Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!


Auflösung des Rätsels: Belegschaft Café Staab in den 1950er Jahren - Kindheitserinnerungen an das Café Staab



Auflösung des Rätsels

Die bisher bekannten Personen auf dem Bild sind:


Obere Reihe, v.l.n.r.: Ria Krupp aus Hofheim und Frau Sternberger aus Langenhain (Bedienung)

2. Reihe von oben, v.l.n.r.: Frau Rustler (Haushaltshilfe), Kathi Tillmann (?) aus Langenhain (Bedienung), Günther Hamann aus Hattersheim (Konditorlehrling)

3.Reihe von oben, v.l.n.r.: Ellis Hornung (Putzfrau), Hiltrud aus Kriftel (Verkäuferin)

Untere Reihe, v.l.n.r.: Hildegard Staab (Tochter), Franz Staab (Seniorchef), Alma (Praktikantin), Berni Staab (Hugos Gemahlin), Hugo Staab (Konditormeister)

Wir danken allen, die uns bei der Lösung des Rätsels geholfen haben.

Foto vom Foto: Ingrid Krupp

Kindheitserinnerungen an das Café Staab in Hofheim am Taunus

von Dr. Ingrid Krupp M.A.

Ein Beitrag zum Foto der Belegschaft des Café Staab aus dem Ende der 50er Jahre.

Das Café Staab besaß für mich in meiner Kindheit einen ganz großen Stellenwert. In Begleitung meiner Eltern oder Großeltern die Tür zwischen den beiden Schaufenstern zu öffnen, (rechts das der Konditorei und links das des Fotogeschäftes Potempa) glich jedes Mal einem ganz erhabenen Moment.

In dem Verkaufsraum bot die hell erleuchtete Kuchentheke mit all ihren erlesenen Köstlichkeiten das Gefühl, am Ende aller Träume zu sein. Dahinter standen die stets freundliche Verkäuferin (3. Reihe von oben, 2. von links) und Berni Staab (untere Reihe, 2. von rechts) bereit, alle Wünsche versiert und rasch zu erfüllen, so dass selbst bei „Hochbetrieb“ kein Gefühl des Wartens aufkam. Außerdem gab es gegenüber den auszuwählenden Torten und Gebäckstücken in den beiden, zur Linken in die Wand eingetieften Vitrinen, römische Fundstücke zu bestaunen. Diese Antiquitäten brachte der Seniorchef, Franz Staab (untere Reihe, 2. von links) von seinen Ausgrabungen in Hofheim mit. Seine zweite Leidenschaft, mit der er sich für die Hofheimer Geschichte große Verdienste erwarb.

Man konnte den Kuchen natürlich auch gut verpackt mit nach Hause nehmen, doch ein Besuch im Café war das eigentliche Highlight. Von Hiltrud, der Verkäuferin, erhielt man einen Gegenbeleg aus Papier mit einer Nummer darauf, damit das Ausgesuchte am Tisch auch den richtigen Besitzer fand.

Wenn man bereits genau wusste, was man bestellen wollte, konnte man natürlich auch schnurstracks über den roten Läufer auf die Schwingtür zugehen und den unteren Gastraum betreten, besonders wenn die Klänge der Kaffeehausmusik schon dazu verlockten. Sonntag nachmittags spielten z.B. mein Vater, der Hofheimer Maler und Pianist Hermann Krupp und der Geiger Josef Freund bekannte Weisen zum gemütlichen Kaffee- und Kuchengenuss.

Geiger Josef Freund und Pianist Hermann Krupp spielen „Kaffeehaus-musik“ - Foto vom Foto: Ingrid Krupp
Das schwarze Klavier hatte seinen Platz an der Wand links vom Eingang unweit der Tür zum Garten, vor der die Belegschaft auf der dortigen Steintreppe zum Fototermin Aufstellung genommen hatte.

