Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!


Das Hofheimer „Lacherbuch“ von 1764


Der „Historische Arbeitskreis Hofheim“ stellt sich auch die Aufgabe, bedeutsame Archivalien des Stadtarchivs zu erschließen, die bisher noch nicht systematisch untersucht worden sind. Aus dem Jahr 1764 ist das Original eines in der Regel so bezeichneten „Lagerbuches“ erhalten, in dem der damalige Grundbesitz der Hofheimer Bürger in Verbindung mit zugehöriger Grundsteuer, Pachten und anderen Belastungen handschriftlich dargestellt wird. Dieses Hofheimer Buch wird auf dem Titelblatt mundartlich als „Lacherbuch“ bezeichnet. Der in Leder gebundene Band umfasst 477 doppelseitige Blätter, die nach den Grundbesitzern gegliedert sind.

Als erste in sich abgeschlossene Aufgabe hat eine Arbeitsgruppe des Arbeitskreises (Wilfried Wohmann, Roswitha Schlecker, Dieter Reuschling, Reiner Scholz) das Lagerbuch vollständig von der damaligen Handschrift in heutige Druckschrift umgeschrieben. Außerdem wurde von Wilfried Wohmann ein neues Dokument zusammengestellt, in dem alle Seiten des Lagerbuches (zusammen ca. 940 Seiten) im Original und in der jeweiligen Transkription gegenüber gestellt sind. Dieses Dokument ist die Grundlage weiterer Auswertungen des Lagerbuches, die aber noch nicht abgeschlossen sind. Hier soll ein Zwischenbericht gegeben werden.

Schon aus dem Mittelalter, d. h. dem 14./15. Jahrhundert,  sind Lagerbücher erhalten, in denen für einzelne Kommunen, aber auch für Klöster, Höfe oder Grafschaften der Immobilienbesitz festgehalten worden ist. In manchen Gemeinden, wie z. B. in Flörsheim am Main, wurde für dieses Buch schon früh (hier 1656) die Bezeichnung „Stockbuch“ verwendet. Auch die Bezeichnung „Urbar“ war in manchen Gegenden gebräuchlich. Die inhaltliche Ausgestaltung der Lagerbücher war je nach der Institution, die sie aufstellte, recht unterschiedlich. Im einfachsten Fall wurde nur die Größe und Lage der Grundstücke beschrieben. In der  Regel dienten die Lagerbücher als Grundsteuerkataster, d. h. sie enthielten die zur Erhebung der Grundsteuer benötigten Informationen wie Größe der Grundstücke und Qualität des Bodens, der bei der Höhe der Grundsteuer berücksichtigt wurde. In erweiterter Form, wie bei dem Hofheimer Lagerbuch, wurden auch die Belastungen der Immobilienbesitzer durch Pacht, Steuern, Abgaben oder Zinsen für Darlehen aufgeführt (im Hofheimer Lagerbuch zusammen „Beschwerden“ genannt).

Allen Lagerbüchern ist gemeinsam, dass sie eine wesentliche Einschränkung auszugleichen hatten: Es gab bis ins 19. Jahrhundert noch kein Liegenschaftskataster zur Beschreibung der Grundstücke, d. h. noch keine Karten mit den Bezeichnungen von Gemarkung, Flur und Flurstück. Im bebauten Bereich gab es auch noch keine Hausnummern, häufig auch keine Straßennamen. Deshalb wurden, heute sehr schwer nachzuvollziehen, die Grundstücke durch ihre Lage in einem Gewann und durch die Anlieger, die jeweiligen Besitzer der Nachbargrundstücke rechts und links, beschrieben. Auch im bebauten Bereich mussten die Besitzer der Nachbargrundstücke zur Lokalisierung angegeben werden, weil die Hausnummern fehlten.

Die Verwaltung des Herzogtums Nassau stellte zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Grundsteuerkataster auf eine einheitliche, durch Vordrucke formalisierte Basis, die Stockbücher. Der Inhalt der Lagerbücher wurde in erweiterter Form übernommen. Das Führen der Stockbücher war wie vorher das Führen der Lagerbücher in der Regel die Aufgabe der Kommunen. Die ersten überlieferten Stockbücher von Hofheim stammen von 1853. Als Grundlage für die Lokalisierung der Grundstücke entstanden in dieser Zeit auch die ersten Katasterkarten mit der Darstellung der Gemarkungen und Grundstücke. Die ersten überlieferten „Gemarkungskarten“ von Hofheim sind ab 1869 entstanden. Im 20. Jahrhundert gingen sie dann in das Liegenschaftskataster über, während die Informationen zu den Grundstückseigentümern, Schulden oder Rechten in die Grundbücher übernommen wurden. Das Führen der Liegenschaftskataster und Grundbücher wurde aber zu einer staatlichen Aufgabe und von „Liegenschaftsämtern“ und „Grundbuchämtern“ übernommen.

Das Ziel der Bearbeitung des Hofheimer Lagerbuches ist, möglichst viele Informationen über das Leben in Hofheim in der Mitte des 18. Jahrhunderts, über seine Bewohner, die Besitzverhältnisse oder die wirtschaftlichen Verhältnisse zu gewinnen. Ein erster Überblick hat leider gezeigt, dass der vorliegende Band keine vollständige Beschreibung der Bewohner Hofheims und ihres Besitzes liefert. Offensichtlich im Lagerbuch fehlende Bereiche des Stadtgrundrisses zeigen, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit noch ein weiteres Lagerbuch von 1764 gegeben haben muss, das aber verloren gegangen ist. Dafür spricht auch, dass in dem vorliegenden Lagerbuch nur 111 Haus- und Grundbesitzer aufgeführt wurden, bei einer Volkszählung in Hofheim im Jahr 1755 aber schon über 180 Haushaltsvorstände genannt worden sind. Es erscheint aber trotzdem lohnend, das vorhandene Lagerbuch möglichst weitgehend auszuwerten.

