Historisches Hofheim am Taunus

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Geschichte Hofheimer Vereine


Wanderklub "Alpenrose"

 

Aus dem Gründungsprotokoll des Touristenverein „Die Naturfreunde” Hofheim a. T. vom 16. 6. 1946 geht hervor, dass sich der in Hofheim neue Verein als Nachfolger des Wanderklubs „Alpenrose“ betrachtete, der nach seiner Gründung 1926 in Hofheim aktiv war, aber nach dem Kriegsende 1945 zunächst nicht wieder gegründet wurde. Vermutlich wurde der Wanderklub als Arbeiterverein und Gegenpol zum bürgerlichen Taunusklub Hofheim gegründet, ähnlich wie der Turnverein Vorwärts als Gegenpol zum TV 1860 oder der Arbeitergesangverein Liederkranz als Gegenpol zum Gesangverein Concordia 1844.

Der Wanderklub „Alpenrose“ wurde im September 1926 gegründet. Sein Vereinslokal war die nicht mehr existierende Gaststätte „Zur schönen Aussicht“ am Schwarzbach, heute Parkplatz der Volksbank an der „alten Bleiche“. Das Vereinsprogramm beschränkte sich nicht nur auf sportliches Wandern, sondern hatte von Anfang an auch kulturelle Ziele, vor allem die Pflege der Mandolinen-Musik. Für Jugendliche wurden mit vereinseigenen Mandolinen jährlich Ausbildungskurse angeboten. Das Mandolinen-Orchester des Klubs mit seinem Dirigenten Josef Freund gab jährlich Konzerte im Saal des „Frankfurter Hofes“, oft auch in Verbindung mit einer Theaterveranstaltung. Das anspruchsvolle Programm vom 16. November 1930 ist erhalten geblieben.

Programm des Wanderklubs "Alpenrose" vom 16. November 1930 - Quelle: Privatbesitz


Zu dem anspruchsvollen Wanderprogramm gehörten jährlich 10 „Pflichtwanderungen“, Nachtwanderungen und Wettbewerbe im „Orientierungswandern“. Es gab über Pfingsten auch dreitägige Wanderungen mit Übernachtungen in vereinseigenen Zelten. Der Wanderführer des Klubs war Karl Becht. Er wurde in der ersten Mitgliederversammlung der 1946 neu gegründeten Naturfreunde Hofheims wieder zum Wanderwart gewählt. Da die ersten Protokollbücher des Vereins „Alpenrose“ nicht erhalten geblieben sind, können aus der Zeit vor dem 2. Weltkrieg nur wenige weitere Mitglieder genannt werden. Ein führendes Mitglied des Mandolinen-Orchesters war sicher Franz Köhler, der später auch wieder bei den Naturfreunden aktiv wurde.

Anzeige aus der "Hofheimer Zeitung" vom 9. Januar 1932 - Quelle: Stadtarchiv Hofheim

Ein tiefgreifender Einschnitt im Vereinsleben war die „Machtergreifung” durch die Nazis im Januar 1933. Sie wollten ihr Idealbild der Volksgemeinschaft unter Führung des „Volkskanzlers“ Adolf Hitler von Anfang an durchsetzen und dabei auch verhindern, dass sich in den Vereinen ihrer Gegner der Widerstand gegen ihr Regime organisieren konnte. Deshalb wurden die meisten Vereine der Arbeiterbewegung verboten oder sie lösten sich selber auf, damit ihr Besitz nicht beschlagnahmt wurde. So verschwanden in Hofheim 1933 u. a. der Arbeitergesangverein Liederkranz und die „Freie Turn- und Sportgemeinde”.

Vereine, die weiterbestehen wollten, mussten sich dem neuen Regime anpassen und wurden nach einheitlichen gesetzlichen Vorgaben für ganz Deutschland „gleichgeschaltet”. Das bedeutete u. a., dass die demokratische Vereinskultur mit einem gewählten Vorstand als Vereinsführung abgeschafft und das Führerprinzip vorgeschrieben wurde. Offensichtlich hat sich der Wanderklub „Alpenrose“ wie z. B. auch der TV Vorwärts, der TV 1860 oder die Musikgesellschaft Lyra gleichschalten lassen, vermutlich auch deshalb, weil sie ihre Vereinsarbeit fortsetzen und den Vereinsbesitz, z. B. die Mandolinen und Zelte, behalten wollten.

