Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!

Hofheimer Personen


Oskar Meyrer - gemalt von O.W.Roederstein 1936 (städt. Bildersammlung Stadtmuseum).


Oskar Meyrer

1920 bis 1942 Bürgermeister von Hofheim


* 5. Dezember 1883 in Wiesbaden

+ 1. August 1942 in Hofheim am Taunus


 

Oskar Meyrer wurde am 5. Dezember 1883 in Wiesbaden als Sohn des Damenschneiders Konrad Meyrer und Melusine geb. Wöske geboren. (1) Die Familie lebte anfangs in Wiesbaden und später in Sonnenberg. Er besuchte vom 6. bis zum 14. Lebensjahr die Mittelschule. Danach folgte eine Anstellung als Bürogehilfe beim Kreisausschuss des Landkreises Wiesbaden. Seine Militärpflicht erfüllte er bei der Infanterie im Regiment 143 in Straßburg. Im Oktober 1905 stieg er zum Bürogehilfen im Bürgermeisteramt Sonnenberg auf, wurde Büroassistent mit Beamteneigenschaft und im Juni 1909 Gemeindesekretär und Standesbeamter. Er sammelte - nach seinem Lebenslauf - Erfahrungen in allen Bereichen der Verwaltung u.a. in der Organisation der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung, zwangswirtschaftlichen Maßnahmen und Abwicklung von Eingemeindungsverhandlungen. Im Jahr 1910 erhielt er die Anstellung als Beamter auf Lebenszeit. Sein Ziel war es jedoch „eine Gemeinde selbständig zu leiten und … zum Blühen und Gedeihen zu führen.“(2) 

 

Am 6. März 1920 wurde Oskar Meyrer (36 Jahre) - bei sechs Mitbewerbern - einstimmig zum Bürgermeister von Hofheim gewählt. Fortan musste er sich mit der französischen Besatzung, der Inflation auseinandersetzen. In Hofheim mangelte es an allen Lebensnotwendigem. Bereits ab Dezember 1920 initiierte er mehrere Aufrufe an die Bevölkerung im Anzeigenblatt der Stadt Hofheim (HZ): „Herzliche Bitte! Wir befinden uns im Winter, der viel Not und Elend im Gefolge hat. Der verlorene Krieg mit seinen Begleiterscheinungen, Teuerung, Unterernährung und Kohlenot hat uns schweren Wunden geschlagen… Das drohende Gespenst der Arbeitslosigkeit verursacht uns große Sorgen ...“ (HZ 25.12.1920) Besonders die Not der Jugend beabsichtigte Oskar Meyrer mit einem warmen Frühstück in den Wintermonaten Januar, Februar, März zu lindern. So forderte er alle Mitbürger Hofheims verbunden mit einer herzlichen Bitte zu Spenden auf. Auch die 1921 eingerichtete „Suppenküche“ konnte mit Hilfe von Naturalien und Barmitteln aus der Bevölkerung betrieben werden. Aufgrund einer großen Lebensmittelspende durch die Quäker wurde die Ausgabe eines warmen Frühstücks im Laufe der Jahre ausgebaut. Zusätzlich ließ Meyrer mehrfach große Mengen Kartoffeln, Kohle und Briketts ankaufen, deren Anlieferung immer Verhandlungen mit den französischen Besatzern erforderte. Auch mit der Bekämpfung der Wohnungsnot begann er gleich nach Amtsantritt. Mit der Unterstützung der 1920 gegründeten Siedlungskommission ging die Stadtverordneten-Versammlung auf den Vorschlag Meyrers zum Bau von 40 Kleinwohnungen in der Ostendstraße, der Sindlinger Straße und der verlängerten Neugasse ein. Mit dem Bau der ersten 20 Wohnungen wurde sofort begonnen. Sämtliche Erdarbeiten und Nebenarbeiten, Planierungen, Straßenbau, Kanalisation usw. ließ er von städtischen Arbeitern oder Erwerbslosen ausführen. (3) Zusätzlich initiierte Meyrer den Ankauf von zwei Baracken als Notunterkünfte. Wie bei den anderen Hilfsgütern, die er außerhalb der Besatzungszone ankaufte, musste er auch hier mit den Franzosen die Einfuhrbedingungen aushandeln. Nach Aussagen Oskar Meyrers hatte die Stadt das Glück große Vermögenswerte zu erhalten. Die Quelle dieses Geldsegens ist unbekannt. (4) Außer der Schaffung von Neuwohnungen mussten das Krankenhaus erweitert (1923 als Schenkung der Stadt übergeben) und der Bau einer Volksschule mit Turnhalle und Volksbads sowie der Ankauf des Pfälzer Hofes durchgeführt werden. In der Regel gelang es Oskar Meyrer einen ausgeglichen Haushalt vorzuweisen.