Als Beispiel für das transkribierte Lagerbuch folgt die Seite 003r mit dem Original rechts und der Transkription links:

Darstellung einer transkribierten und einer Originalseite - Foto: Historischer Arbeitskreis Hofheim


Es ist die erste Seite des Besitz- und Steuernachweises für Johannes Nikolaus Steinebach, des Wirtes „Zum Löwen“ in der Hauptstraße. Im oberen Teil ist jeweils in den drei rechten Spalten die Steuer- und Zinsbelastung für die Hofreite (heute Hauptstraße 35), die Wirtschaft und ein Brauhaus in der Borngasse in Gulden (fl) angegeben. Im unteren Teil beginnt die Darstellung des Grundbesitzes von Steinebach mit den Feldgütern, hier im Hochfeld. Später folgen noch Wiesen, Gärten und Weinberge. In den linken Spalten wird zunächst die Bodenklasse (1 bis 5) des Grundstückes angegeben, nach der die Steuermesszahl berechnet wird. In den folgenden drei Spalten steht die Fläche des Grundstückes in Morgen, Ruth und Schuh. In den drei rechten Spalten steht dann die berechnete Steuermesszahl (Güter-Tax) in Gulden (fl), Kreuzern (xr) und Pfennigen (d). Auf jeder Seite wird die Summe (Latus) gebildet, aus denen sich am Ende eine Gesamtsumme der Flächen von Ackerland, Wiesen und Gärten sowie der Güter-Tax ergibt.

Die Güter-Tax ist sehr wahrscheinlich mit der der Grundsteuermesszahl vergleichbar, die bei der heutigen Grundsteuer zusammen mit den von den Kommunen festgesetzten Hebesätzen die von den Eigentümern zu zahlenden Grundsteuern ergeben. Wie die Grundsteuer 1764 in Hofheim für die einzelnen Besitzer festgesetzt wurde, konnte noch nicht ermittelt werden. Beim Lagerbuch sind auch noch viele Fragen zu den „Beschwerden“ offen, d. h. den Belastungen der Besitzer durch Pacht, Abgaben und Zinsen. Sie wurden nicht nur in Geld, sondern vielfach auch in Naturalien festgesetzt, z.B. als Korn- oder Haferpacht, Öl, Wein oder Wachs für die Kirche. Der große Anteil an Pachtverpflichtungen zeigt, dass viele Grundstücke gepachtet waren. Welche davon gepachtet und welche Eigenbesitz waren, lässt sich im Lagerbuch nicht feststellen. Es gibt auch oft genannte Verpächter von Grundstücken, die aber bisher nicht ermittelt werden konnten, z. B. „Fleischmann“ oder „Schnadheimer“.

Einige Auswertungen des Lagerbuches waren schon möglich: Es gibt eine Liste aller Namen, die als Besitzer oder Anlieger vorkommen, desgleichen eine Liste aller vorkommenden Flurnamen und ihre Lagebezeichnung, soweit sie bekannt ist. Für alle Besitzer wurden die Flächensummen der von ihnen bewirtschafteten Äcker, Wiesen und Weinberge zusammengestellt. Weitere Auswertungen sind geplant. Die ursprüngliche Idee, für alle Hausbesitzer den Straßennamen und die Hausnummer ihres Anwesens mit Hilfe ihrer Anlieger zu rekonstruieren, lässt sich nur teilweise realisieren. Mit Hilfe der Angaben im Lagerbuch über die Anlieger ist es z. B. gelungen, den Standort des früheren Gasthauses „Zum Wolf“ mit den Häusern Hauptstraße 33 und 31 zu lokalisieren. Dies wird im „Historischen Stadtrundgang“ dargestellt: Hauptstraße 31 und 33 .


Quellen:

Flink, Klaus: Urkarte und Lagerbuch. Zur Topographie der Stadt Remagen im Mittelalter. Rheinische Heimatpflege. Neue Folge. Heft 1 (Januar-März), 1971, S. 1-24.

Fritz, Gerhard (Bearbeiter und Hrsgb.): Das Murrhardter Lagerbuch von 1576. Edition des Klosterlagerbuches betreffend die Stadt Murrhardt. Schwäbisch Gmünd, 2010.

Gail, Manfred: Die Geschichte des Katasters in Nassau. Usinger Geschichtshefte 2, Usingen, April 1995, S. 4-24.

Nesemann, Georg: Die Gemarkung Lorsbach. Versuch einer Rekonstruktion ihrer Geschichte. Heimat- und Geschichtsverein Lorsbach e. V., Hofheim-Lorsbach, 2010

Rößling, Karlheinz: Die Geschichte des Katasters in Hessen-Darmstadt. Mitteilungen der DVW-Landesvereine Hessen und Thüringen, Sonderheft 1/1996, Band I und II, Wiesbaden, 1996.

Thomas, Bernhard: Flörsheim 1656. Eine Rekonstruktion. Teil 1: Dorf und Gemarkung. Bischofsheim b. Mainz, 2012.


Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim am Taunus (Dieter Reuschling)


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