreistag des Main-Taunus-Kreises, dem sie bis 1985 angehörte.

Schon vor der Kommunalwahl 1972 war die Sanierung der Altstadt ein beherrschendes Thema der Hofheimer Kommunalpolitik. Im Geist der damaligen Zeit hatte die Stadtverordnetenversammlung 1963 beschlossen, dem so genannten Wasserfurth-Plan als Planungsgrundlage für eine Flächensanierung zuzustimmen, der den Abriss großer Teile der Altstadt vorsah. Dem wachsenden Protest in der Bevölkerung gegen diese Pläne schloss sich auch das Ehepaar Haindl an. 1974 wurde die „Bürgervereinigung Hofheimer Altstadt“ gegründet, in der Haindls bald aktiv waren. Von 1976 bis 1988 wurde Erika Haindl Mitglied der Altstadtkommission der Stadt. Auch um ein praktisches Zeichen zu setzen erwarb das Ehepaar Haindl 1977 den sanierungsbedürftigen bäuerlichen Hof in der Hauptstraße 21. Nach der aufwändigen Sanierung des Hofes wurden sie und ihre mit ihnen eng befreundeten Nachbarn Elke und Klaus Lamm 1979 mit dem „Deutschen Preis für Denkmalschutz“ ausgezeichnet. 1982 folgte dann noch der Erwerb und die denkmalgerechte Sanierung einer Fachwerkscheune in der Bärengasse.

Die Denkmalpflege blieb für viele Jahre ein wichtiges Wirkungsfeld für Erika Haindl. 1976 bis 1999 gehörte sie dem Denkmalrat der unteren Denkmalschutzbehörde des Main-Taunus-Kreises an. Von 1980 bis 1999 war sie 2. Vorsitzende des Förderkreises Denkmalpflege im Main-Taunus-Kreis und von 1984 bis 1999 für die Universität Frankfurt Mitglied im Denkmalrat des Landes Hessen.

Neben ihren wissenschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Aktivitäten hat sich Erika Haindl etwa ab 1983 zusammen mit ihren Ehemann ein neues, geistig-spirituelles Wirkungsfeld erschlossen, auf dem sie in Hofheim auch bleibende Spuren hinterlassen hat. Ausgangspunkt war wohl eine Veranstaltung mit indianischen Medizinmännern in Bayern, der Reisen zu den Indianern des Hopi-Stammes in den USA, aber auch Gegenbesuche von indianischen Clanmüttern und Chiefs in Hofheim folgten. Die indianische Menschenrechtsaktivistin Janet McCloud wurde ihre spirituelle Mentorin. Das Streben nach Ganzheitlichkeit mit einem umfassenden Aspekt von geistiger Orientierung sah Erika Haindl als wichtige ethische Grundlage für ein Gemeinwesen und für jeden Einzelnen an. Zusammen mit Hermann Haindl entschied sie sich dazu, ihr Wissen und ihre Erfahrungen auf diesem Gebiet nicht für sich zu behalten, sondern allen Interessierten zugänglich zu machen. Sie gründeten in Hofheim 1987 zusammen mit Gleichgesinnten den Verein „Zentrum für neues und altes Wissen und Handeln e. V.“, der ihr Vermächtnis bewahrt.  Der Verein bietet, auch in der Haindl-Scheune in der Bärengasse, u. a. Vorträge und Lesungen, Astrologie- und Tarot-Kurse, Kräuterwanderungen und Wanderungen zu Kraftorten oder meditative Kreistänze an.

Auch eine alternative Medizin hat Erika Haindl für sich erschlossen und ihre Erkenntnisse an andere weiter gegeben. Sie war von der Bach-Blütentherapie fasziniert, die von dem englischen Arzt Edward Bach (* 1886, + 1936) entwickelt wurde. Sie hat dazu, illustriert von Hermann Haindl, ein in mehreren Auflagen erschienenes Buch geschrieben, das inzwischen als Standardwerk gilt. Die Faszination des Tarot teilte sie mit Hermann Haindl, der die 78 Tarot-Karten künstlerisch neu interpretierte und als Kartensammlung herausgab. Sie schrieb 1992 zusammen mit Ricarda Scherzer einen Kommentar dazu. Bücher wie „Die Heilkraft der Rituale – weibliche Energien stärken“ ergänzten die Vielfalt ihrer Interessen.