Persönliches Pech hatte er mit der Dienstwohnung, die er nach seiner Wahl 1920 erhalten hatte und die ihm nach einem Einbruch verleidet war. Als bekannt wurde, dass er die Absicht hegte von Hofheim wegzugehen, kaufte die Stadt das Haus Hattersheimer Straße 13, um ihm darin eine freie 5-Zimmer-Wohnung zuzuweisen, bei seinen Gehaltsverhältnissen und den hohen Unterhaltskosten vorerst mietfrei. Vor seiner Wiederwahl wurde dies von drei Mitgliedern der Stadtverordneten-Versammlung beanstandet. Oskar Meyrer zog es daraufhin 1931 vor, freiwillig in eine Wohnung (Staufenstraße) mit günstigerem Unterhalt umzuziehen. (5) 

 

Zu seinem Bekanntenkreis und dem seiner Frau zählten die Künstlerin Ottilie Wilhelmine Roederstein und die Ärztin Dr. med. Elisabeth H. Winterhalter. Beide lebten seit 1909 in Hofheim. Im Jahr 1929 wurde Ihnen aufgrund ihrer Verdienste um das Gemeinwohl und die Förderung der Bildung das Ehrenbürgerrecht der Stadt Hofheimer verliehen, unterzeichnet und überreicht von Stadtverordneten-Vorsteher Wilhelm May und Bürgermeister Oskar Meyrer. 1924 fertigte O. W. Roederstein je eine Kohlezeichnung von ihm und seiner Frau Franziska. (6) Es folgten 1929 (7) und 1931 zwei Temperagemälde. Für O.W. Roederstein außergewöhnlich ist an dem mit 1931 datierten Gemälde die Textzeile im oberen Bildteil: Salus publica suprema lex (Das öffentliche Wohl [ist] oberstes Gesetz). Es war der Wahlspruch Oskar Meyrers, sein Grundsatz für sein Handeln als Bürgermeister und die Anbringung vermutlich sein persönlicher Wunsch. Ein weiteres repräsentatives Porträt in Öl mit identischer Inschrift wurde 1936 von O. W. Roederstein fertiggestellt (s. obige Abbildung).

Bereits 1930 war es den Nationalsozialisten auch in Hofheim gelungen Stimmenanteile bei der Kommunalwahl zu erhalten. Am 30. Januar 1933 folgte die Machtübernahme durch Hitler in Deutschland. Zwei Tage nach der Reichstagswahl am 5. März 1933 trat die NSDAP – obwohl sie in Hofheim nur 36,9 % erreicht hatte – als Siegerpartei auf. Rathaus und Pestalozzi-Schule wurden von den Parteimitgliedern umgehend mit Hakenkreuzfahnen und der alten Reichsfahne in Schwarz-Weiß-Rot dekoriert. Eine solche Propaganda für eine Partei, war bis dahin unüblich und es ist fraglich, ob Oskar Meyrer es erwartet hatte. Als Bürgermeister fühlte er sich der Neutralität verpflichtet und war bewusst parteilos geblieben.

