Historisches Hofheim am Taunus

Altes für die Zukunft bewahren!


Die Hofheimer Krebsmühle

- von der Mahlmühle zum Hightech-Unternehmen

Matthias Lederer


Ansicht des Innenhofs der Krebsmühle 2019 - Foto: Matthias Lederer


An der Straße zwischen Hofheim und Lorsbach, nahe bei Lorsbach, liegt, halb verdeckt vom dort verlaufenden Bahndamm, die Krebsmühle. Nur eine schmale Durchfahrt führt von der Straße dorthin. Ein Schild weist sie als einen Standort der Gesellschaft für Sonder-EDV-Anlagen mbH aus. Diese entwickelt und produziert in der Krebsmühle kundenspezifische Lösungen industrieller Messtechnik und Automation für die Bereiche Pharmazie, Life-Science, Lebensmittel, Maschinenbau und Umwelttechnik.

Der Blick auf die alten Gebäude lässt schnell erkennen, dass dieser Gewerbestandort schon eine längere Geschichte hat. Diese beginnt 1851 mit dem Bau einer Mahlmühle an dieser Stelle durch Peter Racke. Die Krebsmühle war eine der Mühlen, die in einer Zeit wirtschaftlichen Aufschwungs in der Mitte des 19. Jahrhunderts entlang des Schwarzbachs neu entstanden. Das Anwesen bestand aus einem zweistöckigen Backsteinbau, der gleichzeitig Mühle und Wohnhaus des Müllers war und einem großen Lagerschuppen. Das erforderliche Betriebswasser für den Antrieb des oberschlächtigen Wasserrads erhielt die Mühle aus dem Untergraben der bachaufwärts gelegenen Kräckmannsmühle und benötigte damit kein eigenes Wehr zur Ableitung von Wasser aus dem Schwarzbach. Auch wurde das von ihr genutzte Wasser nicht zurück in den Schwarzbach, sondern in den Obergraben der Hammermühle geleitet, so dass über ungefähr 1,6 km Länge ein Mühlgrabensystem zur Versorgung von drei Mühlen parallel zum Schwarzbach bestand. Bei geringem Wasserstand wurde alles Wasser zum Betrieb der Mühlen gebraucht und das eigentliche Bachbett fiel auf dieser Strecke trocken.

Das eiserne Wasserrad in der Radstube der Krebsmühle - Foto: Matthias Lederer
Schon im Juni des darauffolgenden Jahres verkaufte Racke das Anwesen an Theresia Dröser. Die Familie Dröser besaß in Hofheim damals auch die Hammer- und die Untermühle.
 
Aus dem Jahr 1856 ist erstmals der Name „Krebsmühle“ bekannt. Namensgeber waren sehr wahrscheinlich die dort lebenden Bachkrebse. Diese waren am Schwarzbach mit seinen Quell- und Nebenbächen weit verbreitet. Möglicherweise gab es sie hier jedoch so zahlreich, dass die Mühle nach ihnen benannt wurde.

In den folgenden Jahren kam es zu weiteren Eigentümerwechseln. 1858 übernahm das Bäckerehepaar Hück aus Hochheim die Mühle. Georg Welcher und dessen Ehefrau Katharina aus Marxheim wurden dann 1868 neue Eigentümer der Krebsmühle. 1872 erfolgte die Übernahme der Mühle durch die Geschwister Racke. Während dieser Eigentümerwechsel blieb die Mühle weitgehend unverändert.


 

Blick auf das Getriebe der Krebsmühle 2019 - Foto: Matthias Lederer


1874 begann die Hessische Ludwigs-Eisenbahngesellschaft mit dem Bau des letzten Bauabschnitts für die neue Eisenbahnstrecke von Höchst nach Limburg. Dieser führte durch das Lorsbachtal. Der mehrere Meter hohe Bahndamm wurde direkt an der Krebsmühle vorbeigeführt und Schnitt diese von der Straße ab. Neben einem Tunnel für den Weg zur Krebsmühle mussten dort sechs weitere Durchlässe für die Mühlgräben durch den Bahndamm geschaffen werden. Im Jahr zuvor hatte die Hessische Ludwigs-Eisenbahngesellschaft die Krebsmühle gekauft. Warum dies geschah, bleibt offen. Die Krebsmühle liegt zwar direkt an der Eisenbahnstrecke, es mussten jedoch keine Gebäude oder sonstigen Einrichtungen abgerissen werden und es gibt keinen Hinweis, dass die Mühle nicht weiter betrieben werden konnte. Möglicherweise nutzte die Eisenbahngesellschaft die Krebsmühle als einen Stützpunkt beim Eisenbahnbau. Darauf deutet auch die Einrichtung einer Schreiner-Werkstatt in der Mühle mit Beginn des Eisenbahnbaus hin.

Blick auf das Getriebe der Krebsmühle mit dem Kegelrad mit eingesteckten Holzkämmen im Vordergrund 2019 - Foto: Matthias Lederer

 

Entleerung eines Walkfasses mit gefärbtem Leder 1990 in der Krebsmühle - Foto: Carsten Zeitz

Die Mühle blieb bis 1885 im Besitz der Eisenbahn, dann wurde Peter Hammel aus Hofheim der neue Müller auf der Krebsmühle. Neben den beiden Mahlgängen wurden auch die Maschinen der Schreinerei über eine Transmission vom Wasserrad angetrieben.

1899 übernahm die Firma E. + J. Mayer aus Frankfurt die Mühle. Der Betrieb der Mahlmühle und der Schreinerei wurden eingestellt. Über die Art der Nutzung der Krebsmühle durch die Firma Mayer ist nichts bekannt. In Frankfurt betrieb diese eine Geflügel-Mästerei und eine Bettfedernfabrik.