Erika Haindls Initiative war es zu verdanken, dass das Schicksal der in der frühen Neuzeit (von 1598 bis 1613) im Kurmainzer Amt Höchst-Hofheim  als Hexen gefolterten und hingerichteten Frauen wieder dauerhaft ins öffentliche Bewusstsein Hofheims gerückt wurde. Anlässlich ihres 70. Geburtstages stiftete sie zum Gedenken an diese Frauen das von der Bildhauerin Wanda Pratschke gestaltete Bronzerelief, das 2001 am so genannten Hexenturm in Hofheim enthüllt wurde. An der Feier waren der Verein „Zentrum für neues und altes Wissen“ und der Verein „Frauen helfen Frauen im Main-Taunus-Kreis“ beteiligt. Sie setzen getreu der Forderung auf dem Relief „Heilung braucht Erinnerung“ seit dem die Gedenkveranstaltung, in Verbindung mit wissenschaftlichen Vorträgen zum Thema, jährlich fort. 2010 initiierte  Erika Haindl die Arbeitsgruppe „Erinnerung allein genügt nicht“ zur Rehabilitation der als Hexen verurteilten Frauen. Ihre Anregung führte dazu, dass die Stadtverordnetenversammlung Hofheim im November 2010 eine Resolution gegen Gewalt an Frauen einstimmig annahm, mit der den Opfern der Hexenverfolgung eine moralische Rehabilitation ausgesprochen wurde.  2011 stiftete der Verein „Zentrum für altes und neues Wissen“ für den Hexenturm eine zweite Bronzetafel mit den Namen der verurteilten Frauen.

Aus Anlass ihres 80. Geburtstages verlieh die Stadt Hofheim Erika Haindl 2011 den Goldenen Ehrenring der Stadt als Anerkennung und Dank für ihre Verdienste Außerdem wurde sie 2011 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Sie starb am 28. April 2019 in Hofheim, einen Tag nach ihrem 88. Geburtstag.

Quellen:

Erika Haindl: 40 Jahre SPD. Warum bin ich in die SPD eingetreten? Persönliche Auskunft anlässlich ihrer Ehrung für 40 Jahre Mitgliedschaft 2012 durch den SPD-Ortsverein Hofheim.

Dickhaus, Jürgen: Die Wurzeln reichen tief. Das „Zentrum für altes und neues Wissen und Handeln“ besteht seit 30 Jahren. Hofheimer Zeitung, 13. 10. 2017, S. 3.

N. N.: Erika Haindl ist tot. Nachruf: Eine herausragende Persönlichkeit Hofheims verstirbt einen Tag nach ihrem 88. Geburtstag. Hofheimer Zeitung, 3. 5. 2019, S. 5.

https://de.wikipedia.org/wiki/Erika_Haindl

https://de.wikipedia.org/wiki/Bach-Bl%C3%BCtentherapie

https://zentrumhofheim.de/

Schriften (Auswahl):

Haindl, Erika: Kulturanalyse einer "historischen" Kleinstadt als Grundlage für kommunalpolitische Planungs- und Sozialaufgaben. Dissertation, Frankfurt a. M., 1983.

Haindl, Erika: Ich liebe diese Stadt. Hessische Heimat, Neue Folge. 38. Jahrgang, 1988. (erschienen zum Hessentag 1988 in Hofheim).

Haindl, Erika: Neustadt am Main. Biographie eines Dorfes.

Verlag: Würzburg : Echter Verlag, 1994.

Haindl, Erika: Zauberglaube und Hexenwahn. Gegen das Vergessen der Opfer der Hexenprozesse im Kurfürstlich-Mainzischen Amt Hofheim im 16. und 17. Jahrhundert. Hofheim am Taunus, 2001.

Haindl, Erika: Bachblüten. Begegnung mit Heilkräften.

Verlag: Neue Erde, Saarbrücken, 2005.

Erika Haindl: Die Heilkraft der Rituale - Weibliche Energien stärken.

Verlag: Via Nova, Verlag 2008.

Haindl, Erika: Zu meinem 80. Geburtstag. Zwanzig Jahre Berufstätigkeit und mehr. Vorträge und Artikel. Selbstverlag. Hofheim, April 2011.

Schriften als Koautorin:

Greverus, Ina-Maria, Haindl, Erika: Versuche, der Zivilisation zu entkommen.

Verlag: C.H. Beck, 1983.

Greverus, Ina-Maria, Haindl, Erika: ÖKOlogie – PROvinz – REGIONnalismus. In der Reihe NOTIZEN des Instituts für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt a. M., 1984.

Haindl, Erika; Landzettel, Wilhelm: Heimat - ein Ort irgendwo? Mensch, Dorf, Landschaft. Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Materialien zur ländlichen Neuordnung, Heft 28

Verlag: München : Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, 1991.

Haindl, Hermann, Ricarda Scherzer und Erika Haindl: Hermann Haindl und seine Welt des Tarot. Verlag: Idstein/Ts., Baum-Publications, 1992.

Haindl, Erika, Haindl, Hermann: Das Wunder der Bachblüten. Begegnung mit heilenden Kräften. München, 1997.

Erika und Hermann Haindl: Der Sinn des Lebens ist zu sein - Mantras und Aquarelle

ISBN 10: 3780606305 / ISBN 13: 9783780606303.

Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim am Taunus (Dieter Reuschling)
Foto: Haindl, Erika: Zu meinem 80. Geburtstag. Zwanzig Jahre Berufstätigkeit und mehr. Vorträge und Artikel. Selbstverlag. Hofheim, April 2011.


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