Die Anzeigen der „Alpenrose“ in der Hofheimer Zeitung sind ab Juli 1933 mit „Der Führer” gezeichnet. Darin wird 1933 zur Teilnahme der Mitglieder an den von den Nazis inszenierten Veranstaltungen und Aufmärsche in Hofheim aufgerufen, im Juli zum Fackel- und Festzug des Krieger- und Militärvereins, im September zum Erntedankfest, im Oktober zum Fackelzug anlässlich der Handwerkerwoche und im November zum Aufmarsch der Vereine und Verbände zur „nationalen Kundgebung”, die landesweit anlässlich des Austritts Deutschlands aus dem Völkerbund veranstaltet wurde.

Aus einer Einladung zur Jahreshauptversammlung 1936 lässt sich erkennen, dass für den Verein neben dem Wandern die Musik mit Mandolinen und Gitarren ein wesentlicher Teil der Vereinstätigkeit war: Der Verein hatte sich der „Reichsfachschaft für Mandolinen- und Gitarrenmusik“ angeschlossen. Im „Dritten Reich“ waren alle Vereine entsprechend ihren Vereinszwecken reichsweit zentral organisiert, vor allem, um sie besser kontrollieren zu können und um zu verhindern, dass sie als eine Organisationsbasis für Regimegegner dienen konnten.

Anzeige aus der "Hofheimer Zeitung" vom 18. Januar 1936 - Quelle: Stadtarchiv Hofheim

Vermutlich wurde die Vereinstätigkeit nach dem Kriegsbeginn 1939 aber weitgehend eingestellt.

Nach dem Kriegsende 1945 hatte die Besatzungsmacht USA alle Vereine verboten; sie mussten zum Weiterbestehen von der Militärregierung neu genehmigt werden. Man kann annehmen, dass die „Vorbelastung” aus der Nazi-Zeit eine Rolle dabei gespielt, dass 1946 in Hofheim nicht die Wiedergründung der doch traditionsreichen „Alpenrose“ bei der Militärregierung beantragt wurde, sondern die Neugründung des Touristenvereins „Die Naturfreunde”. Natürlich spielte auch eine Rolle, dass die Naturfreunde in Deutschland eine bestehende, eher „linke” Großorganisation mit langer Tradition war, die auch schon viele Einrichtungen für die Wanderbewegung hatte (Naturfreundehäuser etc.).

Im Zusammenhang mit der 25. Wiederkehr der Gründung der „Alpenrose“ (1926) kam es im September 1951 zu Auseinandersetzungen innerhalb des Vereins der Naturfreunde, die dazu führten, dass sich ein beträchtlicher Teil von den Naturfreunden abspaltete und den Wanderklub „Alpenrose“ Ende September 1951 wieder gründete. Der wieder gegründete Verein zeichnete sich bald durch viele Aktivitäten aus, was sicher auch daran lag, dass einige der früher aktivsten Mitglieder dabei waren. Man kann annehmen, dass es zwischen dieser Gruppe und der Mehrheit im Vorstand der Naturfreunde unter dem damaligen Vorsitzenden Karl Wiegand unterschiedliche Auffassungen über die künftige Ausrichtung des Vereins gab. In einem Bericht der „Alpenrose“ in der Hofheimer Zeitung vom 28. September 1951 heißt es: „Trotz guten Willens zur Verständigung, Mitarbeit und Harmonie konnte man Ideengänge nicht auf einen gemeinsamen Nenner vereinigen“. Karl Becht, der Wanderführer der früheren „Alpenrose“, wurde es auch wieder 1951. Franz Köhler sen. wurde vermutlich wieder der Initiator für das Mandolinen-Orchester und war nachweislich ab 1953 auch der Vorsitzende der „Alpenrose“.