Wenn alle Tische im unteren Raum besetzt waren, konnte man es sich auch in dem kleinen, etwas zurückgesetzt und vertieft zur Straße gelegenen Garten gemütlich machen. Dort saß man angenehm an Gartentischen und -stühlen in kleinen, von Ligusterhecken eingegrenzten Gevierten. „Open Air“ genießen war auch auf der Dachterrasse des Cafés möglich, die den oberen Gastraum umschloss. Von hier hatte man außerdem einen guten Blick auf die Straße vom Bahnhof und zur Schwarzbachbrücke. Man vermochte beispielsweise die Pendlerströme zu beobachten, die nach getaner Arbeit aus Bus und Bahn in die Innenstadt strebten oder die Brücke hinauf in Richtung Marxheim gingen. Ein paar Autos waren auch auf der Straße, aber in den 50er Jahren ging man hauptsächlich noch zu Fuß und von einer Einbahnregelung um den Bahnhof war auch noch nicht die Rede. Im Freien hörte man bisweilen auch das Schnaufen der Dampfloks, wenn sie vom Bahnhof in Richtung Lorsbach anfuhren. Und das signifikante Pfeifen warnte vor allem die Fußgänger, nicht auf der Brücke zu sein, wenn die Lok diesen Abschnitt der Brücke passierte, denn der heiße Dampf war nicht nur unangenehm, es konnten auch glühende Funken dabei sein.

Sollte es wider Erwarten einmal regnen, fand man in dem oberen Gastraum des Cafés stets genügend Platz, sollten einmal die Tische im unteren Raum alle vergeben sein oder wenn man höher gelegenen Räumen den Vorzug gab.

Zum Café Staab habe ich neben den Besuchen als Gast und leidenschaftlichem Sahnetortenesser auch persönliche Bezüge. Hier feierte ich mit den Töchtern des Hauses und vielen anderen Kinder z.B. gerne Fasching.

Kinderfasching im Café Staab 1956 oder 57. Im Vordergrund v.l.n.r.: Berni Staab, Ingrid, Ria und Hermann Krupp. Die Erwachsenen versuchen die kleine, enttäuschte Ballerina zu trösten. - Foto vom Foto: Ingrid Krupp


Kinderfasching 1956 oder 57 im Café Staab. Eine sehr interessante Aufnahme von Hugo Staab. Er fotografierte die auf der Treppe sitzenden Kinder nämlich über einen großen Spiegel, der über der Treppe an der Wand hing. - Foto vom Foto: Ingrid Krupp


In den 50er Jahren kannte man sich noch in Hofheim und es war üblich, dass man sich gegenseitig unter die Arme griff, wenn Not am Mann war. Meine Mutter, Ria Krupp (oberste Reihe 1. von links), war Platzanweiserin bei den Capitol-Lichtspielen, ein „Job“ wie man heute sagt, der frühestens nachmittags begann, aber bis in die sehr späten Abendstunden dauern konnte. Also half sie eine Zeitlang morgens, die Gasträume zu reinigen und ich begleitete sie. Das „Zuschauen“ fiel mir allerdings schwer. Ich wollte so gerne „mithelfen“.

Als das schöne, ein Liter Senf fassende weiße Emaile-Eimerchen endlich frei wurde, durfte ich es als Putzeimer nutzen und endlich mittun. Die Fußabsteller und Handtaschen-Ablagen an den Tischen waren mein „Aufgabengebiet“. Dafür erhielt ich zur Belohnung ein ganz frisch, von Konditormeister Hugo Staab (untere Reihe, 1. von rechts) persönlich gebackenes Baiser.

Blick in den rückwärtigen Teil des unteren Raumes in den 50er Jahren. Mitarbeiterrunde nach Dienstschluss. Die Aufnahme hat wahrscheinlich Hugo Staab gemacht. Am Tisch sitzen 2. u. 3. von rechts: Hermann und Ria Krupp - Foto vom Foto: Ingrid Krupp


































Eines Tages durfte ich sogar die große Backstube im Untergeschoss des Wohnhauses besichtigen. Der Seniorchef Franz Staab (untere Reihe, 2. von links) zeigte mir persönlich seinen großen, schwarzen Backofen, der mir damals riesig vorkam, auch lies die hohe Decke des Raumes mir die Backstube wie eine Kathedrale erscheinen. Dieses Ereignis hat mich nachhaltig beeindruckt.