Als Hitler am 21. März den neu gewählten Reichstag feiern ließ, wurden auch in Hofheim die Glocken geläutet und Meyrer hielt eine begeisterte Ansprache:
…daß sich auch die Abseitsstehenden geschlossen hinter die große Freiheitsbewegung und nationale Regierung stellen mögen, damit sie das große Werk der Einheit und Freiheit unseres deutschen Vaterlandes vollenden können“ (HZ 22. März 1933).

Vermutlich sah auch Oskar Meyrer in dieser Bewegung und dem „Volkskanzler“ Adolf Hitler eine Bestätigung seines Wahlspruches, dass das öffentliche Wohl über allem steht. Er teilte in den ersten Jahren mit vielen Bewohnern Hofheims diese Ansicht, die einige später revidierten. (8) Am 12. März 1933 stellte die Hofheimer NSDAP zur Kommunalwahl erstmals unter der Leitung von Ortsgruppenleiter Georg Kaufmann eine eigene Liste mit 12 Kandidaten und drei Vertreter anderer Parteien auf. Am 31. März 1933 fand die erste Stadtverordnetenversammlung nach der Kommunalwahl in der Turmhalle der Pestalozzi-Schule statt. Dazu war der provisorische Sitzungssaal wieder reich geschmückt mit Hakenkreuzbanner, Bilder von Hindenburg und Hitler, Stadtwappen und der Flagge Schwarz-Weiß-Rot. Abteilungen der SA nahmen an den Seiten Aufstellung und die nationalsozialistische Fraktion marschierte in ihren braunen Uniformen geschlossen zu ihren Plätzen (PM der NSDAP in HZ 1. April 1933). Der Bürgermeister eröffnete die Sitzung mit einer Ansprache, die hier nur in Ausschnitten wiedergeben wird:

Eine Welle nationaler Begeisterung durchflutet unser Land. In einer Zeit von geschichtlich höchster Bedeutung, in der viele Millionen Deutscher gläubigen Herzens nach Berlin zur Reichregierung schauen in der Hoffnung baldigst Arbeit und Brot zu erhalten, sind sie meine Herren, durch das Vertrauen der Bürgerschaft in das Amt eines Stadtverordneten berufen wurden. … Es wird mit Ihre Aufgabe sein müssen, durch die Förderung der Weiterentwicklung Hofheims Arbeit zu schaffen. …" (HZ 30. April 1933).

Bei dieser ersten Sitzung der Stadtverordneten wurde mit den Stimmen der NSDAP (6 Sitze) und der Bürgerlichen Vereinigung (2 Sitze) Hitler und Hindenburg zu Ehrenbürgern der Stadt ernannt. Die Zentrumspartei (4 Sitze) stimmte gegen den Antrag, da er erst in der Sitzung gestellt worden war. Die SPD (4 Sitze) enthielt sich mit der Begründung, dass sie über den nicht fristgerecht gestellten Antrag nicht intern beraten konnte. Da die Mitglieder der SPD aus Protest die Versammlung verließen und nur jene der Zentrumspartei dagegen stimmten, wurde der Antrag mit Mehrheit angenommen.(9) Am 1. April 1934 trat das neue preußische Gemeindeverfassungsgesetz in Kraft. Danach wurde Oskar Meyrer ohne Wahl für 12 Jahre zum Gemeindeleiter berufen. An die Stellte der Stadtverordneten traten die Gemeinderäte, in der Regel 14 Ratsherren, davon waren zehn –einschließlich Ortsgruppenleiter Georg Kaufmann - der NSDAP zuzuordnen und vier der Zentrumspartei. Bei der Reichstagswahl 1936 war nur noch die NSDAP als Partei zugelassen.

