Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!

Hofheimer Wirtshäuser


"Zur Schönen Aussicht"


Lage: Frühere Adresse war die Hauptstraße Nr. 77 (alte Haus-Nr.), heute: teils Straße „Alte Bleiche“ (früher Bleichstraße) – teils Parkplatz der Volksbank


Erbaut 1872, Umbau und Erweiterung 1878/79, Abriss 1976

Gastwirtschaft "Zur schönen Aussicht", 1914 - Foto: Stadtarchiv Hofheim


Das Grundstück kam 1857 durch Vermögensübergabe und Teilung in den Besitz der Ehefrau des Sattlers Carl Mahr, Eva geb. Dichmann. Diese ließ 1872 ein einstöckiges Wohnhaus (30 Fuß lang, 22 Fuß tief) errichten. Sie verkaufte noch im selben Jahr das Anwesen an Carl Heinrich Thiel und seine Ehefrau Wilhelmine geb. Köhler. Von 1874 bis 1878 war es im Besitz von Hugo Franz Wehrfritz (1806-1888).

Dieser verkaufte das Anwesen 1878 an Carl Friedrich Wilhelm Binding und seine Ehefrau Philippine geb. Weinsheimer aus Lorsbach. Diese führten in den nächsten beiden Jahren mehrere Umbauten durch. Das Wohnhaus wurde aufgestockt, eine Trinkhalle und Küche angebaut und eine Gartenwirtschaft eingerichtet, so dass man sagen kann, das Jahr 1879 ist die Geburtsstunde des Gasthauses.

1888 verkaufte Binding das Anwesen an den Lederfabrikanten Josef Neumann (1861-1936) und dessen Ehefrau Christina geb. Hahn (1864-1909). Josef Neumann war bis 1909 auch Gastwirt des Lokals mit Biergarten. Die sich ständig aufwärts entwickelnden „Taunus-Vacheleder-Werke“ (Lederfabrik Neumann, die Fabrik stand bis Anfang der 1960er  Jahre auf dem heutigen Parkplatz Am Untertor) nahmen indessen mehr und mehr seine ganze Kraft in Anspruch, weshalb er sich im Jahre 1909 zur Verpachtung des Gasthofs entschloss, der sich bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts noch im Familienbesitz befand. 

Am 1. Mai 1890 veranstaltete die Arbeiterbewegung erstmals weltweit Kundgebungen für den Acht-Stunden-Tag. Es war die Geburtsstunde des Maifeiertages. Eine erhalten gebliebene Eintrittskarte belegt, dass dieser Feiertag schon am 7. Mai 1893 auch in Hofheim begangen wurde, und zwar als „großes Volksfest zu Gunsten des achtstündigen Arbeitstages“ in der „Schönen Aussicht“. Vermutlich war der SPD-Ortsverein Hofheim, der ein Jahr zuvor gegründet worden war, an der Veranstaltung maßgeblich beteiligt.

Eintrittskarte zur Maifeier 1893 in der "Schönen Aussicht" - Foto: Stadtarchiv Hofheim am Taunus

************

Josef Neumann: Lederfabrikant und Gastwirt

Früher hatte dieser Gasthof für die Lederfabrik eine nicht unwichtige Funktion. Damals gingen die Handwerksgesellen noch auf Wanderschaft, es kamen z.B. Gerber aus ganz Deutschland und vielen europäischen Staaten nach Hofheim, um bei J. & C. Neumann zu arbeiten. Da war es wichtig, für die Männer eine ordentliche Unterkunft und preiswerte Verpflegung bereit zu stellen und Josef Neumann konnte dies durch seine Gastwirtschaft problemlos umsetzen.

************

Pächter:
  • 1909 - 1912 Jakob Börner (*1883, +1912) aus Griesheim
  • 1913 - 1920 Peter Raab aus Schwanheim
  • 1920 - 1950 Familie Helm
    Zuerst Jakob Helm sen. (*1878, +1943),
    dann Sohn Lorenz (kam 1932 bei einem Unfall ums Leben),
    danach dessen Bruder Jakob Helm jun.
  • 1951 - Beginn der 1960er Jahre Johann Schmitt
  • Beginn der 1960er Jahre - 1976 Werner Fichtel
Jakob Helm jun. beauftragte in den 1930er Jahren den Zimmermann Leicher einen Pavillon zu bauen, der unter anderem auch für Tanzveranstaltungen (Eintritt: 10 Pfennige) genutzt wurde. 

 

Pavillon an der "Schönen Aussicht", zuerst Tanzsaal, nach dem 2. Weltkrieg Verkaufsraum, 1957 wurde der Holzpavillon abgerissen - Foto: Stadtarchiv Hofheim (Sammlung Karl Jakobi)


Die heutige Straße „Alte Bleiche“ war ursprünglich nur ca. 2 m breit. Bereits 1954 war die Straße in der heutigen Breite geplant und verlief somit über das Grundstück Nr. 77.


Nach dem Abriss der Gebäude mussten drei Meter der Grundstücksfläche für die Verbreiterung der Straße Alte Bleiche an die Stadt abgetreten werden.

 

Am Standort der früheren "Schönen Aussicht" befindet sich heute der Parkplatz der Volksbank - Foto: Heiko Schmitt


Quellen:
Adressbücher Hofheim 1896 bis 1943 - Uni-Bibliothek Frankfurt am Main
Adressbücher Hofheim 1952 und 1958 - Hessische Landesbibliothek, Wiesbaden
Steuerlisten 1894, 1912 und 1919 - Stadtarchiv Hofheim
Standesamtsnebenregister Standesamt Hofheim - Hessisches Personenstandsarchiv
Genealogische Daten Wilfried Wohmann, Hofheim am Taunus
Dieter Reuschling: Geschichte des Maifeiertages zwischen Main und Taunus. Main-Taunus-Jahrbuch 2010, S. 24-31, Hofheim 2009.
Stadtarchiv Hofheim am Taunus
Hofheimer Stockbücher - Stadtarchiv Hofheim und HHStAW


Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim am Taunus (Wilfried Wohmann)



Start


zurück


oben




Instagram