Vereinslokal wurde das Gasthaus „Zur Krone“ in der Hauptstraße. Schon Anfang Januar 1952 erschien in der Hofheimer Zeitung der Wanderplan für die monatlichen Wanderungen von Januar bis Oktober des Jahres. Eine Frauengruppe und eine Tanzgruppe wurden gebildet, die Musikstunden des Mandolinen-Orchesters begannen wieder und naturkundliche Vorträge, z. B. zum Kühkopf am Altrhein, fanden statt. Eine kaum noch bekannte Initiative der „Alpenrose“ im Jahr 1953 war die Einrichtung eines Jugendheimes in einem Nebengebäude der heute nicht mehr existierenden Obermühle. Anfang August 1953 wurde das in Selbsthilfe geschaffene Jugendheim der „Alpenrose“ in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste eingeweiht. Sogar der neu gewählte Hofheimer Bürgermeister Werner Schwichtenberg, der erst am 1. September 1953 sein Amt antrat, war schon dabei. Wie lange dieses Jugendheim existiert hat, ist nicht mehr bekannt.

Aus den 1950er Jahren ist ein Foto des Mandolinen-Orchesters der „Alpenrose“ durch Andreas Köhler, dem Sohn von Franz Köhler jun., erhalten geblieben, das auch die verwandtschaftlichen Beziehungen in dem Orchester dokumentiert.

Mandolinen-Orchester der "Alpenrose" in den 1950er Jahren - Foto: Privat

Links außen steht Franz Köhler sen. In der oberen Reihe stehen links Walter Becht und rechts am Bass Heinz Becht, die Söhne des langjährigen Wanderführers Karl Becht. Unterhalb von Heinz Becht ist Franz Köhler jun. zu sehen, links daneben Christa Wohmann, die spätere Ehefrau von Franz Köhler jun. Der Dirigent des Orchesters war der Lehrer Schätzer.

Auch die 30. Wiederkehr der Gründung der „Alpenrose“ wurde am 22. September 1956 gefeiert. Zu den Ehrengästen der Feier im Gasthaus „Zum Adler“ in Marxheim gehörten Bürgermeister Schwichtenberg, Stadtverordnetenvorsteher Leder und Ortsbezirksvorsteher Diehl. Zum Programm des Abends gehörten Beiträge des Mandolinen-Orchesters und ein Film über die Wanderungen der „Alpenrose“.

Anzeige in der "Hofheimer Zeitung" vom 21. September 1956 - Quelle: Stadtarchiv Hofheim

Von dem Wanderbuch der „Alpenrose“ sind die Jahre 1956 bis 1958 im Privatbesitz erhalten geblieben. Die Hofheimer Zeitung berichtet auch 1958 noch über Wanderungen der „Alpenrose“ und über die Jahreshauptversammlung im März 1958. Als Vorsitzender wurde Franz Köhler sen. wiedergewählt. Ab 1960 nehmen die Berichte und Anzeigen zum Wanderklub „Alpenrose“ in der Hofheimer Zeitung stetig ab, deshalb vermutlich auch seine Aktivitäten. Am 4. März 1961 fand noch eine Jahreshauptversammlung im Gasthaus „Zum Obertor“, Hauptstraße statt, an der die Musikgruppe des Vereins beteiligt war. Wann sich der Wanderklub „Alpenrose“ wieder aufgelöst hat, konnte nicht festgestellt werden.

Der Touristenverein „Die Naturfreunde“ besteht in Hofheim bis heute weiter. Einige der musikalisch Aktiven der „Alpenrose“ haben in dem 1973 neu gegründeten „Mandolinenclub Hofheim“ eine neue Heimat gefunden. Franz Köhler jun., der zusammen mit seinem Vater Franz Köhler sen. und seiner Frau Christa schon dem Mandolinen-Orchester der „Alpenrose“ angehörte, war danach viele Jahre der Dirigent des „Mandolinenclubs“.



Quellen:
Hofheimer Zeitung 1927 – 1942, 1949 - 2004.
Wanderungen „Alpenrose“ von Karl Becht, 1956 bis 1958. Privatbesitz.
Becht, Manfred: Eines schönen Morgens war die Lore weg. Der Touristenverein Naturfreunde. Hofheimer Zeitung, 14. Oktober 1997, S. 5.
Becht, Manfred: Mit der „Alpenrose“ begann es. Die Gründung des Hofheimer Vereins. Hofheimer Zeitung, 13. Februar 2004.
Reuschling, Dieter: Vereine, die keiner mehr kennt. Die Folgen der „Gleichschaltung“ des Vereinslebens durch die Nazis. Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises 2012, S. 15-20.




Bearbeitung: Historischer Arbeitskreis Hofheim (Dieter Reuschling)

 


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