Ab 1933 finden sich immer wieder öffentlich Äußerungen Meyrers, die seine Sympathie für das NS-Regime erkennen lassen:

Zum 60-jährigen Bestehen des Krieger- und Militärvereins von 1873 hielt er als Vorsitzender des Festausschusses und Mitglied des Deutschen Reichskriegerbundes ( „Kyffhäuser“) (10) eine Rede in der er vom „Schandfrieden von Versailles“ und der Besatzungszeit den Bogen zu dem Verein spannt, der „… mit 230 Mitglieder hinter dem Volkskanzler steht, um die nationale Revolution auch wirtschaftlich sichern zu helfen und mit der Jugend vereinigt die Zukunft des Vaterlandes in Freiheit und Ehre zu erkämpfen“ (HZ 19. Juli 1933) .

Aufmarsch am 1. Mai 1934 - Oskar Meyrer im Anzug - Quelle: Stadtarchiv Hofheim

 

Am 22.4.1934 veranstaltete die NSDAP aus Anlass von Hitlers Geburtstag den sog. Deutschen Tag mit Platzkonzert und ließ am Ortseingang eine Adolf-Hitler-Linde pflanzen. Auch zu diesem Anlass hielt er eine Rede: „…heute gläubigen Herzens und Vertrauensvoll den großen Volkskanzler bewundern, dem es wie keinem anderen Staatsmann zuvor gelungen alle zermürbenden Probleme in kurzer Zeit zu gigantischem Erfolg zu führen.“ (HZ 25.April 1934)

Zur Reichstagswahl am 29. März 1936, bei der nur noch die NSDAP zugelassen war, richtet er in der Hofheimer Zeitung einen Wahlaufruf an die Bevölkerung: „…daß jeder Hofheimer Wahlberechtigte aus innerster Überzeugung sich an der Wahl mit Ja für Adolf Hitler beteiligen kann, ja beteiligen muß, wenn er sich nicht zeitlebens als Verräter am Volk und Führer betrachten will. Also am 29. März 1936 alle Stimmen dem Führer!“( HZ 2. März 1936) Weitere Aufrufe folgten zur Reichstagswahl am 10. April 1938 und zum Anschluss Österreichs am 10. April 1938.

Das Jahr 1938 bot noch weitere Ereignisse. Am 2. April wurde die Eingemeindung Marxheims feierlich vollzogen. Am 5. März veröffentlicht die Hofheimer Zeitung, dass die Roederstein-Winterhalter‘sche Schenkung bestehend aus den Immobilien Deschweg 2, Landhaus mit Park, das Gärtnerhaus und das Atelierhaus in den Besitz der Stadt übergegangen waren. Frau Dr. Winterhalter (1856 – 1951) hat die uneingeschränkte Nutzung bis zu ihrem Tod. Mieteinnahmen oder Erlös durch Verkauf sollten alljährlich an den Geburtstagen der Stifterinnen nach deren Tod wohltätigen Zwecken zugeführt werden.

Oskar Meyrer war immer noch nicht Parteimitglied war, was anscheinend zu Differenzen mit einigen Mitarbeitern führte. Im September 1938 beantragte er einen längeren Erholungsurlaub, der damals von Landrat und Regierungspräsidenten genehmigt werden musste. Landrat Dr. Janke begründete dieses Gesuch damit, dass Meyrer zwar körperlich gesund erscheine, aber „seelisch herunter“ weil einige gehässige Gegner ihm große Schwierigkeiten machten. Hier nennt der Landrat im Besonderen den Hofheimer Stadtsekretär Wilhelm Sicars wie auch den Kaufmann Braune, der ebenfalls mit Beleidigungen nicht sparte, beide gehörten der NSDAP an.

Inwieweit dieser längere Erholungsurlaub für eine längere Reise geplant war, kann man nur vermuten.