Mit dem Kauf der Krebsmühle 1915 und deren Umbau in eine Lederfabrik durch Karl Soldan aus Lorsbach begann ein neuer Abschnitt in der Geschichte der Krebsmühle. Diese reihte sich nun in die Lederfabriken ein, die in den Jahren zuvor in und um Lorsbach, bevorzugt an den Standorten ehemaliger Mühlen, neu entstanden waren. Die Wasserkraft wurde zum Antrieb von Maschinen, insbesondere der großen Gerb- und Walkfässer, genutzt. Das erweiterte Anwesen bestand nun aus einem Fabrikgebäude, einem Färbhaus, einem weiteren Gebäude mit einem Arbeitsraum und Lagerräumen, einem Maschinenhaus und der Radstube mit dem Wasserrad. Nach nur einem Jahr verkaufte Soldan die Lederfabrik an Philipp Jakob Trinkaus, einem Lederfabrikanten aus Idstein. Dieser richtete hier einen weiteren Produktionsstandort seines Unternehmens ein.

1931 übernahmen Josef Hemmerich und Carl Kliss mit ihrer neu gegründeten Firma Hemmerich & Kliss die Lederfabrik. Die Fabrikbauten wurden von ihnen erweitert und eine Lederzurichterei eingerichtet. In den folgenden Jahrzehnten stellten sie hier Feinleder her. Zum Antrieb der Maschinen wurden ein Dieselmotor mit einer Leistung von 50 PS und ein hölzernes Wasserrad mit Eisenblechschaufeln eingesetzt, die Kraftübertragung in die Fabrikgebäude erfolgte über eine Transmission. 1937 wurde das alte Wasserrad durch ein neues, eisernes Wasserrad ersetzt. Starke Konkurrenz aus Billiglohnländern und zunehmende Umweltschutzauflagen für die stark gewässerbelastende Lederindustrie führten ab den 1970er Jahren zum Niedergang der heimischen Lederfabriken. 1990 stellte auch die Firma Hemmerich & Kliss als eine der letzten ihren Betrieb ein und verkaufte die Krebsmühle. 
Sie wurde vom heutigen Eigentümer übernommen, der auf der Suche nach weiteren Gewerberäumen für sein expandierendes Unternehmen hier fündig geworden war.

Arbeit an der Ausreckmaschine 1990 in der Krebsmühle - Foto: Carsten Zeitz

Was die Krebsmühle besonders interessant macht, ist das bis heute in einem betriebsfähigen Zustand erhalten gebliebene Mühlrad mit dem zugehörigen Getriebe, einem erhalten gebliebenen Teil der Transmission und einem darüber angetriebenen Walkfass der ehemaligen Lederfabrik. Zu diesen Einrichtungen liegen folgende technische Angaben vor: 

Die Fallhöhe des Wassers an der Gefällestufe der Krebsmühle beträgt 3,50 m. Das oberschlächtige, aus Eisen gefertigte Wasserrad hat einen Durchmesser von 3,20 m und eine Breite von 2,50 m. Die Anlage ist für circa 18 kW, entsprechend 24 PS, an der Radwelle ausgelegt. Das Getriebe besteht aus einem Vorgelege mit einer Übersetzung von 1:5 und einem Kegelradgetriebe zur Umlenkung der Drehrichtung mit einer Übersetzung von 1:3. Das Zahnrad auf der Wasserradwelle hat einen Durchmesser von 2,5 m und 160 Zähne. Das große Kegelrad des Kegelradgetriebes hat keine eisernen Zähne, sondern Holzkämme. Diese sind durch den eisernen Radkranz geschoben und auf der Rückseite jeweils mit einem Nagel fixiert. Sie dienen als Sollbruchstelle und können bei Bedarf aus einem Vorrat schnell ersetzt werden.

Die Krebsmühle beherbergt das einzige betriebsbereite historische Wasserrad im Main-Taunus-Kreis. Sein Erhalt ist dem heutigen Eigentümer zu verdanken.
 

 

Quellenverzeichnis:

  • Stockbücher der Gemeinde Hofheim im Stadtarchiv der Stadt Hofheim am Taunus
  • Brandkataster der Gemeinde Hofheim im Stadtarchiv der Stadt Hofheim am Taunus
  • Gebäudesteuerrollen zur Gemarkung Hofheim 1867 - 1880 ,Bände 1 und 2, Signaturen 344 und 345 im Bestand 433 des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden
  • Günther Rühl: „Mehl und Leder braucht ein jeder!“, im MTK-Jahrbuch 1993, Kreisausschuss des Main-Taunus-Kreises 1992
  • „Staats- und Adreß-Handbuch des Herzogthums Nassau 1856“ in Bayerische StaatsBibliothek digital, https://reader.digitale-sammlungen.de/de/fs1/object/display/bsb10021616_00005.html
  • Informationen zu „E. & J. Mayer zu Frankfurt“ in http://motorbloeckchen.com/wp-content/uploads/2015/10/2013-01-Geschichtswerkstatt-Gallus-berichtet.pdf
  • Auskünfte von Herrn Hermann Nottarp


Der Bericht wurde in „Zwischen Main und Taunus – Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises, 2020, 28. Jahrgang, Seite 89-93“ veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung des Main-Taunus-Kreises und dem Autor erfolgt diese Präsentation.


Der Heimat- und Geschichtsverein Lorsbach e.V. hat auf YouTube einen kleinen Film über das Wasserrad der Krebsmühle erstellt,
Link: https://www.hgv-lorsbach.de/Lorsbach-Videos/Krebsmuehle/index.php/
Wir danken dem HGV Lorsbach für den Film.


Weitere Informationen zu Hofheimer Mühlen.


Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Wilfried Wohmann)


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