Franz Staab habe ich nicht nur wegen seiner außerordentlichen Backstube sehr bewundert. Als er am Schmelzweg die Archäologische Ausgrabung begleitete, besuchte ich ihn gemeinsam mit meinem Vater öfter, um uns die Fortschritte erklären zu lassen. Von unserer Wohnung in der Sindlinger Straße war das ein Katzensprung. Eines Tages schenkte er mir eine gerade gefundene Terra-Sigillata-Scherbe mit einem Namensfragment. Ich habe sie bis heute in treuem Angedenken sorgsam aufbewahrt. Wahrscheinlich verdanke ich ihm, später Archäologie als Nebenfach studiert zu haben.

In der neben der Backstube gelegenen, großen Küche des Hauses durfte ich dann einmal miterleben, wie Frau Staab Senior ihr schönes, unendlich langes Haar gekämmt und zu einem Zopf geflochten bekam. Die Länge des Haares beeindruckte mich tief. Ausgeführt hat dies eine Hausangestellte. Meines Erachtens war es jene stets tief ernst dreinblickende Frau, die auf dem Foto in der 2. Reihe von oben ganz links steht. Ihren Namen habe ich nicht gekannt.

In der Backstube ein- und auszugehen, dazu war nur der Konditorlehrling befugt, worauf dieser auch sehr stolz war und es uns mitunter spüren ließ. Der große, schlanke Bursche hat mich öfter geneckt, was mir gar nicht gefiel (2. Reihe, 1. von rechts).

Von der meines Wissens für die Sauberkeit des Wohnhauses zuständigen Putzfrau (3. Reihe, 1. von links) kann ich nur berichten, dass sie nach getaner Arbeit immer recht kurz angebunden war und in Zeitnot erschien. Mit mir hat sie daher niemals ein Wort gewechselt, weswegen ich ihren Namen auch nicht kannte.

Ganz besonders gemocht habe ich die sehr sympathische Bedienung Kathi aus Langenhain (2. Reihe von oben, 2. von links). Mit ihr habe ich mich gerne unterhalten, weil sie immer ein offenes Ohr auch für die Wünsche von uns Kindern hatte. Ihren Nachnamen habe ich leider nicht gekannt.

Die zweite Bedienung hieß Frau Sternberger, wenn ich mich recht erinnere. Sie wirkte auf uns Kinder etwas unnahbarer, trotz ihres freundlichen Wesens.

Im Café Staab arbeitete eine Großfamilie, erweitert um ihre treue Belegschaft, dafür, dass die Gäste sich dort wohlfühlten und neben erlesenem Gaumengenuss auch ein innovatives Kulturangebot genießen konnten. Es gab stets neue Events musikalischer Art und künstlerischer Natur. Auch mein Vater hat seine Bilder im Café ausgestellt.

Nicht zuletzt trugen selbst wir Kinder zu allem unser Scherflein bei. Das hat die zweitälteste Tochter von Berni und Hugo Staab, Hildegard, (unterste Reihe, 1. von links), unbewusst dokumentiert, indem sie sich ganz heimlich von links ins Bild schlich. Wir anderen Kinder hatten dem Ereignis folgsam im Garten gegenüber beigewohnt und dem Eingriff in die geplante Szenerie sprachlos zugesehen. Hildegard bekam hinterher ordentlich was zu hören, erinnere ich mich.

Es war eine schöne und zugleich aufregende Zeit, in der man sich noch über Kleinigkeiten freuen konnte, die Uhren etwas langsamer gingen und zugleich ständig Neuerungen und bislang ungeahnte Errungenschaften das damals noch beschauliche Taunusstädtchen Hofheim erreichten.


Dr. Ingrid Krupp M.A., Mai 2024



Wir danken der Autorin für die Überlassung dieses Beitrags.



Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Wilfried Wohmann)

 


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