Ungefähr ab Mitte Oktober 1938 trat Oskar Meyrer seine Amerikareise an. Aus der Hofheimer Zeitung ist zu ersehen, dass Meyrer zuletzt am 13.10. (HZ 15.10.1938) und dann erst wieder ab 9.12. (HZ 10.12.38) die Amtlichen Nachrichten unterzeichnete. Georg Kaufmann war vom 11.10. (HZ 11.10.) bis 5.12. (HZ 10.12.) sein Vertreter. Seine Schiffsüberfahrt mit dem „Hapagdampfer Deutschland“ nach New York war der Hofheimer Zeitung am 29.10.1938 eine Meldung wert, da rund 320 Kilometer südöstlich von Cap Race um 23.22 Uhr im Laderaum ein Feuer ausgebrochen war. Auf dem Schiff befanden sich 591 Fahrgäste und 400 Besatzungsmitglieder. Der Brand konnte mit Hilfe herbeieilender Schiffe gelöscht werden. Ein Radiotelegram bestätigte, dass es Bürgermeister Meyrer gut geht. 1938 befanden sich bereits viele jüdische Familien und Personen auf der Flucht vor dem Nazi-Regime und wanderten per Schiff in die Staaten aus. Oskar Meyrer dürfte also mit dem einen oder anderen ins Gespräch gekommen sein; besonders nach einem so dramatischen Ereignis wie dem Feuer im Lagerraum. Eine Schiffspassage dauert damals ca. 6 Tage.

Von den Vorfällen in Hofheim am 10.11.1938 wie: die Zerstörung der Einrichtung der Synagoge im Büttelturm, die eingeworfenen Fenster in den Häusern der jüdischen Mitbewohner in der Elisabethenstraße (Familie Weiß), der Bärengasse (Familie Nachmann), der Burgstraße 8 (Familie Oppermann) und die Demolierung und Plünderung (11) konnte er erst nach seiner Rückkehr erfahren haben. Auch die Meldung vom 12. November in der Hofheimer Zeitung, dass Hofheim judenfrei sei, ging wohl auf Ortsgruppenleiter Georg Kaufmann zurück. Dieser war als Vertreter des Bürgermeisters auch gleichzeitig vertretender Vorgesetzter der Ortspolizeibehörde gewesen. Letztmalig schreibt Oskar Meyrer in der Hofheimer Zeitung vom 24. Dezember 1938 von einem „segensreichen Jahr“ das zu Ende geht, das durch die geniale Führung Ansehen und Größe Deutschlands gewachsen ist und er dankt allen Mitarbeiter, Beigeordneten, Ratsherren, Beamten, Angestellten und Arbeitern und der Hofheimer Bevölkerung. Die Dankesworte enden mit der Parole: „Alles für Hofheim und damit für ein großdeutsches Reich und seinen großen Führer. Hofheim a. Ts. Den 24. Dezember 1938 Heil Hitler!“ Die Anzeige ist in dem Umfang der angesprochene Personengruppen ungewöhnlich, da Meyrer weder 1936, 1937 und in den Jahren nach 1938 derart ausführlich dankte. Nach diesem letzten Gruß zum neuen Jahr trat er öffentlich nicht mehr in Erscheinung. Das Jahr 1938 scheint bei ihm ein Umdenken oder Nachdenken verursacht zu haben. Sein Wahlspruch „Das öffentliche Wohl ist oberstes Gesetz“ hatte sich in Bezug auf die politische Lage als Sackgasse erwiesen. Anscheinend hat der Ortsgruppenleiter Kaufmann seine Abwesenheit im Sinne der NSDAP genutzt.

Zu dem Ankauf jüdischer Immobilien durch die Stadt gibt es von ihm keine öffentlichen Äußerungen. Seine Unterstützung der Evangelischen Kirche beim Ankauf eines Hauses für Gemeindearbeit (1941) wurde von Georg Kaufmann (lt. dem damaligen Pfarrer Deinet) (12) boykottiert. Seine Anfrage 1941 auf eine mögliche Beugehaft für säumige Mieter, die einer bezahlten Beschäftigung nach gingen und „in der Lag seien ihre Miete zu zahlen“(13) wurde nie beantwortet. Für ihn war dieses Verhalten „asozial“, da die säumigen Mieter die Kosten ihrer Unterbringung der Allgemeinheit aufbürdeten.(14) Zu diesem Zeitpunkt betrugen die Mietrückstände mehr als 14.000 RM.(15) Im Fall Emma Kopp (1939), die vom Main-Taunus-Kreis zum Verkauf ihrer Villa gezwungen wurde, konnte er zumindest erreichen, dass sie als jüdische Dissidentin von der in London lebenden Jüdin und Besitzerin des Hauses in der Kurhausstraße eine Wohnung mieten konnte und so der Deportation entging.(16)

Mit Kriegsbeginn 1939 musste Meyrer sich zwangsläufig um Lebensmittelrationierungen, Luftschutz und Unterbringung der Kriegsgefangenen kümmern. Aufgrund seiner Verdienste in diesen Aufgaben wurde er vom Regierungspräsidenten für die Verleihung der „Kriegsverdienstkreuzes II. Klasse“ vorgeschlagen; Begründung: “Bürgermeister Meyrer hat sich in der Durchführung kriegswirtschaftlicher Maßnahmen in der 7591 Einwohner zählenden Stadt Hofheim a.Ts. verdient gemacht, versah trotz schwerer Erkrankung seine Dienstgeschäfte bis zu dem Tage, an dem im Dezember 1941 seine Aufnahme in ein Krankenhaus mit anschließender sofortiger Operation erforderlich wurde. Kaum aus der Krankenhausbehandlung entlassen und wieder gehfähig geworden, nahm er seine Dienstgeschäfte als Bürgermeister wieder auf. Er ist der Verleihung der Auszeichnung würdig.“(17) Ob Meyrer aus Pflichtbewusstsein den Dienst wieder aufnahm oder einen Ortsgruppenleiter Georg Kaufmann oder Wilhelm Sicars als stellvertretenden Bürgermeister verhindern wollte, bleibt der Spekulation überlassen.

Vermutlich war es aber diese Gallenoperation und die versäumte Schonung, die zu einem Narbenbruch und einer weiteren Operation führten, an deren Folgen er verstarb. Oskar Meyrer war 58 Jahre alt geworden und bis zu seinem Tod Mitglied der evangelischen Kirche.  

 

Ehrengrab auf dem Hofheimer Waldfriedhof - Quelle: HAH

Nach seinem Tod bewarben sich Kaufmann und Sicars auf die nun vakant gewordene Bürgermeisterstelle, die jedoch nicht besetzt wurde. Am 4. August 1942 entschied der Gemeinderat in einer eigens anberaumten Sitzung: „Für den verstorbenen Bürgermeister Oskar Meyrer und dessen Gattin wird eine Ehrengrabstätte auf dem hiesigen Waldfriedhof unentgeltlich überlassen. Die laufende Unterhaltung wird für Rechnung der Stadt ausgeführt.“(18) Am 2. September 1949 fand im Saal des Frankfurter Hofes eine Stadtverordnetenversammlung statt. In dieser wurde entschieden, dass die Neuwegstraße in Oskar-Meyrer-Straße umbenannt wird. (HZ 9. September 1949)

Aus Zeitzeugeninterviews (19) ist zu ersehen, dass der Ortsgruppenleiter die maßgebliche Person in Hofheim gewesen war. An ihn konnte sich jeder erinnern. Für diese Zeugen lief der Bürgermeister nur „neben her“, trat kaum in Erscheinung. Es gibt lediglich zwei Ausnahmen. Die Inhaberin eines Süßwarenladens konnte sich genau an folgende Worte aus dem Jahr 1938 von ihm erinnern: „…ich hab ein großes Unrecht gutzumachen. Ich hab ihren Vater aus dem Beamtenverhältnis rausgenommen, was nicht hätte sein dürfen, und ich werd‘ mich dafür einsetzen, dass Sie die Genehmigung kriegen für Spirituosen zu führen. So war das.“ Auch einem Nachbarn vertraute er sich an mit der Bemerkung: „Ich kann nicht mehr so, wie ich will“.


Quellen:

(1)


Hessisches Personalstandsarchiv - Standesamt Wiesbaden Geburten 1883/1259

(2)


Personalakte Oskar Meyrer StadtAHofh. Sign. Alt XV 2a

(3)


Reuschling, Dieter und Schlecker, Roswitha: Oskar Meyrer eine biografische Skizze, Hrsg Stadtmuseum/Stadtarchiv, Hofheim 2017; S. 11

(4)


StadtAHofh. Haushaltsplan 1925
Nach Erzählungen in der Bevölkerung soll dieses Geld aus den Staaten gekommen sein.

(5)


StadtAHofh, Sign. Alt XV2a.1 (H94) Blatt 72

(6)


Rök, Barbara: Ottilie W. Roederstein (1859-1938) – Eine Künstlerin zwischen Tradition und Moderne, Hrsg. Stadtmuseum/Stadtarchiv-Eva Scheid, Marburg 1999, Werkverzeichnis Roederstein  (CD, Adone Reader)
Der Verbleib dieser Werke ist unbekannt und nur deshalb nachweisbar, weil sie von Hermann Jughenn in dem Werkverzeichnis zur Künstlerin aufgelistet sind. Man kann vermuten, dass sie Meyrer in seinem Privatbesitz hatte.

(7)


siehe (6)

(8)


vgl. Schmidt, Anna: Hofheim 1933 – 1945, Sieben Gemeinden im Nationalsozialismus, Publikation zur Ausstellung im Stadtmuseum, Hrsg Stadtmuseum/Stadtarchiv, Hofheim 2005, S. 55f

(9)


Reuschling/Schlecker S. 16f

(10)


StadtAHofh, Sign. Alt XV2a.1 (H94) Laut Personalakte war Oskar Meyrer kein Mitglied der NSDAP, dafür in folgenden Verbänden: NS Fliegerkorps (seit April 1935), Freiwillige Feuerwehr (Ehrenmitglied), Deutschen Roten Kreuz(20 Jahre), NS Deutscher Reichskriegerverband (seit 1933), Reichsluftschutzbund (1933) und Deutscher Reichsbund für Leibesübungen (seit 1920).

(11)


Reuschling/Schlecker S. 19f

(12)


StadtAHofh. Kopie der Chronik Pfarrer Deinet, S. 1 Transkription Schlecker

(13)


Schmidt, Anna S. 34 ff.

(14)


Schmidt, Anna S. 35

(15)


StadtAHofh. Sign. O8.8.1. BL. 7

(16)


Interessanterweise hat sich in der Bauakte der Schriftwechsel zwischen Oskar Meyrer, Emma Kopp, Landrat Brunnträger u.a. beteiligten Personen erhalten.

(17)


Personalakte Oskar Meyrer StadtAHofh. Sign. Alt XV 2a

(18)


Protokoll StvV 04.08.1942

(19)


Anfang des neuen Jahrtausends im Auftrag der Stadt geführte 42 Zeitzeugeninterviews zu Hofheim im Nationalsozialismus u.a. zur Personen Oskar Meyrers

 


Literatur (im Stadtmuseum erwerbbar):

  • Reuschling, Dieter und Schlecker, Roswitha: Oskar Meyrer eine biografische Skizze, Hrsg Stadtmuseum/Stadtarchiv, Hofheim 2017
  • Rök, Barbara: Ottilie W. Roederstein (1859-1938) – Eine Künstlerin zwischen Tradition und Moderne, Hrsg. Stadtmuseum/Stadtarchiv-Eva Scheid, Marburg 1999, Werkverzeichnis Roederstein  (CD, Adone Reader)
  • Schmidt, Anna: Hofheim 1933 – 1945, Sieben Gemeinden im Nationalsozialismus, Publikation zur Ausstellung im Stadtmuseum, Hrsg Stadtmuseum/Stadtarchiv, Hofheim 2005


Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Roswitha Schlecker)

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